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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art146 Abs2Leitsatz
Abweisung eines Antrages auf Exekution eines Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich einer Beschwerde gegen die Streichung von Gingko-Präparaten aus dem Heilmittelverzeichnis; Verfahren zur Streichung aus dem Verzeichnis bereits vor Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung abgeschlossenSpruch
Der Antrag auf Einleitung der Exekution des hg. Beschlusses vom 28. Februar 2005, B181/05-5, wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger beschloss am 18. August 2004, die von der antragstellenden Gesellschaft vertriebenen Arzneispezialitäten Tebofortan 4% Tropfen, Tebonin retard Drag. und Tebofortan 40 mg FT (20 und 50 Stk.) aus dem Heilmittelverzeichnis zu streichen.
Mit Bescheid vom 27. Jänner 2005 wies die Unabhängige Heilmittelkommission die dagegen erhobene Beschwerde ab.
Gegen diesen Bescheid erhob die antragstellende Gesellschaft gemäß Art144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Darin stellte sie auch den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Mit dem in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Februar 2005, B181/05-5, wurde diesem Antrag Folge gegeben, "weil dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für die beschwerdeführende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre". Dieser Beschluss wurde noch am selben Tag der beschwerdeführenden Gesellschaft, der belangten Behörde sowie dem am Beschwerdeverfahren beteiligten Hauptverband per Fax zugestellt.
2. Mit der - am 26. Februar 2005, 4 Uhr, zur Abfrage freigegebenen - 2. Änderung des Erstattungskodex, www.avsv.at, Amtliche Verlautbarung Nr. 16/2005, wurden die in Rede stehenden Arzneispezialitäten "mit Wirkung vom 1. März 2005" aus dem (mit 1. Jänner 2005 an die Stelle des Heilmittelverzeichnisses getretenen) Grünen Bereich des Erstattungskodex gestrichen.
Mit einem am 14. März 2005 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz stellt die beschwerdeführende Gesellschaft den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge gemäß Art146 Abs2 B-VG beim Bundespräsidenten die Exekution des hg. Beschlusses vom 28. Februar 2005 "im Weisungsweg oder durch Einsatz der bewaffneten Gewalt" beantragen; begründend wird dazu ausgeführt, der Hauptverband sei nicht "gewillt", den genannten hg. Beschluss "zu beachten und umzusetzen".
Diesem Antrag liegt ein - an alle Krankenversicherungsträger gerichtetes - Schreiben des Hauptverbandes mit folgendem Wortlaut bei:
"Die ginkgohältigen Arzneispezialitäten ... wurden aufgrund der bestätigenden Entscheidung der Unabhängigen Heilmittelkommission (UHK) per 01.03.2005 aus dem Erstattungskodex gestrichen. Die Verlautbarung der Änderung des Erstattungskodex erfolgte am 26.02.2005.
Gegen die Entscheidung der UHK erhob das vertriebsberechtigte Unternehmen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bis zur endgültigen Entscheidung. Mit Beschluss vom 28.02.2005 wurde die aufschiebende Wirkung durch den VfGH zuerkannt.
Da die Streichung aus dem Erstattungskodex am 26.02.2005 verlautbart wurde, erfolgte diese somit vor der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den VfGH am 28.02.2005. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entfaltet jedoch erst Wirkung ab dem Zugang des darüber gefassten Beschlusses.
Die Streichung der ginkgohältigen Arzneispezialitäten ... per 01.03.2005 erfolgte daher zu Recht und ist nach wie vor gültig. Die Arzneispezialitäten sind ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich nicht mehr erstattungsfähig.
Sie werden daher ersucht, Ihre Vertragspartner über die grundsätzliche Nichterstattungsfähigkeit zu informieren. ..."
II. 1. Art146 B-VG (idF BGBl. I Nr. 100/2003) lautet wie folgt:
"Artikel 146. (1) Die Exekution der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes nach Art126a, Art127c und Art137 wird von den ordentlichen Gerichten durchgeführt.
(2) Die Exekution der übrigen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes liegt dem Bundespräsidenten ob. Sie ist nach dessen Weisungen durch die nach seinem Ermessen hiezu beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres durchzuführen. Der Antrag auf Exekution solcher Erkenntnisse ist vom Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten zu stellen. Die erwähnten Weisungen des Bundespräsidenten bedürfen, wenn es sich um Exekutionen gegen den Bund oder gegen Bundesorgane handelt, keiner Gegenzeichnung nach Art67."
2. Gemäß §85 Abs3 VfGG hat die Behörde im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung den Vollzug des angefochtenen Bescheides aufzuschieben "und die hiezu erforderlichen Vorkehrungen zu treffen"; der durch den angefochtenen Bescheid Berechtigte darf die Berechtigung nicht ausüben.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen (zB VfSlg. 7433/1974, 7849/1976, 8348/1978), dass "grundsätzlich" auch Beschlüsse, mit denen einer Beschwerde gemäß §85 Abs2 VfGG aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, einer Exekution gemäß Art146 Abs2 B-VG unterliegen können.
2.2. Ein Beschluss, mit dem einer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, bewirkt aber unmittelbar, dass der angefochtene Bescheid vorläufig keine Rechtswirkungen zu äußern vermag. Ein solcher Beschluss bedarf daher, soweit ihm eine solche Rechtsgestaltungswirkung zukommt, zu seiner Umsetzung keiner Vollstreckung. Vielmehr haben - wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat - alle Maßnahmen zu unterbleiben, die der Verwirklichung des Bescheides "im weiteren Sinn" dienen und die der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerde vorgreifen würden (zB VfSlg. 7433/1974).
2.3. Rechtshandlungen, welche die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit des angefochtenen Bescheides voraussetzen, dürfen daher mit Erlassung des die aufschiebende Wirkung zuerkennenden Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes rechtmäßiger Weise nicht mehr gesetzt werden.
Soweit solche Maßnahmen unter Missachtung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes dennoch gesetzt werden, kann ihre Rechtswidrigkeit aber - soweit möglich - im jeweils auch sonst für die Beseitigung der Maßnahme oder des Rechtsaktes vorgesehenen Verfahren geltend gemacht werden, sodass auch insoweit eine Vollstreckung nach Art146 Abs2 B-VG nicht in Betracht kommt (zB VfSlg. 7433/1974, 7849/1976, 8348/1978).
III. 1. Gemäß §351f Abs1 ASVG (in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung der 60. Novelle, BGBl. I Nr. 140/2002) hat der Hauptverband eine Arzneispezialität aus dem Heilmittelverzeichnis zu streichen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht (oder nur mehr für bestimmte Verwendungen) erfüllt sind.
Über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Heilmittelverzeichnis gestrichen werden soll, entscheidet die (nunmehr) beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen eingerichtete Unabhängige Heilmittelkommission (§351i Abs1 Z2 ASVG). Solche Beschwerden haben aufschiebende Wirkung (§351i Abs3 ASVG).
Wird diese Beschwerde abgewiesen, so ist die vom Hauptverband beschlossene Streichung im Wege einer Änderung des Heilmittelverzeichnisses (Erstattungskodex) zu verlautbaren. Solchen Änderungen kommt - wie auch dem Heilmittelverzeichnis selbst - der Charakter von Verordnungen iS des Art139 B-VG zu (vgl. E vom 10. Oktober 2003, G222/02, G1/03, Slg. 17.023, und E vom selben Tag, V5/02, Slg. 17.024).
2. Eine Änderung des Heilmittelverzeichnisses hat freilich (vorläufig) dann zu unterbleiben, wenn der Beschwerde gegen den - die Streichung bestätigenden - Bescheid der Unabhängigen Heilmittelkommission mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist.
2.1. Die in Rede stehende Verordnung des Hauptverbandes wurde aber bereits durch die am 26. Februar 2005 erfolgte Freigabe in der im Gesetz vorgesehenen Weise kundgemacht und damit erlassen.
2.2. Aus der Suspendierung der Rechtswirkungen des angefochtenen Bescheides, die mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eintritt, resultiert zwar eine Verpflichtung der Behörden zur Unterlassung aller Maßnahmen und Rechtshandlungen, welche den Status quo zum Nachteil der beschwerdeführenden Partei verändern würden; es ergeben sich daraus - anders als dies bei einer einstweiligen Verfügung der Fall wäre - aber nicht auch positive Handlungspflichten in der Richtung, dass bereits vor der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gesetzte Schritte wieder rückgängig gemacht werden müssten.
2.3. Da das Verfahren zur Erlassung der die Streichung der Produkte der Antragstellerin aus dem Heilmittelverzeichnis (Erstattungskodex) bewirkenden Verordnung mit deren Verlautbarung (und damit vor Zustellung des Beschlusses auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung) abgeschlossen gewesen ist und durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eine positive Handlungspflicht des Hauptverbandes zur Wiederherstellung des früheren Zustandes (sei es durch Aufhebung der Verordnung, sei es durch Erlassung einer weiteren Verordnung, mit der das Inkrafttreten der ersten Verordnung hinausgeschoben wird) nicht ausgelöst werden konnte, erweist sich der Antrag als unbegründet und war daher abzuweisen.
3. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs5 VfGG).
Schlagworte
Arzneimittel, Sozialversicherung, VfGH / Exekution, VfGH / Wirkung aufschiebendeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B181.2005Dokumentnummer
JFT_09949684_05B00181_2_00