RS Vfgh 1998/12/9 G134/98, G237/98

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Veröffentlicht am 09.12.1998
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs7 zweiter Satz
Nö BauO §118 Abs9

Leitsatz

Keine sachliche Rechtfertigung der Einschränkung von Nachbarrechten im Baubewilligungsverfahren bei Erforderlichkeit auch eines gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens; Verwaltungsökonomie, wirtschaftlicher Druck im gewerberechtlichen Verfahren und Vermeidung von Doppelgeleisigkeiten keine ausreichenden Rechtfertigungsgründe

Rechtssatz

§118 Abs9 letzter Satz der Nö BauO 1976, LGBl. 8200-14, war verfassungswidrig.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht erkennen, daß die Schutzbedürftigkeit des Nachbarn vor Immissionen gewerblicher Betriebsanlagen im Baubewilligungsverfahren geringer einzuschätzen ist als jene des Nachbarn einer nichtgewerblichen Betriebsanlage. Dies vor allem deshalb, weil der Nachbar im gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren mangels Anwendbarkeit der raumordnungsrechtlichen Vorschriften einen Widerspruch zum Flächenwidmungsplan, beispielsweise hinsichtlich der Immissionslage, nicht geltend machen kann.

Im Hinblick auf die Bedeutung, die den raumordnungs- und baurechtlichen Vorschriften über die Vermeidung von Immissionen zukommt, kann das eingeschränkte Mitspracherecht nicht dadurch gerechtfertigt werden, daß der Unternehmer bei der Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage unter wirtschaftlichem Druck steht, der eine rasche Abwicklung der Bewilligungsverfahren notwendig macht. Ebenso können Erfordernisse der Verwaltungsökonomie die dargestellte Einschränkung des Rechtsschutzes des Nachbarn nicht rechtfertigen.

Auch der - aus den Materialien erhellende - Zweck der Regelung, Doppelgeleisigkeiten abzubauen, vermag die vorliegende Differenzierung nicht zu rechtfertigen.

Da eine förmliche Einbeziehung des erst am 26. November 1998 zu G237/98 eingelangten Antrages des Verwaltungsgerichtshofes (Zl. A88/98-1) in das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich war, hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, von der ihm gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung auch auf die beim Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 96/05/0020 anhängigen Rechtssache auszudehnen (vgl. VfSlg. 11.455/1987, 12.948/1991, 14.801/1997).

(Anlaßfall: E v 09.12.98, B1364/96 - Aufhebung des angefochtenen Bescheides; Quasi-Anlaßfälle: E v 16.12.98, B2831/96 und B2844/96 sowie E v 07.06.99, B2907/97).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Baurecht, Nachbarrechte, VfGH / Verfahren, VfGH / Anlaßverfahren, Gewerberecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:G134.1998

Dokumentnummer

JFR_10018791_98G00134_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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