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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verfassungswidrigkeit der Regelungen der Nö BauO betreffend Amnestie für Schwarzbauten infolge gleichheitswidriger Privilegierung des rechtswidrig handelnden Personenkreises; Ausdehnung der AnlaßfallwirkungRechtssatz
Für die Anwendbarkeit des §113 Abs2a und 2b Nö BauO 1976 nach Inkrafttreten der Nö BauO 1996 am 01.01.97 ist ausschließlich der zweite Satz des §77 Abs1 Nö BauO 1996 entscheidend.
Die Beseitigung dieses, vom übrigen Inhalt des Abs1 des §77 Nö BauO 1996 trennbaren Satzes läßt den verbleibenden Teil dieser Bestimmung unberührt. Dieser bleibt weiterhin anwendbar und behält seine Bedeutung.
Insoweit Einstellung des amtswegigen Prüfungsverfahrens bzw. Zurückweisung des Antrags des VwGH.
§113 Abs2a und 2b Nö BauO 1976, LGBl. 8200-13, war verfassungswidrig.
§77 Abs1 zweiter Satz Nö BauO 1996, LGBl. 8200-0, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Es widerspricht dem Gleichheitssatz, daß Personen, die sich rechtswidrig verhielten, indem sie nicht nur ohne die gesetzlich erforderliche Baubewilligung, sondern möglicherweise auch unter Mißachtung der rechtskräftigen Verweigerung einer Baubewilligung entgegen der rechtsverbindlichen Flächenwidmung ein Bauwerk errichteten, vom Gesetzgeber schlechthin und jedenfalls besser gestellt werden als jene Personen, die in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung auf eine konsenslose Bauführung entgegen der bestehenden Flächenwidmung verzichteten (vgl. VfSlg. 14681/1996, 14763/1997).
Der die Judikatur (vgl. VfSlg. 12171/1989, 14378/1995) tragende Grundgedanke läßt eine Gleichheitsverletzung auch annehmen, wenn nicht einzelne Flächenwidmungen oder Bebauungsvorschriften ausschließlich zur Anpassung an bestehende rechtswidrige Bauführungen geändert werden, sondern wenn derartige flächenwidmungsplanwidrige Bauführungen, die vor einem bestimmten Zeitpunkt stattfanden, im nachhinein schlechthin - und im Widerspruch zu jenen Flächenwidmungen - vom Gesetzgeber als konsensfähig erklärt werden.
Ein rechtswidriges Verhalten kann keinen Vertrauensschutz genießen.
Selbst wenn im vorliegenden Fall das betroffene Gebäude (formell) konsenslos bleibt, entsteht eine Privilegierung durch die mit dem Feststellungsbescheid (der insoweit einem Benützungsbewilligungsbescheid gleicht) verbundene Berechtigung zur Benützung des Gebäudes, die dem Gleichheitssatz widerspricht.
Da eine förmliche Einbeziehung der erst am 29.01.99 zu G17/99 und am 01.03.99 zu G31/99 eingelangten Anträge des Verwaltungsgerichtshofes (Z A1/99, Z A11/99) in das vorliegende Gesetzesprüfungsverfahren im Hinblick auf das fortgeschrittene Prozeßgeschehen nicht mehr möglich war, hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, von der ihm gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz B-VG eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen und die Anlaßfallwirkung auch auf die beim Verwaltungsgerichtshof zu Z98/05/0111 und zu Z98/05/0190 anhängigen Rechtssachen auszudehnen.
(Anlaßfall B787/98, E v 03.03.99, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität, Baurecht, Baubewilligung, Flächenwidmungsplan, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Verfahren, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:G132.1998Dokumentnummer
JFR_10009697_98G00132_01