TE Vfgh Erkenntnis 2005/6/6 B918/03

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Veröffentlicht am 06.06.2005
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Index

97 Öffentliches Auftragswesen
97/01Öffentliches Auftragswesen

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BundesvergabeG 1997 §113

Leitsatz

Abweisung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesvergabeamtes betreffend Zurückweisung eines Nachprüfungsantrags und des Antrags auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung im Vergabeverfahren zum Umbau des Kleinen Festspielhauses in Salzburg; kein substantiiertes Vorbringen hinsichtlich des als Willkür gedeuteten Vorwurfs

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Salzburger Festspielfonds (in der Folge: "SFF") hat mit EU-weiter Bekanntmachung (Abl 2001/S 77052895 und Abl 2001/S 90-061503) zur Abgabe von Teilnahmeanträgen für ein Verhandlungsverfahren betreffend Dienstleistungen von Architektur- und Ingenieurbüros sowie planungsbezogenen Leistungen eingeladen. In einer Vorprüfung wurde eine Vorauswahl getroffen, aus der 5 Bewerber hervorgingen, die zur Angebotsabgabe eingeladen wurden.

2. Die Anbote wurden in der Folge gereiht und die Verhandlungen mit dem damals bestgereihten Anbot der Planungsgemeinschaft 'Haus für Mozart' ... Architekten geführt. Nach Abschluss der Verhandlungen ermächtigte das Kuratorium des SFF das Direktorium der Salzburger Festspiele, der genannten Architektengemeinschaft den Zuschlag zu erteilen. Die Zuschlagsentscheidung des SFF wurde den Bietern mit Schreiben vom 14.11.2001 mitgeteilt und in der Folge vom Bieter Prof. W H bekämpft. Mit Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 11.06.2002 wurde die Entscheidung des SFF vom 08.06.2001 für nichtig erklärt. Der SFF wurde als Auftraggeber dazu angehalten, eine neue Entscheidung über die Reihung zu treffen; aufgrund dieser Entscheidung kam es zu einem fortgesetzten Verfahren.

3. Der SFF hat im Zuge der Ausschreibung eine Bewertungskommission eingesetzt, die die Aufgabe hatte, die eingebrachten Angebote unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Vorprüfung zu bewerten und zu reihen. Im fortgesetzten Verfahren wurde ein Privatgutachter beigezogen.

4. Im Zuge des fortgesetzten Verfahrens kam es zu einer Neubewertung der eingereichten Projekte. Mit Schreiben vom 14.10.2002 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §53a BVergG 1997 mitgeteilt, dass der Auftraggeber beabsichtige, den Zuschlag dem Bieter Prof. W H zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 18.10.2002 begehrte die Beschwerdeführerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §113 Abs2 BVergG 1997 verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dem Auftraggeber für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Aussetzung der Zuschlagsentscheidung vom 14.10.2002 aufzutragen sowie zu untersagen den Zuschlag im Vergabeverfahren zu erteilen.

Mit Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 25.10.2002, GZ: N-56/02-5, wurde der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zurückgewiesen. Der Zuschlag wurde daraufhin dem Bieter Prof. W H mit Schreiben vom 30.10.2002, zugestellt mit Telefax um 9:28 Uhr, erteilt.

Mit Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 20.10.2003, 11N-56/02-15, wurde der Antrag vom 18.10.2002 auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens sowie die Nichtigerklärung der Entscheidung, dass dem Bieter Prof. W H, der Zuschlag erteilt werden soll, zurückgewiesen. Grund der Zurückweisung war der Umstand, dass mit der Zuschlagserteilung das Vergabeverfahren abgeschlossen ist und das Bundesvergabeamt nach Zuschlagserteilung nur mehr zur Feststellung zuständig ist.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Mangelhaftigkeit und Rechtswidrigkeit des Verfahrens gerügt werden:

"1. Mangelhaftigkeit des Verfahrens:

Das Bundesvergabeamt geht zu Unrecht davon aus, dass wir keinen Antrag iS §113 Abs3 BVergG 1997 gestellt hätten. Tatsächlich haben wir mit Antrag vom 22.11.2002, den wir vorsorglich noch einmal als Beilage anschließen, den iS des §113 Abs3 BVergG 1997 - nach Zuschlagserteilung - notwendigen Feststellungsantrag gestellt. Die gegenteiligen Ausführungen des Bundesvergabeamtes sind daher nicht nachvollziehbar. Tatsache ist sohin, dass das Bundesvergabeamt offenkundig auf einer unrichtigen Antragsgrundlage entschieden hat. Im Übrigen hätte es sich dabei aber entgegen der Ansicht des Bundesvergabeamtes sehr wohl um einen verbesserungsfähigen Formmangel gehandelt. Das Bundesvergabeamt hätte uns daher - selbst wenn wir den Antrag vom 22.11.2002 nicht gestellt hätten - einen Verbesserungsauftrag erteilen müssen. Das Verfahren ist sohin jedenfalls mangelhaft geblieben.

2. Rechtswidrigkeit des Verfahrens:

Das Bundesvergabeamt stützt den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen darauf, dass wir als Schweizer Architektengesellschaft nicht befugt wären, Ziviltechnikerleistungen zu erbringen; auch diese Rechtsansicht ist unzutreffend. Dazu ist Folgendes auszuführen:

2.1. Das Bundesvergabeamt zitiert in seiner Bescheidbegründung die sogenannte EWR Architektenverordnung (BGBl 1995/694). Nach dieser Verordnung sind Staatsangehörige einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), die in einem Mitgliedsstaat des EWR zur Ausübung des Berufes eines selbständigen Architekten berechtigt sind, nach Erwerb einer Bestätigung gemäß dessen Abs4, zur vorübergehenden projektbezogenen Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen auf dem Fachgebiet der Architektur berechtigt. Wir können uns sehr wohl auf diese Architektenverordnung stützen. Es handelt sich bei der in §1 Abs1 der zitierten Verordnung genannten Bestätigung in Wahrheit um eine Anzeige an die zuständige Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer. Diese Verordnung war zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung bereits in Kraft.

2.2. Wir können unsere Befugnisse im Übrigen auf das Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über öffentliche Aufträge stützen; dieses Abkommen ist mit 01.01.1996 in Kraft getreten; in diesem Abkommen verpflichtete sich die Europäische Gemeinschaft auf Grundlage der Gegenseitigkeit ihre öffentlichen Aufträge der Schweiz gegenüber zu liberalisieren; die Liberalisierung betrifft sowohl den Güter-, als auch Dienstleistungsverkehr, zu dem letztlich auch Architekturleistungen und Bauarbeiten zählen.

2.3. Tatsache ist, dass der SFF von uns nie den Nachweis der Befugnis verlangt hat; unter Bezugnahme auf die EWR Architektenverordnung sind wir - wie bereits ausgeführt - davon ausgegangen, dass es sich bei der in der zitierten Verordnung geforderten Anzeige um eine reine Formalbestimmung handelt, die wir im Fall der Zuschlagserteilung erfüllen werden; davon ist offenkundig auch der SFF ausgegangen. Andernfalls hätte uns der SFF bereits vorab, d.h. noch im Zuge der Vorprüfung der I. Stufe, ausscheiden müssen; stattdessen hat uns der SFF, gemeinsam mit vier weiteren Bewerbern, zur Teilnahme an der II. Stufe und zur Angebotsabgabe eingeladen. Der SFF hat nicht einmal in seiner Begründung vom 25.10.2002, warum die Zuschlagserteilung an Hrn. Arch. Prof. W H ergeht, auf die angeblich fehlende Befugnis Bezug genommen.

Der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig.

Wir beantragen daher

a) der Verfassungsgerichtshof möge den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 20.05.2003, GZ 11N-56/02-15, aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Bundesvergabeamt zurückverweisen;

b) das Bundesvergabeamt schuldig zu erkennen, uns die Kosten iS §27 letzter Satz VfGG zuzüglich USt. wie nachstehend verzeichnet binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution gemäß §19a RAO zu Handen unseres Vertreters zu ersetzen."

Das BVA hat die Verwaltungsakten vorgelegt und folgende Gegenschrift erstattet:

"Die Beschwerdeführerin bekämpft in ihrer Beschwerde vom 1.7.2003 den Bescheid vom 20.5.2003, GZ 11N-56/02-15 und stellt den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge diesen Bescheid aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Bundesvergabeamt zurückverweisen. Der bekämpfte Bescheid wird in der Beschwerde drei Mal ausdrücklich bezeichnet und ist der Beschwerde auch als Beilage angeschlossen. Mit diesem Bescheid wurden der Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §113 Abs1 BVergG 1997 sowie der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung, dass dem Bieter, Prof. W H, der Zuschlag erteilt werden solle, zurückgewiesen, da zu diesem Zeitpunkt der Zuschlag durch die Auftraggeberin bereits erteilt worden war.

Das Beschwerdevorbringen bezieht sich allerdings ausschließlich auf einen nicht den Gegenstand dieser Beschwerde bildenden Bescheid, nämlich den Bescheid vom 20.5.2003, GZ 11F-15/02-6 (in der Beilage angeschlossen). Mit diesem Bescheid wurde über das von der Beschwerdeführerin zwischenzeitig gestellte Feststellungsbegehren abgesprochen.

Zu der in der Beschwerde als bekämpften Bescheid bezeichneten GZ 11N-56/02-15 hat die Beschwerdeführerin hingegen keinerlei Vorbringen erstattet, aus welchen Gründen eine Aufhebung dieses Bescheides begehrt wird."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Beschwerde bloß Verfahrensmängel gerügt. Der Verfassungsgerichtshof wertet die Beschwerdebehauptungen als den Vorwurf, die belangte Behörde habe Willkür geübt.

In ihren Ausführungen verwechselt die beschwerdeführende Gesellschaft zwei Bescheide. Sie macht in der Beschwerde geltend, dass sie als Schweizer Architektengruppe nicht mangels inländischer Zivilingenieurbefugnis vom Verfahren hätte ausgeschlossen werden dürfen. Darüber steht aber im angefochtenen Bescheid nichts, sondern in einem anderen Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 20.Mai 2003, GZ 11F-15/02-6, auf den aber nicht einzugehen war, da dieser Bescheid nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist. Gegenstand dieses Verfahrens ist der Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 20. Mai 2003, GZ 11N-56/02-15, der in der Beschwerde mehrfach genannt ist, unter anderem auch im Antrag, in dem dessen Aufhebung beantragt wird. Dieser Bescheid war auch der Beschwerde angeschlossen. Auch wenn man die Behauptung der Rechtwidrigkeit und Mangelhaftigkeit als Vorwurf der Willkür deutet, ist dieser nicht substantiiert vorgebracht worden. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch keine Gründe dafür zu finden, dass die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt oder ein verfassungswidriges Gesetz angewendet hätte. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Auslegung eines Antrages, Vergabewesen, VfGH / Antrag, VfGH / Prüfungsgegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B918.2003

Dokumentnummer

JFT_09949394_03B00918_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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