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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
Tir GVG 1996 §2 Abs1, §6 Abs1 litaLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Erwerbs von Almgrundstücken durch einen deutschen Staatsbürger; kein Verlust der Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück durch langjährige Aussetzung dieser Nutzung; keine denkunmögliche Annahme einer gegen land- und forstwirtschaftliche Interessen verstoßenden BesitzzersplitterungSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit Kaufvertrag vom 9. Oktober 2003 erwarb der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsbürger, Almgrundstücke im Ausmaß von ca. 7,3 ha. Die Bezirks-Grundverkehrskommission Leutasch versagte diesem Rechtsgeschäft (§4 Abs1 iVm §6 Abs1, §7 Abs1 lita und §25 Abs1 TGVG 1996) die grundverkehrsbehördliche Zustimmung, die Landes-Grundverkehrskommission wies die Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers als unbegründet ab: Die herbeigeführte agrarstrukturell unerwünschte Besitzzersplitterung verstoße gegen die land- und forstwirtschaftlichen Schutzinteressen (§6 Abs1 lita TGVG).
Die gegen den abweisenden Bescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte:
Die belangte Behörde sei zu Unrecht von einem land- und forstwirtschaftlichen Grundstück im Sinne des §2 Abs1 TGVG ausgegangen, da die Liegenschaft seit mehr als 30 Jahren nicht mehr land- und forstwirtschaftlich genutzt werde. Durch die auf denkunmöglicher Gesetzesanwendung beruhende Annahme der Unvereinbarkeit des Rechtserwerbs mit den in §6 Abs1 lita und b TGVG normierten Schutzinteressen habe die belangte Behörde das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs und auf Freiheit der Erwerbstätigkeit verletzt. Durch Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit sei die Behörde willkürlich zur Feststellung gelangt, dass dem Verkäufer keine Almbewirtschaftungsmöglichkeit mehr zur Verfügung stehe, dadurch sei das Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Die Anwendung des verfassungsgestzlich bedenklichen §6 Abs1 TGVG führe zur Verletzung der gemeinschaftsrechtlich garantierten Rechte auf Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit.
Die belangte Landes-Grundverkehrskommission tritt den Ausführungen der Beschwerde entgegen und beantragt deren Abweisung.
II. Die - zulässige - Beschwerde ist nicht begründet:
Mit seinem Vorbringen, den mehr als 30 Jahren nicht mehr genutzten Kaufgrundstücken fehle nach der Begriffsbestimmung (des dritten Satzes) des §2 Abs1 TGVG bereits die Eignung als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke, übersieht der Beschwerdeführer die in der genannten Bestimmung für den Verlust dieser Eigenschaft ferner normierte Voraussetzung, dass die (vor nicht mehr als 20 Jahren) im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzten Grundstücke danach "in anderer Weise als für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden", was bei den hier betroffenen Almgrundstücken nicht der Fall gewesen ist. Durch die bloße Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung eines zuvor in diesem Sinn genutzten Grundstücks verliert dieses gemäß der Begriffsbestimmung des vierten Satzes des §2 Abs1 TGVG nicht die Eignung als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück. Die belangte Behörde ist demnach zu Recht von der Genehmigungspflicht des Rechtserwerbs ausgegangen.
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §6 Abs1 lita TGVG, wonach die nach §4 Abs1 leg. cit. erforderliche Zustimmung bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken nur erteilt werden darf, wenn der Rechtserwerb "weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht". Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlage (siehe zB VfSlg. 12.699/1991 zum vergleichbaren §4 Abs1 Tiroler GVG 1983) ist es weder denkunmöglich noch willkürlich, wenn die belangte Behörde die Ansicht vertritt, dass der Rechtserwerb von Almgrundstücken, denen als Ergänzung eines damit verbundenen landwirtschaftlichen Betriebes gerade im Gebirgsland Tirol große Bedeutung zukommt, dann der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht, wenn der Erwerber, dessen eigener landwirtschaftlicher Besitz 261 km entfernt liegt, im Bereich der Kaufgrundstücke weder weitere Grundstücke, noch eine Hofstelle besitzt. Auch in der weiteren Annahme, es liege im öffentlichen Interesse, die bei zersplitterter Besitzstruktur erforderlichen langen Transportwege zwischen den einzelnen Besitzteilen zu vermeiden, liegt eine denkunmögliche oder willkürliche Gesetzesanwendung nicht vor. Selbst wenn der Rechtserwerb im Sinn des Beschwerdevorbringens im Vergleich zu den gegenwärtigen Verhältnissen eine Verbesserung bewirken könnte, liegt in der Annahme agrarstruktureller Nachteile als Folge der bewirkten Besitzzersplitterung keine Verfassungswidrigkeit.
Es kann der Behörde aber auch nicht der Vorwurf des - Willkür indizierenden - Unterlassens jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt gemacht werden, zumal sie die Entscheidungsgrundlage durch ergänzende Erhebungen samt Lokalaugenschein erweitert und eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat. Eine - willkürliche - Feststellung dahingehend, dass dem Verkäufer keine "Almbewirtschaftungsmöglichkeit" mehr zur Verfügung stehe, wurde entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht getroffen; festgehalten wurde vielmehr, dass der Landwirtschaftsbetrieb des Verkäufers künftig über keine Almgrundstücke verfügen werde. Bloße Weiderechte (deren Bestand der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gar nicht ins Spiel gebracht hat) stehen dieser Annahme offenkundig nicht entgegen. Dass die rechtliche Würdigung des gesamten Sachverhalts durch die Behörde aus der Sicht des Beschwerdeführers unbefriedigend geblieben ist, indiziert noch nicht willkürliches Verhalten (VfSlg. 13.165/1992, 13.385/1993).
Dem Vorwurf der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ist - abgesehen davon, dass die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art56 EGV und die Niederlassungsfreiheit nach Art43 EGV keine verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte im Sinne des Art144 Abs1 B-VG sind - die Entscheidung EuGH 23.9.2003, Rs. C-452/01, Ospelt, entgegenzuhalten, nach der die Genehmigungspflicht bei land- und forstwirtschaftlichen Gründstücken unbedenklich ist.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 15.278/1998, 16.358/2001).
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
Diese Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (§19 Abs4 erster Satz und Z2 VfGG).
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftlichesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B1363.2004Dokumentnummer
JFT_09949394_04B01363_2_00