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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §85 Abs2 / WohnbauSpruch
Dem in der Beschwerdesache der G Wohnungsgesellschaft mbH,
..., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. B B, ..., gegen den Bescheid
der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. Dezember 2004,
Zl. ..., gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird gemäß §85 Abs2 VfGG insoweit F o l g e gegeben,
als für die Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens die
Zwangsversteigerung von Liegenschaften und der Verkauf von
Gegenständen im Rahmen der Fahrnisexekution ausgeschlossen wird. Im
Übrigen wird dem Antrag k e i n e F o l g e gegeben.
Begründung
Begründung:
1. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 20. Dezember 2004 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft die Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen entzogen und eine Geldleistung iHv € 22.000.000.- auferlegt.
2. In der dagegen gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wird u.a. der Antrag gestellt, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zur Begründung führt die beschwerdeführende Gesellschaft aus, dass zwingende öffentliche Interessen der Bewilligung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegenstünden, zumal die belangte Behörde selbst die Angelegenheit als nicht dringend eingestuft und erst dreieinhalb Jahre nach Aufhebung des ersten Entziehungs- und Leistungsbescheides durch den VwGH - der damals der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt habe - den hier angefochtenen Bescheid erlassen habe.
Die beschwerdeführende Gesellschaft führt weiter aus, dass sie den auferlegten Betrag von € 22.000.000.- nicht bezahlen könne und die Vollstreckung des angefochtenen Bescheides das Ende ihrer Existenz bedeuten würde (zur näheren Begründung legt die beschwerdeführende Gesellschaft die Bilanz zum 31. Oktober 2004 vor). Um den auferlegten Betrag zu begleichen, würde ihr Vermögen zu Zerschlagungswerten verschleudert, das kompetente Personal wäre nicht mehr vorhanden und ihre Geschäftsbeziehungen wären beendet. Diese Folgen könnten auch im Falle des Obsiegens im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht rückgängig gemacht werden, weshalb mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil für die beschwerdeführende Gesellschaft verbunden sei.
3. Die zur Äußerung eingeladene belangte Behörde legte innerhalb der ihr gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Stellungnahme, in der sie sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausspricht. Zunächst bringt die belangte Behörde vor, dass die Beschwerde nicht deutlich erkennen lasse, ob sowohl hinsichtlich der Entziehung der Gemeinnützigkeit als auch hinsichtlich der Geldleistung aufschiebende Wirkung begehrt werde. Die beschwerdeführende Gesellschaft lege jedenfalls nicht dar, warum die Entziehung der Gemeinnützigkeit für sie mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden wäre.
Nach Ansicht der belangten Behörde stehen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegen. Zum einen käme es - unter der Annahme, dass aufschiebende Wirkung für den Entzug der Gemeinnützigkeit überhaupt beantragt worden sei - zu sachlich nicht gerechtfertigten, gravierenden Wettbewerbsverzerrungen gegenüber anderen gemeinnützigen Wohnbauunternehmen, die die gesetzlichen Bestimmungen einhielten. Zum anderen sei die Einbringlichkeit der auferlegten Geldleistung gefährdet, da die beschwerdeführende Gesellschaft selbst behaupte, "wirtschaftlich nicht in der Lage" zu sein den Betrag zu bezahlen, und da bei Gewährung der aufschiebenden Wirkung die der beschwerdeführenden Gesellschaft - aufgrund rechtswidriger Vermögensverschiebungen zugunsten der Alleingesellschafterin A - zustehenden Rückforderungsansprüche gegen die A zu verjähren drohten (§83 Abs5 GmbHG). Es sei außerdem zu befürchten, dass im Schutz einer allenfalls gewährten aufschiebenden Wirkung weitere Vermögensverschiebungen erfolgen könnten.
Überdies sei mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides kein unverhältnismäßiger Nachteil für die beschwerdeführende Gesellschaft verbunden, da sie - nach der Aufhebung des Bescheides durch den VwGH im ersten Rechtsgang aus formalen Gründen und der Aufforderung des Revisionsverbandes Rückstellungen zu tätigen - damit hätte rechnen müssen, dass eine Geldvorschreibung nach §36 Abs1 WGG erfolgen werde. Auch die lange Verfahrensdauer habe die beschwerdeführende Gesellschaft, beispielsweise durch Nichteinhaltung von Fristen und durch den völlig ungerechtfertigten Wechsel des Wirtschaftsjahres, weitestgehend selbst verursacht. Sie habe es weiters unterlassen, dem Gerichtshof ihre Vermögensverhältnisse näher darzutun, da die von ihr vorgelegten "Bilanzwerte" keine ausreichende Grundlage für eine Interessenabwägung gem. §85 Abs2 VfGG darstellen würden. Wie die von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht widerlegten Berechnungen im angefochtenen Bescheid zeigten, sei auch die Behauptung, dass die auferlegte Geldleistung den Wert des Unternehmens weit übersteige, unzutreffend. Sie habe auch nicht dargelegt, warum die Aufnahme von Fremdmitteln zur Begleichung der Verbindlichkeit unmöglich sei und warum für den Gesamtbetrag und nicht nur einen Teilbetrag aufschiebende Wirkung begehrt werde. Nach Ansicht der belangten Behörde habe die beschwerdeführende Gesellschaft nicht dargetan, warum sie für aus der Befolgung von WGG-widrigen Weisungen der A entstandene Verbindlichkeiten keine Ansprüche gegen die A haben sollte. Ein unverhältnismäßiger Nachteil könne der beschwerdeführenden Gesellschaft auch nicht aus dem Verlust der Geschäftsbeziehungen und des qualifizierten Personals entstehen, da ausschließlich Geschäftsbeziehungen zur Muttergesellschaft bestünden und die beschwerdeführende Gesellschaft laut Prüfungsbericht des Revisionsverbandes keine eigenen Angestellten beschäftige.
Im Übrigen bestehe bei der Eintreibung der Geldleistung noch hinreichender Rechtschutz in Form des Aufschubes von Vollstreckungsmaßnahmen unter Wahrung der berechtigten Interessen des betreibenden Gläubigers. In eventu beantragt die belangte Behörde, die aufschiebende Wirkung nur insoweit zu gewähren, als vom Verfassungsgerichtshof zur Hereinbringung des auferlegten Geldbetrages das Exekutionsmittel der Zwangsversteigerung von Liegenschaften ausgeschlossen und bestimmt werde, dass der Verkauf im Rahmen der Fahrnisexekution auf Dauer der aufschiebenden Wirkung zu unterbleiben habe. Eine Überweisung im Rahmen der Forderungsexekution erscheine wegen drohender Verjährung unverzichtbar.
4. Die beschwerdeführende Gesellschaft replizierte auf die Stellungnahme der belangten Behörde und brachte vor, dass sich ihr Antrag auf aufschiebende Wirkung auf alle rechtlichen Wirkungen des angefochtenen Bescheides beziehe, da eine Trennung nicht zweckmäßig sei. Ungebundene liquide Mittel stünden nicht zur Verfügung, weshalb eine "teilaufschiebende" Wirkung nicht dem Gesetz entspreche. Aufgrund des niedrigen Unternehmenswertes sei sie weiters nicht in der Lage, den auferlegten Betrag zu bezahlen, weshalb auch die Aufnahme von Fremdmitteln illusorisch sei. Wäre - wie von der belangten Behörde behauptet - der Unternehmenswert aber tatsächlich hoch anzusetzen, dann wäre die Einbringlichkeit ohnehin gesichert. Auch habe die beschwerdeführende Gesellschaft nicht die Absicht, Vermögensverschiebungen vorzunehmen.
Rückstellungen seien keine erfolgt, da keine die Entziehung der Gemeinnützigkeit rechtfertigenden Verstöße gesetzt worden seien, selbst bei Entzug der Gemeinnützigkeit unter Einhaltung der gesetzlichen Berechnungsmethode mit einer relevanten Geldleistung nicht zu rechnen gewesen sei und der Revisionsverband nie verlangt habe, Ansprüche gegen die A aufzunehmen. Die lange Verfahrensdauer sei nicht auf mangelnde Kooperation der beschwerdeführenden Gesellschaft, sondern auf das Verhalten der Behörden selbst zurückzuführen; die Umstellung des Wirtschaftsjahres sei aus rein wirtschaftlichen Gründen erfolgt.
Das Vorbringen der belangten Behörde hinsichtlich der Verjährung von Rückforderungsansprüchen gegen die Muttergesellschaft bei Gewährung der aufschiebenden Wirkung sei nicht nachvollziehbar. Die Geschäftsbeziehungen der beschwerdeführenden Gesellschaft beschränkten sich nicht auf den Generalmietvertrag mit der A, sondern umfassten auch noch Verwaltungsaufgaben. Richtig sei, dass die beschwerdeführende Gesellschaft keine eigenen Arbeitnehmer beschäftige, doch würden ihre Agenden von Beschäftigten der A wahrgenommen werden. Abschließend bringt die beschwerdeführende Gesellschaft vor, dass ihre Interessen im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung nicht geschützt werden könnten, da bei Verweigerung der aufschiebenden Wirkung ein vollstreckbarer Titel vorläge. Auch sei es unzulässig, der Behörde im Rahmen der aufschiebenden Wirkung "Auflagen" zu erteilen, wie sie vom Vollstreckungstitel Gebrauch machen dürfe.
5. Gemäß §85 Abs2 VfGG kann einer Beschwerde auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
6. Bei der Entscheidung über den Antrag ist von Bedeutung, dass der im ersten Rechtsgang ergangene Entziehungsbescheid vom Verwaltungsgerichtshof lediglich aus formalen Erwägungen behoben wurde, dass es nach den Prüfungsfeststellungen des Revisionsverbandes in der Zwischenzeit weiterhin zu gravierenden Verstößen gegen das WGG und zu Vermögensverschiebungen auf die Alleingesellschafterin gekommen ist, dass für eine Abdeckung der zu erwartenden Geldleistung keine Vorsorge getroffen wurde und dass die aus dem Titel der verbotenen Einlagenrückgewähr bestehende Forderung gegen die Alleingesellschafterin der Verjährung nach §83 Abs5 GmbHG unterliegt. Der Gewährung der aufschiebenden Wirkung stehen somit öffentliche Interessen (Einbringlichkeit der Geldleistung, Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im Bereich der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft) entgegen. Da aber im Übrigen an der sofortigen Verwertung der Vermögenswerte der beschwerdeführenden Gesellschaft kein zwingendes öffentliches Interesse besteht und mit der Verwertung insoweit ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden sein könnte, war dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - unter Berücksichtigung der Stellungnahme der belangten Behörde - dahingehend Folge zu geben, dass für die Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens die Zwangsversteigerung von Liegenschaften und der Verkauf von Gegenständen im Rahmen der Fahrnisexekution ausgeschlossen wird.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
VfGH / Wirkung aufschiebendeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B163.2005Dokumentnummer
JFT_09949676_05B00163_00