RS Vfgh 1999/2/25 B128/97

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Veröffentlicht am 25.02.1999
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EndbesteuerungsG §1, §3
ErbStG 1955 §15 Abs1 Z17
EStG 1988 §97

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht bei der Vorschreibung von Erbschaftssteuer durch Unterlassung von Ermittlungen hinsichtlich der teilweisen Steuerfreiheit des Erwerbs eines Barlegats durch die Beschwerdeführerin; grundsätzliche Steuerfreiheit des Erwerbs endbesteuerten Vermögens; Steuervorteil für den Vermächtnisnehmer bei höherem Wert der Barlegate in Relation zum Wert des gesamten Nachlasses

Rechtssatz

Die Erbschaftssteuer ist insoweit bereits abgegolten, als endbesteuertes Vermögen als Erbschaft anfällt oder als Vermächtnis ausgesetzt wurde. Der Pflichtteilsanspruch geht hingegen auf bloße Geldleistung; seine Erfüllung kann dem Pflichtteilsberechtigten kein endbesteuertes Vermögen verschaffen.

Der Erwerb eines Vermögensgegenstandes bleibt auch dann ein erbrechtlicher, wenn er nicht (allein) auf Testament (Erbvertrag) oder gesetzlicher Erbfolge beruht, sondern (auch) auf ein Erb- oder Pflichtteilsübereinkommen zurückzuführen ist. Daraus folgt für die Frage des Erwerbs von endbesteuertem Vermögen von Todes wegen, daß die Erbschaftssteuer auch dann im Sinne des §15 Abs1 Z17 ErbStG abgegolten sein muß, wenn in Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs oder im Zuge der Erbauseinandersetzung endbesteuertes Nachlaßvermögen zugewiesen wird. Es ist aber auch kein vernünftiger Grund ersichtlich, die - gleichfalls im Gesetz nicht behandelte - Erfüllung eines (Geld-)Vermächtnisses mittels endbesteuerten Nachlaßvermögens anders zu behandeln.

Ist es Sinn und Zweck des Endbesteuerungsgesetzes und der darauf gestützten Z17 des §15 Abs1 ErbStG, den Erbgang im Hinblick darauf steuerfrei zu stellen, daß die aus seinem Anlaß anfallende Steuer insoweit - gesamthaft betrachtet, ohne Rücksicht auf die Lage im Einzelfall - mit dem Kapitalertragsteuerabzug abgegolten ist und im Hinblick auf die bereits erfolgte Abgeltung nicht (gleichsam neuerlich) eingehoben werden soll, so ist eine Auslegung zu wählen, die im Ergebnis den Nachlaß in jenem Umfang steuerfrei beläßt, in dem er aus endbesteuertem Vermögen besteht. Die Erbschaftssteuerfreiheit endbesteuerten Vermögens darf also wohl nur einmal zum Tragen kommen, sie muß aber auch ganz zum Tragen kommen, wenn endbesteuertes Vermögen erbschaftssteuerfrei bleiben soll. Es darf nicht von der zufälligen erbrechtlichen Lage abhängen, ob endbesteuertes Vermögen auch tatsächlich erbschaftssteuerfrei bleibt.

Gleiches muß gelten, wenn ein Miterbe einen den Wert seines Anteils übersteigenden Vermögensgegenstand aus dem Nachlaß allein erwerben und die anderen Erben dafür in Geld abfinden möchte.

Muß von einem zur Gänze aus endbesteuertem Vermögen bestehenden Nachlaß ein Pflichtteil in Höhe des halben Nachlaßwertes entrichtet werden (sodaß der Erbe ohne Befreiung Erbschaftssteuer vom halben Nachlaßwert zu zahlen hätte), muß auch ein in Geld geleisteter Pflichtteil, und zwar unabhängig davon steuerfrei bleiben, ob zu diesem Zweck endbesteuertes Vermögen in Geld aufgelöst oder nachlaßfremdes Vermögen verwendet wurde. Nichts anderes kann im Falle eines Vermächtnisses gelten. Wendet der Erblasser einen Barbetrag zu, so kann sich zwar der Vermächtnisnehmer nicht auf §15 Abs1 Z17 ErbStG berufen, wenn das im Nachlaß enthaltene endbesteuerte Vermögen den Wert des dem Erben Verbleibenden nicht übersteigt. Ist das jedoch der Fall, kann er den überschießenden Steuervorteil für sich in Anspruch nehmen, und zwar gleichgültig, ob und in welchem Maße der Erbe zur Entrichtung des Legats endbesteuertes Vermögen "realisiert" oder auf andere Nachlaßgegenstände oder nicht aus dem Nachlaß stammendes Vermögen greift.

Im vorliegenden Fall sind - wie die Verwaltungsakten zeigen - eine größere Anzahl von Barlegaten ausgesetzt, die in ihrer Summe den Nachlaß erschöpfen oder sogar übersteigen. Feststellungen darüber, wer die endbesteuerten Vermögenswerte erhält und ob die wegen der Endbesteuerung anzunehmende Abgeltung der Erbschaftssteuer zum Tragen kommt, hat die Behörde - ausgehend von einer nach dem Gesagten verfassungswidrigen Rechtsansicht - unterlassen. Durch die Unterlassung, die ein Urteil darüber ausschließt, ob der Erwerb der Beschwerdeführerin nach §15 Abs1 Z17 ErbStG teilweise steuerfrei zu bleiben hätte, hat sie die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.

(Siehe auch E v 27.09.99, B129/97 ua).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Erbschafts- und Schenkungssteuer, Steuerpflicht, Steuergegenstand, Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B128.1997

Dokumentnummer

JFR_10009775_97B00128_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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