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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zulässigkeit einer vom beschwerdeführenden Rechtsanwalt selbst unterschriebenen Beschwerde trotz einstweiliger Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft; keine Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen des Disziplinarstatuts der Rechtsanwälte betreffend die vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft; kein strafrechtlicher Charakter der Untersagung; keine Verletzung der Unschuldsvermutung; kein Verstoß gegen das Determinierungsgebot; keine Verletzung der ErwerbsausübungsfreiheitRechtssatz
Obwohl dem Beschwerdeführer die Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §19 DSt 1990 vorläufig untersagt wurde, waren die beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerden nur vom Beschwerdeführer selbst und - im Hinblick auf §17 Abs2 VfGG - nicht von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben.
Wenn die Rechtsanwaltschaft bloß "nach §17 DSt (1872) eingestellt ist", hat der als Partei auftretende Rechtsanwalt "noch die Fähigkeit, in eigener Sache selbst im Anwaltsprozeß aufzutreten" (vgl. OGH 12.10.1982, 5 Ob 741/82; da es sich beim §19 DSt 1990 um die Nachfolgebestimmung zu §17 DSt 1872 handelt, gilt das Gesagte auch für die vorläufige Untersagung der Rechtsanwaltschaft nach §19 DSt 1990). Die vom Beschwerdeführer eingebrachten Beschwerden wurden daher gemäß §28 ZPO iVm §35 VfGG rechtmäßig eingebracht.
Keine Verletzung der Unschuldsvermutung, keine Verletzung des Art7
EMRK.
Der Vorwurf des Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung setzt voraus, daß mit der vorläufigen Ausübung der Untersagung der Rechtsanwaltschaft über eine strafrechtliche Anklage im Sinn des Art6 EMRK entschieden worden ist.
Im vorliegenden Fall war die vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §19 Abs3 Z1 litd DSt 1990 zwar die Folge einer von einem Strafgericht (einem Tribunal iSd Art6 EMRK) ausgesprochenen Verurteilung, die einstweilige Maßnahme der vorläufigen Untersagung zielte jedoch nicht selbst auf eine Bestrafung ab. Sie bezweckte die Hintanhaltung von zu besorgenden schweren Nachteilen, insbesondere für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung sowie für das Ansehen des Standes. Auch wenn diese Maßnahme in ihrer tatsächlichen Auswirkung für den einzelnen einer Strafe gleichkommen kann, ändert dies nichts an ihrer Qualifikation als sichernde Maßnahme.
Da es sich bei der vorläufigen Untersagung der Rechtsanwaltschaft ihrem Wesen nach um eine sichernde Maßnahme handelt, die bei Vorliegen der angeführten gesetzlichen Voraussetzungen getroffen werden kann und vor allem keine endgültige Lösung darstellt, braucht auch durch rechtskräftiges Strafurteil nicht nachgewiesen zu werden, daß der Rechtsanwalt das ihm durch Strafurteil zur Last gelegte und in der Folge standeswidrige Verhalten tatsächlich begangen hat. Es wird die Vermutung der Unschuld nicht in Frage gestellt.
Keine Verletzung des Rechts auf Erwerbsausübungsfreiheit.
Die vorläufige Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §19 Abs3 Z1 litd DSt 1990 greift in das durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit ein.
Wird ein Rechtsanwalt etwa wegen eines schweren Verbrechens (im vorliegenden Fall wegen schweren Betruges mit einer angenommenen Schadenssumme von ca 80 Millionen Schilling) in erster Instanz verurteilt, liegt es ohne Zweifel zum Schutz der rechtsuchenden Bevölkerung im öffentlichen Interesse, dem Rechtsanwalt die weitere Ausübung seiner Tätigkeit vorläufig zu untersagen. Es ist zu besorgen, daß ein mit solchem Urteil belasteter Rechtsanwalt nicht mehr mit dem nötigen Einsatz und der notwendigen Konzentration auf die Wahrnehmung der Interessen seiner Mandanten bedacht ist. Ebenso besteht ein öffentliches Interesse an einem gut funktionierenden Rechtsanwaltsstand. Rechtsanwälte sind bei Ausübung ihrer Tätigkeit der rechtsfreundlichen Vertretung besonders auf das Vertrauen ihrer Mandanten angewiesen.
In Fällen wie dem vorliegenden stellt die Maßnahme der vorläufigen Untersagung der Rechtsanwaltschaft ein geradezu unverzichtbares, aber auch adäquates Mittel zur Erreichung des öffentlichen Zieles dar.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz oder gegen das Determinierungsgebot.
Es kann hinsichtlich der in den Beschwerden geltend gemachten Gleichheitswidrigkeit des §19 Abs3 Z1 litd iVm §19 Abs1 Z1 DSt 1990 nicht gefunden werden, daß Ungleiches gleich behandelt wird. Die diesbezügliche Argumentation des Beschwerdeführers fußt auf der Annahme, die einstweilige Maßnahme sei mit einer Disziplinarstrafe gleichzusetzen. Diese Ausgangsposition ist verfehlt.
Keine denkunmögliche Gesetzesanwendung, keine Willkür.
Die angefochtenen Bescheide stützen sich in ihrer Begründung im wesentlichen auf die Tatsache, daß der Beschwerdeführer wegen schweren Betruges mit einer Schadenssumme von ca 80 Millionen Schilling strafgerichtlich verurteilt wurde und daß deswegen bei einer weiteren Ausübung der Rechtsanwaltschaft schwere Nachteile für die Interessen der rechtsuchenden Bevölkerung und des Ansehens des Standes zu besorgen wären. Wenn nun der Disziplinarrat alle diese zu befürchtenden Nachteile nicht im Detail näher ausführt (weil es wegen der Schwere des dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verbrechens und der Höhe der Schadenssumme bereits auf der Hand liegt, daß die im Gesetz genannten Nachteile zu besorgen sind) und die OBDK dies in der Folge nicht aufgreift, kann der OBDK im konkreten Fall nicht der Vorwurf einer denkunmöglichen Anwendung der Rechtsvorschriften gemacht werden (vgl auch VfSlg 14567/1996).
Ausreichendes Ermittlungsverfahren.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Rechtsanwälte Berufsrecht, VfGH / Anwaltszwang, Rechtsanwälte Disziplinarrecht, Strafen, Rechtsschutz, Erwerbsausübungsfreiheit Eingriff, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B2598.1997Dokumentnummer
JFR_10008996_97B02598_01