Index
91 Post-und FernmeldewesenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchZuweisung von zusätzlichen Frequenzen aus dem für DCS-1800festgelegten Frequenzbereich an die beteiligte Inhaberin einerMobilfunkkonzession; keine Bedenken gegen die Einrichtung derTelekom-Control-Kommission als weisungsfreie Kollegialbehörde mitrichterlichem Einschlag angesichts der Eigenart des ihr zugewiesenenSachbereiches; Zulässigkeit einer Beschwerde an denVerwaltungsgerichtshof gegen Entscheidungen derTelekom-Control-Kommission als Regulierungsbehörde aufgrund desAnwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes; unmittelbareWirksamkeit der Bestimmung einer Richtlinie betreffend das Recht aufein Einspruchsverfahren gegen Entscheidungen einer nationalenRegulierungsbehörde; Telekom-Control-Kommission keinvorlagepflichtiges Gericht; keine Verletzung im Recht auf einVerfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge unrichtigerZusammensetzung der Behörde; keine Verletzung im Gleichheitsrechtdurch die bekämpfte Zuweisung zusätzlicher Frequenzen ohneVorschreibung eines weiteren Entgelts bzw ohne Ausschreibung nach demTelekommunikationsG; keine willkürliche oder denkunmögliche Vergabeinfolge gröblicher Außerachtlassung des Gemeinschaftsrechtes; keinVerstoß gegen die aufgrund der Mobilfunkrichtlinie bestehendeVerpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines effektivenWettbewerbs zwischen den Mitbewerbern auf dem Mobilfunkmarkt beiAusdehnung von (GSM-)Lizenzen auf die DCS-1800 Technologie; keinVerstoß gegen die Lizenzierungsrichtlinie; keine Willkür infolgegrober Verfahrensmängel hinsichtlich der Annahme des Vorliegens einererschöpften TeilnehmerkapazitätRechtssatz
Im Verfahren über die Zuweisung einer zusätzlichen Frequenz aus dem für DCS-1800 reservierten Bereich an Inhaber einer älteren Mobilfunkkonzession aufgrund des §125 Abs3 TelekommunikationsG hat der Inhaber der für 1997 vergebenen DCS-1800-Konzession bis zum Ablauf der dreijährigen Frist nach Rechtskraft seines Konzessionsbescheides Parteistellung. Er hat Anspruch darauf, daß innerhalb dieser Frist keine zusätzlichen Frequenzen zugewiesen werden, wenn nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausnahme erfüllt sind.
Die Beschwerdelegitimation der Connect Austria ("one") ist daher gegeben.
Die Einrichtung der Telekom-Control-Kommission als weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iSd Art133 Z4 B-VG ist angesichts der Eigenart des ihr zugewiesenen Sachbereiches noch zulässig. Handelt es sich doch bei den Regulierungsaufgaben im Bereich der Telekommunikation um einen weitgehend neuen Verwaltungsbereich, dessen Bewältigung einerseits nicht nur juristischen und wirtschaftlichen, sondern in hohem Maß auch technischen Sachverstand und andererseits regelmäßig die Entscheidung über "civil rights" in jenem Sinn erfordert, den der EGMR diesem Begriff des Art6 EMRK beilegt.
Der Inhalt des Art5a Abs3 der Richtlinie 90/387/EWG idF der Richtlinie 97/51/EG ist in bezug auf das Recht auf ein Einspruchsverfahren gegen die Entscheidung einer nationalen Regulierungsbehörde hinreichend genau, um im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH insofern unmittelbar wirksam zu sein, als es irgend ein wirksames (aufsteigendes) Rechtsmittel an eine unabhängige Stelle geben muß.
Der Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts muß dahingehend durchschlagen, daß für den Anwendungsbereich der Richtlinie Art133 Z4 B-VG verdrängt wird. Auch gegen Entscheidungen der Telekom-Control-Kommission als Regulierungsbehörde ist solcherart eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Kann aber die Entscheidung der Telekom-Control-Kommission mit einem - wenn auch außerordentlichen - "Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts" angefochten werden, ist sie jedenfalls nicht zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofs im Sinne des Art177 EG-Vertrag verpflichtet.
Es kommt daher auch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Unterlassung der Vorlage einer Auslegungsfrage an den EuGH nicht in Betracht.
Das für die Entscheidung der Kommission wesentliche, der Abhaltung einer Verhandlung entsprechende Verfahren, bei dessen Durchführung Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag angesichts ihrer gerichtsähnlichen Stellung in der Frage der Zusammensetzung zur Duchführung fortgesetzter Verhandlungen denselben strengen Regeln unterworfen sind wie kollegial besetzte Gerichte, sodaß ihre Mitglieder in diesem Verfahrensstadium nicht mehr ausgewechselt werden dürfen, hat erst am 16.06.98 begonnen.
Der Vorwurf einer Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter infolge unrichtiger Zusammensetzung der Behörde erweist sich daher als unbegründet.
Wenn die Behörde das Gesetz dahin versteht, daß die in der Konzession vorgesehene "Überlassung eines weiteren Frequenzspektrums in geeigneten Frequenzbereichen" im System des TelekommunikationsG (während der diesen Betreibern auferlegten Sperrfrist) bei Erschöpfung der Teilnehmerkapazität gleichfalls in Gestalt einer Erweiterung der Konzession nach dem Muster des §20 Abs4 Satz 1 ohne Vorschreibung eines weiteren Entgelts und daher auch ohne Ausschreibung zu erfolgen hat, ist das weder willkürlich noch die Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhaltes. Sie behandelt damit die Zuteilung der Frequenzen nach §125 Abs3 so, als wäre die Erweiterung aus dem Blickwinkel des TelekommunikationsG gesehen bereits Inhalt der Konzession gewesen und daher mit dem dafür entrichteten Nutzungsentgelt abgegolten.
Daß der Inhalt des §125 Abs3 TelekommunikationsG (arg. "wirtschaftlich vertretbar" und "technisch möglich") zu unbestimmt wäre, kann der Gerichtshof nicht finden.
Haben die der Mobilkom Austria und der max.mobil 1996 erteilten Konzessionen von vornherein eine Aufstockung im 900 MHz-Bereich vorgesehen und eine spätere Überlassung eines weiteren Frequenzspektrums in geeigneten Bereichen in Aussicht genommen und wurde keinem dieser Betreiber eine besondere oder ausschließliche Berechtigung eingeräumt, beiden vielmehr durch einen Zeitraum von mehr als drei Jahren im Interesse der beschwerdeführenden Gesellschaft als neuem Anbieter nur unter einer besonderen Voraussetzung ein Zugang zum DCS-1800-Bereich eröffnet, so kann darin jedenfalls kein offenkundiger Verstoß gegen Art86 EG-Vertrag (in Verbindung mit Art90) liegen.
Daß mit Zuweisung des in der Konzession verheißenen und durch das bereits gezahlte Nutzungsentgelt gedeckten weiteren Frequenzspektrums vor Ablauf der vom TelekommunikationsG in Aussicht genommenen dreijährigen Schutzfrist der Wettbewerbsvorteil verlorengeht, den die beschwerdeführende Gesellschaft als alleinige Anbieterin von Leistungen im DCS-1800-Bereich unter anderen Umständen noch weitere eineinhalb Jahre genießen sollte, kann nicht ohne weiteres als Maßnahme angesehen werden, die einer mißbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung Vorschub leistet.
§20a Abs3b FernmeldeG und §125 Abs3 TelekommunikationsG haben eine Ausdehnung von Lizenzen auf "bereits bestehende Betreiber" im Interesse des Eintrittes neuer Mitbewerber in den Markt hintangehalten. Die DCS-1800 Frequenzen hat nicht ein am Markt befindlicher Anbieter, sondern ein neuer Mitbewerber erhalten, und es ist durch einen befristeten Ausschluß der Erweiterung der Konzession auch der Notwendigkeit Rechnung getragen worden, die Investitionen des neu auf den Markt tretenden Unternehmers im Bereich DCS-1800 zu fördern.
Art2 Abs4 der Mobilfunkrichtlinie 96/2/EG ist offensichtlich nicht so zu verstehen, daß - entgegen der Zielsetzung des Abs3, die Kombination von Mobiltechnologien zu fördern - ein anderer Betreiber (nicht etwa nur am Einsatz seiner Marktmacht zur Verhinderung von Wettbewerb, sondern sogar) an einer effektiven Beteiligung am Wettbewerb selbst gehindert wird, weil er an die Grenzen seiner Kapazität gelangt ist und dieser Umstand auf einem Markt mit geradezu sprunghaft steigender Nachfrage, wie dies der Mobilfunkmarkt derzeit ist, mangels Möglichkeit der Gewinnung neuer Kunden die Marktchancen derart herabsetzt, daß es einem Ausschluß vom Wettbewerb nahekommt.
Kein Verstoß gegen die Lizenzierungsrichtlinie 97/13/EG über einen gemeinsamen Rahmen für Allgemein- und Einzelgenehmigungen für Telekommunikationsdienste.
Ob das Verfahren in jeder Hinsicht mangelfrei war und die Telekom-Control-Kommission zu Recht angenommen hat, die Teilnehmerkapazität der Mobilkom Austria sei unter Ausnutzung aller wirtschaftlich vertretbaren technischen Möglichkeiten ausgeschöpft, muß unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes dahingestellt bleiben.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Fernmelderecht, Parteistellung Fernmelderecht,Kollegialbehörde, Behördenzusammensetzung, EU-Recht,EU-Recht Richtlinie, Rechtsbegriffe unbestimmteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1625.1998Zuletzt aktualisiert am
25.02.2013