RS Vfgh 1998/12/12 B342/98

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Veröffentlicht am 12.12.1998
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art44 Abs1
B-VG Art44 Abs3
EStG 1988 §28 Abs3
EStG 1988 §124a, §124b idF StrukturanpassungsG 1996

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der (rückwirkenden) Beseitigung der begünstigten Abschreibung des Assanierungsaufwandes durch das StrukturanpassungsG 1996; Verfassungsrang der die übergangslose Änderung verfügenden Bestimmung im Einkommensteuergesetz; keine Gesamtänderung der Bundesverfassung

Rechtssatz

Legt der Gesetzgeber das Inkrafttreten in der Weise fest, daß die geänderte Bestimmung erstmals bei der Veranlagung für ein bestimmtes Kalenderjahr anzuwenden ist, richten sich die Wirkungen der seinerzeitigen Aufwendungen ab diesem Jahr nach der geänderten Bestimmung (siehe Streichung des §6 Z2 litc EStG aufgrund §124b Z7 EStG idF StrukturanpassungsG 1996).

Die durch §124a Z2 EStG verfügte Rückwirkung vom 30.04.96 auf das gesamte Veranlagungsjahr 1996 erweist sich nicht als ausschlaggebend. Die Änderung der Rechtslage trifft nämlich denjenigen, der eine nicht mehr rücknehmbare Investitionsentscheidung Anfang des Jahres 1996 getroffen hat, nur unwesentlich stärker als jenen, der das schon 1995 getan hat. Eine scharfe Trennung zwischen dem Vertrauen auf die im Augenblick der Disposition geltende Rechtslage und dem Vertrauen auf den künftigen Fortbestand dieser Rechtslage ist bei dieser Fallgestaltung nicht möglich.

Es ist jedoch zweifelhaft, ob der Gesetzgeber nicht dadurch, daß er die begünstigte Abschreibung schlagartig und vollständig beseitigt hat, ohne Vorsorge zu treffen, daß in Fällen, in denen sie noch nicht in einem gewissen Mindestmaß zum Tragen gekommen ist, die aus ihrem plötzlichen Wegfall entstehenden Härten irgendwie abgefangen werden, die ihm vom Gleichheitssatz gesetzte Schranke überschritten hat. Die Freiheit, gegebene Rechtslagen zum Nachteil der Normunterworfenen abzuändern, darf nämlich nicht dazu mißbraucht werden, demjenigen, der sich im gewünschten Sinn verhalten und einen beträchtlichen Aufwand gesetzt hat, die verheißenen Vorteile dann schlechthin zu versagen.

Der die übergangslose Änderung verfügende §124a EStG steht im Verfassungsrang. Eine Verfassungswidrigkeit käme daher nur wegen Verstoßes gegen Art44 Abs3 B-VG in Betracht. Eine Gesamtänderung der Bundesverfassung wäre aber - entgegen den in diese Richtung zielenden Ausführungen der Beschwerde - im Fehlen geeigneter Einschleifbestimmungen beim Übergang zu einer neuen Rechtslage jedenfalls dann nicht zu erblicken, wenn es sich, wie hier, um einen Teil eines umfassenden budgetären "Maßnahmenpakets" zum Konsolidierungsprogramm der Bundesregierung für den Bundeshaushalt handelt (vgl. VfSlg. 14.888/1997), das einer großen Zahl unterschiedlicher Personengruppen ins Gewicht fallende Vorteile entzieht oder nicht unbeträchtliche Belastungen auferlegt. Wenngleich auch dem Verfassungsgesetzgeber im Sinn des Art44 Abs1 B-VG der Gleichheitssatz nicht zur beliebigen Disposition steht, weil er als ein wesentlicher Bestandteil der Grundrechtsordnung und des demokratischen Baugesetzes einen nicht ohne Volksabstimmung nach Art44 Abs3 B-VG abänderbaren festen Kern hat, bleibt nämlich doch ein gewisser Spielraum zu seiner (verfassungsgesetzlichen) Konkretisierung oder - wie hier - zu einer punktuellen Durchbrechung in besonderen Sachlagen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Einkommensteuer, Werbungskosten, Bundesverfassung Gesamtänderung, Grundprinzipien der Verfassung, Rückwirkung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Vertrauensschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B342.1998

Dokumentnummer

JFR_10018788_98B00342_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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