Index
62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung einer Regelung des AlVG betreffend Notstandshilfe ua für Ausländer wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und das Diskriminierungsverbot der Menschenrechtskonvention; Zugehörigkeit der Notstandshilfe zur Sozialversicherung; Erfordernis einer stärkeren oder schwächeren Verbundenheit mit Österreich keine sachliche Unterscheidung für die Gewährung einer durch Beiträge aller Versicherten finanzierten VersicherungsleistungRechtssatz
§34 Abs1 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609, idF BGBl. I Nr. 78/1997, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
§34 Abs1 AlVG in der Fassung des Jahres 1997 widerspricht Art14 EMRK iVm Art1 ihres (1.) Zusatzprotokolls und dem Gleichheitssatz der österreichischen Bundesverfassung.
Die Notstandshilfe wird als Leistung der Arbeitslosenversicherung im großen und ganzen aus den Beiträgen der Versicherten bestritten.
Handelt es sich aber um eine Sozialversicherungsleistung, so muß ungeachtet möglicher Abweichungen im grundsätzlichen der Kreis der Beitragsleistenden mit dem Kreis der Leistungsempfänger übereinstimmen.
In bezug auf die Notstandshilfe kehrt die in Prüfung gezogene Bestimmung die Verhältnisse aber um. Es bedarf keiner statistischen Erhebungen, um zu erkennen, daß die Notstandshilfe nicht etwa regelmäßig erst nach längerer Wartefrist und nur ausnahmsweise schon früher gewährt wird, sondern jeder in Österreich Geborene und daher nahezu sämtliche Österreicher erhalten die Notstandshilfe nach Erschöpfen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, alle anderen Personen hingegen nur ausnahmsweise.
Wie der Verfassungsgerichtshof schon im Prüfungsbeschluß in Übereinstimmung mit seiner Vorjudikatur (siehe E v 11.03.98, G363/97 ua) und der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dargelegt hat, ist das (durch das Genügen der Geburt in Österreich verschleierte) Erfordernis der österreichischen Staatsangehörigkeit oder einer (durch die Z2 und 4 des §34 Abs1 vorausgesetzten) stärkeren oder schwächeren Verbundenheit mit Österreich keine sachliche Unterscheidung für die Gewährung einer durch Beiträge aller Versicherten finanzierten Versicherungsleistung.
Die Regelung wird auch nicht dadurch sachlich und dem Diskriminierungsverbot der EMRK entsprechend, daß von den mangels der Erfüllung der Voraussetzungen von der Notstandshilfe (Sondernotstandhilfe) Ausgeschlossenen rund ein Drittel ohnedies Österreicher sind. Daß auch solche benachteiligt werden, rechtfertigt die Benachteiligung von nicht in Österreich Geborenen (insbesondere Ausländern) nicht.
(Anlaßfälle: E v 25.06.99, B1240/98 ua, B1410/98, B1444/98, B1528/98; Quasi-Anlaßfälle: E v 25.06.99, B1208/98 ua, B229/99, uvm).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Arbeitslosenversicherung, SozialversicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:G48.1999Dokumentnummer
JFR_10009391_99G00048_01