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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art7 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch Untersagung der Aushändigung von im Abonnement bestellten Zeitungsexemplaren während der Untersuchungshaft; keine Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der InformationsfreiheitRechtssatz
Straf- und Untersuchungshäftlingen ist es nach §60 Abs2 StVG nicht schlechthin untersagt, Zeitungen und Zeitschriften auf eigene Kosten zu erwerben. Zeitungen und Zeitschriften müssen allerdings nach dieser Bestimmung über Vermittlung der Anstalt bezogen werden.
Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, daß der Einzelpreis einer Zeitung oder Zeitschrift höher sein mag als der Abonnementpreis. Durch §60 Abs2 StVG sind Untersuchungsgefangene aber auch nicht gehindert, eine Zeitung zum Abonnementpreis zu beziehen. Aus dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles und in Ansehung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums bestehen daher gegen diese Bestimmung (soweit sie hier präjudiziell ist) keine Bedenken.
Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß es eine vom Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 EMRK gedeckte, nicht unverhältnismäßige Einschränkung des Grundrechtes auf Empfang von Information darstellt, wenn das Gesetz an sich den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften nicht ausschließt, jedoch - im Interesse der Hintanhaltung einer Gefährdung der Zwecke der Untersuchungshaft - den direkten Bezug von Zeitungen und Zeitschriften in der Haft untersagt, sowie anordnet, daß diese über Vermittlung der Anstalt zu beziehen sind, damit - wie auch in der Äußerung des Bundesministers für Justiz erwähnt - Einzelnummern oder Teile derselben unkenntlich gemacht werden können, von denen eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder des erzieherischen Zwecks der Strafe ausgeht.
Ob Art8 EMRK im Hinblick auf den ungestörten Empfang von Nachrichten überhaupt auch den Empfang von - nicht als persönliche Mitteilungen qualifizierbaren - Zeitungen und Zeitschriften erfaßt, soweit sie auf geordneten und anerkannten Beförderungswegen, etwa durch die Post, übermittelt werden, kann nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes dahinstehen.
Denn zweifellos ist im Hinblick auf den im Falle des Bezuges einer Tageszeitung entscheidenden verfassungsrechtlichen Schutz des Empfanges von Meinungen und Ideen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht nach Art10 EMRK als die speziellere Norm anzusehen, die daher in der vorliegenden Konstellation ausschließlich zur Anwendung kommt.
Keine Bedenken gegen §60 Abs2 StVG aus dem Blickwinkel des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatzes.
Der angefochtene Bescheid ist im wesentlichen Punkt hinreichend, wenn auch knapp und präzise begründet. Das Gesetz läßt in der entscheidenden Frage keinen Spielraum für die vom Beschwerdeführer mit Hinweis auf VfSlg 12477/1990 vermißte Gegenüberstellung der "Gründe und Gegengründe", weshalb der belangten Behörde mit dieser Unterlassung jedenfalls kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen ist. Ein den Bescheid mit Verfassungswidrigkeit belastendes, grob mangelhaftes Vorgehen der belangten Behörde oder eine grobe Unsachlichkeit des Bescheides ist nicht festzustellen.
Schlagworte
Strafprozeßrecht, Untersuchungshaft, Strafvollzug, Informationsfreiheit, Privat- und Familienleben, lex specialisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B2272.1998Dokumentnummer
JFR_10009070_98B02272_3_01