RS Vfgh 1999/6/17 B1757/98

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Veröffentlicht am 17.06.1999
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art10
RegionalradioG §3
RundfunkG §5 Abs3
RundfunkG §27

Leitsatz

Verletzung des Gleichheitsrechtes durch Unterlassung von Ermittlungen zum realen Stand des Rundfunkwesens in und um Österreich bei Feststellung einer Verletzung des Rundfunkgesetzes seitens des ORF durch Ablehnung der Übernahme des Werbeauftrages der Antenne Wien im ORF; grundlegende Verkennung der im österreichischen Rundfunkrecht bewirkten Veränderungen

Rechtssatz

Das durch Art10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf "Freiheit der Meinungsäußerung", wie dieser Art10 nunmehr auf Grund des 11. Zusatzprotokolls zur EMRK, BGBl. III 30/1998, übertitelt ist, schließt auch die Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriff öffentlicher Behörden ein und unter den Schutzbereich des genannten Artikels fällt auch die sogenannte kommerzielle Werbung. Dem ORF steht es nicht frei, Sendezeiten für kommerzielle Werbung an die Interessenten "nach Willkür, parteilich, unter einseitiger Bevorzugung bestimmter Richtungen oder mit Ausschluß einzelner Unternehmen zu vergeben", vielmehr ist, wie es in VfSlg. 10948/1986 heißt, die Frage entscheidungswesentlich, "ob die Ablehnung der Übernahme des Werbeauftrages aus zulässigen Gründen erfolgte."

Aufgabe der Rundfunkkommission ist es dabei nach §27 RundfunkG, über Verletzungen eben dieses RundfunkG zu erkennen. Die zivilrechtliche Frage des Kontrahierungszwanges etwa ist also nicht im Rahmen von Beschwerden nach §27 RundfunkG zu beurteilen, sondern von den Zivilgerichten.

Verletzung des Gleichheitsrechtes durch die Feststellung einer Verletzung des §5 Abs3 RundfunkG seitens des ORF aufgrund der Versagung von Werbezeiten für die Antenne Wien im ORF.

Was die Bezugnahme des angefochtenen Bescheides auf §3 RegionalradioG betrifft, ist gewiß zuzugestehen, daß sich der ORF bei der Zulassung der Verbreitung von Hörfunksendungen durch andere Hörfunkveranstalter (nunmehr: Rundfunkveranstalter) als den ORF an, wie es im angefochtenen Bescheid unter Berufung auf die parlamentarischen Materialien heißt, "sachliche Kriterien" zu halten hat. Der angefochtene Bescheid übersieht und übergeht aber den entscheidungswesentlichen Umstand, daß zum einen durch das Inkrafttreten des RegionalradioG das vordem bestandene Rundfunkmonopol des ORF auf einem wesentlichen Sektor beseitigt wurde. Zum anderen besteht ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen der Übernahme eines Werbeauftrages und dessen Sendung auf den dem ORF zugeordneten Frequenzen und der bloß technischen Inanspruchnahme der Sendeanlagen des ORF durch andere Hörfunk(Rundfunk)veranstalter im Sinne des §3 RegionalradioG.

Insgesamt blieb aber im angefochtenen Bescheid die mittlerweile weitergegangene Entwicklung im gesamten Rundfunkbereich - und zwar was die gesamte Entwicklung in Österreich und in dessen Umfeld betrifft ebenso wie namentlich die Weiterentwicklung des Rundfunkrechtes - völlig unberücksichtigt. Die Verwirklichung des dualen Systems im Bereich des Hörfunks läßt die Sachlichkeit der Weigerung der Vergabe von Werbezeiten durch den ORF unter anderen Aspekten erscheinen als bei Bestand der seinerzeitigen Monopolstellung.

Ab 1. August 1996 ist als Konsequenz des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14258/1995 nicht nur die Verbreitung von Kabeltext, sondern auch darüber hinausgehender programmschöpferischer (aktiver) Kabelrundfunk zulässig.

Im Rahmen dieser stark veränderten Rechtslage wurden auch zum Zeitpunkt des von der Rundfunkkommission beanstandeten Verhaltens des ORF - das war Ende März 1998 - von anderen Rundfunkveranstaltern als dem ORF in nicht unerheblichem Maße nicht nur Hörfunk-, sondern auch Fernsehprogramme veranstaltet, das heißt unter anderem auch ausgesendet, in deren Rahmen es der beteiligten Partei möglich war, ihre Werbung an das Publikum heranzutragen.

Im gegebenen Zusammenhang ist angesichts der grenzüberschreitenden Wirkungen von Hörfunk und Fernsehen auch auf die dort eröffneten Werbemöglichkeiten Bedacht zu nehmen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunk, Regionalradio, Beschwerdeverfahren, Werbung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1757.1998

Dokumentnummer

JFR_10009383_98B01757_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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