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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Bedenken gegen die Regelung über die (befristete) Entziehung der Lenkerberechtigung aufgrund mangelnder Verkehrszuverlässigkeit infolge erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung; sachliche Rechtfertigung der in absoluten Zahlen festgelegten unterschiedlichen Grenzen im und außerhalb des Ortsgebietes sowie der Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung mit technischen Hilfsmitteln; keine Bedenken gegen die Möglichkeit der Entziehung der Lenkerberechtigung bereits aufgrund des erstinstanzlichen Strafbescheides; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch verfassungswidrige Gesetzesanwendung; kein Eingriff ins Eigentumsrecht und in die Erwerbsausübungsfreiheit durch Abnahme des FührerscheinsRechtssatz
Im Hinblick darauf, daß sich die Verkehrs- bzw Gefahrensituation in Ortsgebieten wesentlich von jener auf Freilandstraßen und Autobahnen unterscheidet, kann dem Gesetzgeber aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes kein Vorwurf gemacht werden, wenn er in §66 Abs2 liti KFG 1967 die für das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des §66 Abs2 KFG 1967 maßgeblichen "Grenzwerte" an eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h und außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h knüpft.
Auch ging es dem Gesetzgeber in der 18. KFG-Novelle nicht um die Festlegung prozentueller Toleranzen, in deren Bereich eine Geschwindigkeitsüberschreitung noch nicht zur Entziehung der Lenkerberechtigung führen sollte, sondern es sollte für den Normunterworfenen in absoluten Zahlen leicht verständlich festgelegt werden, ab welchen Überschreitungen der jeweils zulässigen Geschwindigkeit eine Tatsache im Sinne des §66 Abs2 liti KFG 1967 verwirklicht wird.
Wenn sich der Gesetzgeber dafür entscheidet, an ein fixes Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung - als bestimmte Tatsache im Sinne des §66 KFG 1967 - die Rechtsfolge der Entziehung der Lenkerberechtigung zu knüpfen, so überschreitet er damit nicht die Grenzen der Sachlichkeit.
Es geht hier (im Gegensatz zu VfSlg 4470/1963) um die - eine Schutzmaßnahme im Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer darstellende - Entziehung der Lenkerberechtigung, die nur ausgesprochen werden darf, wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung mit technischen Hilfsmitteln festgestellt wurde. Damit wollte der Gesetzgeber offensichtlich gewährleisten, daß die Entziehung der Lenkerberechtigung nicht aufgrund subjektiver Einschätzung durch Straßenaufsichtsorgane, sondern nur aufgrund objektiver Kriterien, nämlich der Messung mittels geeigneter und geeichter Geräte erfolgen sollte (vgl AB 93 BlgNR XIX. GP).
Keine Bedenken gegen §73 Abs3 letzter Satz KFG 1967 hinsichtlich der Entziehung der Lenkerberechtigung ab dem Zeitpunkt des Strafverfahrens (wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung) in erster Instanz.
Die Rechtfertigung des Beschuldigten kann in der Regel bereits im erstinstanzlichen Strafverfahren berücksichtigt werden. Wenn der Beschuldigte Berufung erhoben hat, muß die zur Entziehung der Lenkerberechtigung zuständige Behörde entweder selbst ein Ermittlungsverfahren durchführen oder sie kann das Verfahren aussetzen, wie dies im konkreten Fall geschehen ist.
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Qualifikation der Entziehung der Lenkerberechtigung als administrative Sicherungsmaßnahme.
Bei der Entziehung der Lenkerberechtigung handelt es sich ausschließlich um eine Schutzmaßnahme im Interesse der übrigen Verkehrsteilnehmer.
Auch wenn für sich allein betrachtet diese Maßnahme in ihrer Wirkung für den einzelnen einer Strafe gleichkommen kann, verändert dies nichts an der Qualifikation als Maßnahme und ist die Dauer der Entziehung im Hinblick auf den Zweck dieser Maßnahme nicht unsachlich.
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Entziehung einer Lenkerberechtigung für zwei Wochen wegen erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung.
Der Gesetzgeber wollte im Sinne des Schutzes der Verkehrsteilnehmer ein wirksames Mittel gegen Raserei im Straßenverkehr schaffen, um dadurch einer der häufigsten Unfallursachen in Österreich entgegenzuwirken. Der Bestimmung des §66 Abs2 liti KFG 1967 liegt eine Wertung des Gesetzgebers zugrunde, nämlich daß exzessive Geschwindigkeitsüberschreitungen als verwerflich und gefährlich anzusehen sind. Der Gesetzgeber hat daher auch die Maßnahme der vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung an schwere - exzessive - Geschwindigkeitsüberschreitungen geknüpft, die zusätzlich - zum Schutz des Kfz-Lenkers - mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt worden sein müssen. Eine davon abweichende eigenständige Wertung durch die Kraftfahrbehörde widerspräche der Intention des Gesetzgebers, drastische Geschwindigkeitsüberschreitungen als eine der Hauptunfallursachen wirksam zu verhindern.
Kein Eingriff ins Eigentumsrecht.
In der Abnahme des Führerscheines ist kein Eingriff in ein privates Vermögensrecht gelegen.
Kein Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit.
Objekt der Entziehung der Lenkerberechtigung ist nicht die Unterbindung der Ausübung des Berufes, sondern die Unterbindung der Teilnahme am Straßenverkehr als Kraftfahrzeuglenker schlechthin. Daß infolge der Entziehung der Lenkerberechtigung das Gewerbe nicht ausgeübt werden kann, ist eine bloße Reflexwirkung; die Unterbindung der Berufsausübung ist nicht Bescheidinhalt.
Schlagworte
Straßenpolizei, Geschwindigkeitsüberschreitung, Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, Eigentumsrecht, Erwerbsausübungsfreiheit, SchutzumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B544.1997Dokumentnummer
JFR_10009774_97B00544_01