TE Vfgh Erkenntnis 2005/3/16 B1450/03

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Veröffentlicht am 16.03.2005
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Index

12 Internationale Angelegenheiten
12/03 Entsendung ins Ausland

Norm

EMRK Art4 Abs2
BDG 1979 §43, §44
BVG über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland, BGBl I 38/1997. - KSE-BVG §4 Abs2

Leitsatz

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß dem Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland durch Entsendung des Beschwerdeführers zum österreichischen Kontingent der Kosovo-Force - KFOR ohne freiwillige Meldung; technische Vorbereitungsarbeiten durch Zivilpersonen auch vom Geltungsbereich dieses Gesetzes umfasst

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß §4 Abs2 erster Satz KSE-BVG verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Landesverteidigung) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit EUR 2.142,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer steht - als "Referent Energie und Elektrotechnik" im Amt für Rüstung und Wehrtechnik im Ressortbereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung - in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

1.2. Mit Dienstauftrag des Bundesministers für Landesverteidigung vom 22. August 2003 wurde der Beschwerdeführer angewiesen, in der Zeit vom 25. September bis 7. Oktober 2003 im Kosovo (Zielflughafen Pristina) die "Endabnahme der bei AUCON/KFOR [in dessen Stützpunkt ('Camp Casablanca')] eingebauten Schaltanlagencontainer mit Betriebsoptimierungssystem" durchzuführen.

1.3. AUCON/KFOR ist das österreichische Infanteriekontingent, das - ursprünglich - mit Beschluss der Bundesregierung vom 25. Juni 1999 sowie mit Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates vom 1. Juli 1999 zur solidarischen Teilnahme an der - auf der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates des Vereinten Nationen (UN) vom 10. Juni 1999 beruhenden - internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo [Kosovo-Force (KFOR)] als eine "Maßnahme der Friedenssicherung" iSd.

§1 Z1 lita des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland, BGBl. I 1997/38, idF BGBl. I 1998/30 und 35, (KSE-BVG) in den Kosovo entsandt wurde. Diese Entsendung wurde in der Folge mehrfach, zuletzt mit Beschluss der Bundesregierung vom 9. November 2004 bis 31. Dezember 2005 - jeweils mit Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates - verlängert. Im vorliegenden Zusammenhang ist der Beschluss der Bundesregierung vom 15. Oktober 2002 von Bedeutung, die Entsendung des Infanteriekontingentes in der Stärke von bis zu 560 Personen bis 31. Oktober 2003 fortzusetzen.

Der KFOR kommen nach Z9 der UN-Resolution 1244 (1999) unter anderem die folgenden Aufgaben zu:

"a) Abschreckung von der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten, Aufrechterhaltung und nötigenfalls Durchsetzung einer Waffenruhe, Gewährleistung des Abzugs der militärischen, polizeilichen und paramilitärischen Bundes- und Republikkräfte aus dem Kosovo sowie Verhinderung ihrer Rückkehr, außer soweit in Anlage 2 Punkt 6 vorgesehen;

b) Demilitarisierung der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) und anderer bewaffneter kosovo-albanischer Gruppen, wie in Ziffer 15 verlangt wird;

c) Schaffung eines sicheren Umfeldes, in dem Flüchtlinge und Vertriebene sicher in ihre Heimat zurückkehren können, die internationale zivile Präsenz arbeiten kann, eine Übergangsverwaltung eingerichtet und humanitäre Hilfe geleistet werden kann;

d) Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, bis die internationale zivile Präsenz die Verantwortung für diese Aufgabe übernehmen kann;

e) Überwachung der Minenräumung, bis die internationale zivile Präsenz gegebenenfalls die Verantwortung für diese Aufgabe übernehmen kann;

f) gegebenenfalls Unterstützung und enge Abstimmung mit der Arbeit der internationalen zivilen Präsenz;

g) erforderlichenfalls Wahrnehmung von Grenzüberwachungsaufgaben;

h) Gewährleistung des Schutzes und der Bewegungsfreiheit ihrer selbst sowie der internationalen zivilen Präsenz und der anderen internationalen Organisationen".

1.4. Auf Grund des vom Beschwerdeführer gestellten Antrages vom 25. August 2003, den oben genannten Dienstreiseauftrag bescheidmäßig festzulegen, stellte der Bundesminister für Landesverteidigung mit Bescheid vom 16. September 2003 fest,

"dass gemäß §44 Abs1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG) ... die Befolgung der Weisung vom 22. August 2003 ..., eine Dienstreise vom 25. September bis 7. Oktober 2003 in den Kosovo zum Zwecke der Durchführung der Endabnahme von Schaltanlagencontainern anzutreten, zu [den] Dienstpflichten [des Beschwerdeführers] gehört."

Begründend wird dazu - im Wesentlichen - ausgeführt, dass die Durchführung der Endabnahme der bei AUCON/KFOR eingebauten Schaltanlagencontainer mit Betriebsoptimierungssystem im Kosovo in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem einem österreichischen Kontingent im jeweiligen Einsatzraum zugewiesenen Auftrag stehe und daher nicht unter die Maßnahmen des §1 KSE-BVG subsumiert werden könne. Die in Rede stehende Auslandsdienstreise sei daher im Rahmen eines Dienstreiseauftrages anzuordnen, wobei die Reisegebührenvorschrift 1955 anzuwenden sei. Der Dienstreiseauftrag sei auch weder von einem unzuständigen Organ erteilt worden, noch verstoße er gegen strafgesetzliche Vorschriften.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes "darauf, dass Personen, welche nicht Angehörige des Bundesheeres oder [eines] Bundeswachkörpers sind, für Zwecke gemäß §1 [KSE-BVG] nur entsendet werden können, wenn sie sich zur Teilnahme verpflichtet haben", sowie der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Schutz vor Zwangs- und Pflichtarbeit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

Zur Begründung bringt der Beschwerdeführer - auf das Wesentliche zusammengefasst - vor, er sei auf Grund des ihm erteilten Dienstreiseauftrages vom 22. August 2003 direkt und unmittelbar am logistischen Aufbau des KFOR-Camps Casablanca beteiligt gewesen und habe insofern an einer Maßnahme zur Friedenssicherung bzw. an einer Maßnahme der humanitären Hilfe und Katastrophenhilfe iSd. §1 Z1 lita und b KSE-BVG teilgenommen. Bei den Schaltanlagencontainern handle es sich offensichtlich um ein Sachmittel für den Einsatz und dessen ordnungsgemäße Betreuung. Alles, das dazu diene, diese Container durch am Einsatzort ausgeführte Handlungen in einem adäquaten, einsatzfähigen Zustand zu erhalten, gehöre sohin zum Einsatz.

Zu Folge §4 Abs1 KSE-BVG dürften jedoch Bundesbeamte, sofern sie nicht Angehörige des Bundesheeres oder eines Wachkörpers des Bundes sind, für derartige Zwecke nur dann in das Ausland entsendet werden, wenn sie sich zur Teilnahme verpflichtet haben. Daraus ergebe sich ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht darauf, "dass Personen ... für Zwecke gemäß §1 [KSE-BVG] nur entsendet werden dürfen, wenn sie sich zur Teilnahme verpflichtet haben." Da er sich niemals zur "Teilnahme an derartigen Aktionen verpflichtet" habe, sei er durch den angefochtenen Bescheid in diesem verfassungsgesetzlichen Recht verletzt.

Auch im Lichte des Gleichheitssatzes sowie des Verbotes der Zwangs- und Pflichtarbeit (Art4 Abs2 EMRK) könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass zwar Bundesbeamte auch ohne ihre freiwillige Meldung entsendet werden können, nicht jedoch Angehörige des Bundesheeres, die von vornherein eine gefahrengeneigtere Tätigkeit auszuüben haben.

Schließlich seien der belangten Behörde - hinsichtlich des Ermittlungsverfahrens und der Bescheidbegründung - "krasseste Verfahrensmängel" vorzuwerfen.

3. Der Bundesminister für Landesverteidigung legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde begehrt wird. Dazu bringt der Bundesminister für Landesverteidigung - im Wesentlichen - das Folgende vor:

Bei der rechtlichen Beurteilung, ob eine Auslandsverwendung als Entsendung iSd. KSE-BVG durchzuführen sei oder als eine andere dienstrechtliche Maßnahme, so etwa als eine Auslandsdienstreise, erfolgen könne, sei auf den Zweck der Auslandsverwendung sowie auf die jeweiligen konkreten Aufgaben und Tätigkeiten abzustellen. Der in Rede stehende Einsatz des österreichischen Infanteriekontingentes AUCON/KFOR sei ohne Zweifel eine solidarische Teilnahme an Maßnahmen der Friedenssicherung iSd. §1 Z1 lita KSE-BVG; dies gehe insbesondere aus den in der UN-Resolution 1244 (1999) näher konkretisierten Aufgaben der KFOR-Sicherheitstruppe hervor.

Der Beschwerdeführer habe jedoch - wie er selbst nicht in Abrede stelle - diesem Infanteriekontingent während der in Rede stehenden Zeit seiner Auslandsverwendung weder organisatorisch angehört, noch sei er sonst in irgendeiner Weise dem Vorgesetzten der entsendeten Einheit nach §4 Abs6 KSE-BVG dienstrechtlich unterstellt gewesen.

Aber auch im Hinblick auf seine konkreten Aufgaben und Tätigkeiten im Kosovo sei auszuschließen, dass eine Entsendung des Beschwerdeführers nach dem KSE-BVG erforderlich gewesen sei. Die Aufgabe des Beschwerdeführers habe in der technischen Endabnahme der im AUCON/KFOR-Camp Casablanca in Suva Reka im Kosovo eingebauten Schaltanlagencontainer mit Betriebsoptimierungssystem bestanden. Diese Tätigkeiten seien ausschließlich technischer und logistischer Natur, die der Beschwerdeführer auf Grund seiner Arbeitsplatzbeschreibung - zu den Hauptaufgaben des Beschwerdeführers zählten insbesondere die eigenverantwortliche Abwicklung und Betreuung von Großprojekten und militärischen Sonderanlagen und die Wahrnehmung der technischen Belange im Fachbereich - auch im Inland durchzuführen habe. Allein der Umstand, dass diese Tätigkeiten nicht im Inland, sondern im Camp Casablanca durchgeführt wurden, mache sie jedoch noch nicht zu einer Maßnahme der Friedenssicherung iSd. §1 Z1 lita KSE-BVG. Ebenso seien die Funktion der Schaltanlagencontainer - die Verbesserung der Energieversorgung des Camps - und das durch die örtlichen Umstände möglicherweise vorhandene Gefahrenpotential für die Beurteilung dieser Frage nicht von entscheidender Bedeutung.

Aus den dargelegten Erwägungen folge, dass das KSE-BVG im konkreten Fall nicht anzuwenden gewesen sei. Ein Eingehen auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zu §4 KSE-BVG (iVm. Art7 B-VG und Art4 Abs2 EMRK) erübrige sich somit. Aus der Arbeitsplatzbeschreibung des Beschwerdeführers ergebe sich hingegen zweifelsfrei, dass die mit dem in Rede stehenden Dienstauftrag angeordneten Tätigkeiten zu seinen dienstlichen Aufgaben iSd. §43 Abs1 BDG 1979 zählten. Der Beschwerdeführer habe daher die vom Bundesminister für Landesverteidigung als zuständigem Organ erteilte Weisung befolgen müssen. Schließlich lägen auch die vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängel nicht vor.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1.1. Die §§1 bis 5 KSE-BVG haben folgenden Wortlaut:

"§1. Einheiten und einzelne Personen können in das Ausland entsendet werden

1. zur solidarischen Teilnahme an

a) Maßnahmen der Friedenssicherung einschließlich der Förderung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte im Rahmen einer internationalen Organisation oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) oder in Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oder

b) Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe oder

c) Maßnahmen der Such- und Rettungsdienste oder

d) Übungen und Ausbildungsmaßnahmen zu den in lita bis c genannten Zwecken sowie

2. zur Durchführung von Übungen und Ausbildungsmaßnahmen im Bereich der militärischen Landesverteidigung (Art79 Abs1 B-VG).

Dabei ist auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs, die Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen sowie der Schlußakte von Helsinki und auf die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union auf Grund des Titels V des Vertrages über die Europäische Union Bedacht zu nehmen.

§2. (1) Zu Entsendungen nach §1 Z1 lita und b ist die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates berufen.

(2) Zu Entsendungen nach §1 Z1 litc ist der zuständige Bundesminister berufen; der Bundesregierung ist über die Entsendung von Einheiten unverzüglich zu berichten.

(3) Zu Entsendungen nach §1 Z1 litd ist der zuständige Bundesminister im Rahmen eines von der Bundesregierung beschlossenen Übungs- und Ausbildungsplanes berufen. Der zuständige Bundesminister hat der Bundesregierung spätestens sechs Wochen vor Ablauf des Kalenderjahres den Entwurf eines Übungs- und Ausbildungsplans jeweils für das folgende Kalenderjahr vorzulegen. Dem Hauptausschuß des Nationalrates ist über den von der Bundesregierung beschlossenen Übungs- und Ausbildungsplan unverzüglich zu berichten. Ferner ist ihm über die im vorangegangenen Kalenderjahr auf Grund des Übungs- und Ausbildungsplans durchgeführten Übungen und Ausbildungsmaßnahmen zu berichten.

(4) Zu Entsendungen nach §1 Z2 ist der zuständige Bundesminister berufen. Die Entsendung zu diesen Zwecken von Personen, die den Grundwehrdienst oder Truppenübungen oder die ersten sechs Monate des Ausbildungsdienstes leisten, obliegt der Bundesregierung; dem Hauptausschuß des Nationalrates ist darüber unverzüglich zu berichten.

(5) Erfordert die besondere Dringlichkeit der Lage eine unverzügliche Entsendung gemäß §1 Z1 litb, so kommen die nach diesem Bundesverfassungsgesetz der Bundesregierung zustehenden Befugnisse dem Bundeskanzler, dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten sowie jedem in seinem Zuständigkeitsbereich berührten Bundesminister zu, die einvernehmlich beschließen können, an der Maßnahme gemäß §1 Z1 litb teilzunehmen. Hierüber haben sie der Bundesregierung und dem Hauptausschuß des Nationalrates unverzüglich zu berichten. Der Hauptausschuß des Nationalrates kann innerhalb von zwei Wochen nach der Berichterstattung gegen die Entsendung Einspruch erheben; in diesem Fall ist die Entsendung zu beenden.

(6) Im Fall einer zeitlich begrenzten Entsendung, in dem das Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates herzustellen ist, kann dieser beschließen, daß die Bundesregierung diese nach Ablauf der Frist ohne neuerliche Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuß fortsetzen kann. Über eine solche Fortsetzung der Entsendung hat die Bundesregierung dem Hauptausschuß unverzüglich zu berichten. Dieser kann innerhalb von zwei Wochen nach der Berichterstattung gegen die Fortsetzung der Entsendung Einspruch erheben; in diesem Fall ist die Entsendung zu beenden.

§3. Die Bundesregierung kann in den Fällen ihrer Zuständigkeit zur Entsendung unter Bedachtnahme auf den gesetzmäßigen Wirkungsbereich der Bundesministerien und auf den Zweck der Entsendung bestimmen, welchem Bundesminister oder welchen Bundesministern die Durchführung der Entsendung obliegt; sie kann auch bestimmen, inwiefern ein Bundesminister dabei im Einvernehmen mit einem anderen Bundesminister oder mit anderen Bundesministern vorzugehen hat. Im übrigen bleibt der gesetzmäßige Wirkungsbereich der Bundesministerien unberührt.

§4. (1) Für Zwecke nach §1 können entsendet werden

1.

Angehörige des Bundesheeres,

2.

Angehörige der Wachkörper des Bundes und

3.

andere Personen, wenn sie sich zur Teilnahme verpflichtet haben.

(2) Nach §1 Z1 lita bis d dürfen Personen nur auf Grund freiwilliger Meldung entsendet werden. Für Entsendungen nach §1 von Personen, die den Grundwehrdienst oder Truppenübungen oder die ersten sechs Monate des Ausbildungsdienstes leisten, ist jedenfalls deren persönliche freiwillige Meldung in schriftlicher Form erforderlich.

(3) Entsendete Personen werden unter der Leitung (Art20 B-VG) des zuständigen Bundesministers tätig. Die Bundesregierung kann bestimmen, ob und wieweit die entsendeten Personen hinsichtlich ihrer Verwendung im Ausland nach §1 Z1 lita bis d die Weisungen der Organe einer internationalen Organisation oder ausländischer Organe zu befolgen haben.

(4) Die nach österreichischen Rechtsvorschriften bestehende organisatorische Unterordnung von entsendeten Personen gegenüber ihren Vorgesetzten im Inland ruht auf die Dauer ihrer Tätigkeit im Ausland gemäß §1 Z1 lita bis d.

(5) Anläßlich einer Entsendung können die entsendeten Personen zu einer Einheit oder zu mehreren Einheiten zusammengefaßt werden. Für jede in das Ausland entsendete Einheit ist vom zuständigen Bundesminister ein Vorgesetzter zu bestellen.

(6) Für die Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin innerhalb der Einheit hat ausschließlich der Vorgesetzte Sorge zu tragen; er hat gegenüber Mitgliedern der Einheit die dienstrechtliche Stellung eines Vorstandes der Dienstbehörde. Er ist auch hiebei an die Weisungen des zuständigen Bundesministers gebunden.

(7) Widersprechen einander die unmittelbar erteilten Weisungen des in Betracht kommenden internationalen oder ausländischen Organs und die Weisungen eines zuständigen österreichischen Organs, so haben die entsendeten Personen die letzteren zu befolgen. Sie haben jedoch das zuständige österreichische Organ unverzüglich von einer widersprechenden Weisung des internationalen oder ausländischen Organs in Kenntnis zu setzen. Das zuständige österreichische Organ hat unverzüglich an das Organ, das die widersprechende Weisung erteilt hat, zum Zweck der Beseitigung des Widerspruchs heranzutreten.

§5. Die Bundesregierung ist ermächtigt, die Durchführung der Entsendung mit der in Betracht kommenden internationalen Organisation oder dem Empfangsstaat im Rahmen des Völkerrechts näher zu regeln."

1.2. Die die "Dienstpflichten des Beamten" regelnden Bestimmungen der §§43 und 44 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. 333, idF BGBl. I 2002/87, (BDG 1979) lauten wie folgt:

"§43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

(3) Der Beamte hat die Parteien, soweit es mit den Interessen des Dienstes und dem Gebot der Unparteilichkeit der Amtsführung vereinbar ist, im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben zu unterstützen und zu informieren.

§44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

(2) Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

(3) Hält der Beamte eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt."

2. Der Beschwerdeführer ist mit seinem oben unter Pkt. I.2. wiedergegebenen Vorbringen - im Ergebnis - im Recht:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt seit seinem Erkenntnis VfSlg. 723/1926 in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 12.838/1991 mit Hinweisen auf die Vorjudikatur) die Auffassung, dass ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht im Sinne des Art144 B-VG dann vorliegt, wenn ein hinlänglich individualisiertes Parteiinteresse an der Einhaltung einer objektiven Verfassungsnorm besteht. "Verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte sind die einem einzelnen von einer Norm, die im Verfassungsrang steht, eingeräumten subjektiven Rechte." [Heller, Das System des Rechtsschutzes, in: Machacek/Pahr/Stadler (Hrsg.), Grund- und Menschenrechte in Österreich, 1991, S 165; Walter/Mayer, Grundriß des Österreichischen Bundesverfassungsrechts, 9. Auflage, 2000, Rn. 1317; eingehend auch Ringhofer, Über verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte und die Kompetenzgrenze zwischen VfGH und VwGH, FS Melichar, 1983, S 169).

Ein derartig "hinlänglich individualisiertes Parteiinteresse" ist nun der oben wiedergegebenen bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmung des §4 Abs2 erster Satz KSE-BVG insoferne zu entnehmen, als sie die Entsendung von Personen zu den Zwecken iSd. §1 Z1 lita bis d KSE-BVG in das Ausland ganz allgemein "nur auf Grund freiwilliger Meldung" zulässt. Der damit verankerte Grundsatz der Freiwilligkeit stellt in erster Linie auf das Interesse der zu entsendenden Personen ab. Deshalb ist aber nicht nur die Ermächtigung der zuständigen Staatsorgane zur Entsendung von Personen zu den in Betracht kommenden Zwecken in das Ausland begrenzt, sondern auch den betroffenen Personen das subjektive Recht eingeräumt, nur nach Maßgabe ihrer freiwilligen Meldung zu den in Rede stehenden Zwecken in das Ausland entsendet zu werden.

2.2. Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob die Entsendung des Beschwerdeführers in das Ausland dem KSE-BVG unterliegt und bejahenden Falles, ob die Entsendung des Beschwerdeführers auf Grund dessen freiwilliger Meldung iSd. §4 Abs2 erster Satz KSE-BVG erfolgte.

2.2.1 Dass die Entsendung des AUCON/KFOR-Kontingents in den Kosovo dem §1 Z1 lita KSE-BVG unterfällt, ist evident (s. dazu oben Pkt. I.1.3.).

Der Gegenstand des an den Beschwerdeführer gerichteten Dienst(reise)auftrages bestand nun ausschließlich darin, die "Endabnahme der bei AUCON/KFOR [in dessen Stützpunkt (Camp Casablanca)] eingebauten Schaltanlagencontainer mit Betriebsoptimierungssystem" durchzuführen. Ein anderer Zweck für die Entsendung des Beschwerdeführers in das Ausland, nämlich in den Kosovo, ist weder von der belangten Behörde behauptet worden, noch sonst erkennbar. Das bedeutet aber, dass ohne die Entsendung des AUCON/KFOR-Kontingents in den Kosovo zur solidarischen Teilnahme an der auf einer Resolution des UN-Sicherheitsrates beruhenden Maßnahme der Friedenssicherung die dem Beschwerdeführer aufgetragene Dienstverrichtung nicht in Betracht gekommen wäre. Damit besteht aber - anders als die belangte Behörde meint - sehr wohl ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Tätigwerden des AUCON/KFOR-Kontingents im Kosovo einerseits und der dem Beschwerdeführer aufgetragenen Dienstverrichtung dort selbst andererseits. Der Umstand, dass diese Dienstverrichtung nicht - im engeren Sinn - militärischer Art, sondern - wie die belangte Behörde ausführt -"technischer und logistischer Natur" war, ändert daran nichts. Es liegt auf der Hand, dass die Entsendung einer militärischen Einheit zur Teilnahme an Maßnahmen der Friedenssicherung iSd. §1 Z1 lita KSE-BVG logistischer, insbesondere auch technischer, Vorbereitung und Unterstützung an Ort und Stelle bedarf. Diese vorbereitenden und unterstützenden Tätigkeiten stehen dann aber in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Tätigwerden dieser militärischen Einheit. Demgemäß unterfällt auch die Entsendung von Personen in das Ausland zur Ausübung dieser vorbereitenden und unterstützenden Tätigkeiten dem KSE-BVG [vgl. in diesem Zusammenhang etwa die auf §1 KSE-BVG gestützte Entsendung von "Kräften (insbes. Pioniere) für den Aufbau der Infrastruktur (Stützpunkte, Unterkünfte etc.)" in den Kosovo mit Beschlüssen der Bundesregierung vom 25. Juni und vom 5. Oktober 1999], und zwar unabhängig davon, ob diese Angehörige des Bundesheeres oder eines der Wachkörper des Bundes oder aber andere (Zivil-)Personen sind (so ausdrücklich §4 Abs1 Z1 bis 3 KSE-BVG).

Ausgehend davon unterlag aber die mit dem in Rede stehenden Dienst(reise)auftrag verfügte Entsendung des Beschwerdeführers in den Kosovo dem KSE-BVG.

2.2.2. Dem insoferne unwidersprochen gebliebenen Beschwerdevorbringen zu Folge, liegt eine freiwillige Meldung des Beschwerdeführers, an der in Rede stehenden Maßnahme der Friedenssicherung gemäß §1 Z1 lita KSE-BVG teilnehmen zu wollen, nicht vor. Insbesondere kann der Eintritt des Beschwerdeführers in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund nicht als eine iSd. §4 Abs2 erster Satz KSE-BVG erforderliche freiwillige Meldung angesehen werden, mag auch die Arbeitsplatzbeschreibung des Beschwerdeführers ihrer Art nach Aufgaben umfassen, die dieser auf Grund des Dienst(reise)auftrages des Bundesministers für Landesverteidigung im Kosovo zu erfüllen hatte.

2.3. Aus all dem ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid (s. dazu oben Pkt. I.1.4.) in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß §4 Abs2 erster Satz KSE-BVG (s. dazu oben Pkt. II.2.1) verletzt wurde.

Der angefochtene Bescheid war deshalb aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Der zugesprochene Betrag enthält Umsatzsteuer in Höhe von EUR 327,-- sowie den Ersatz der zu entrichtenden Eingabengebühr (§17a VfGG) in Höhe von EUR 180,--.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Dienstpflichten, Rechte subjektive öffentliche, Bundesheer, Wehrrecht, Zwangsarbeit, Rechte verfassungsgesetzlich gewährleistete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1450.2003

Dokumentnummer

JFT_09949684_03B01450_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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