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21 Handels- und WertpapierrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung handelsrechtlicher Bestimmungen betreffend die Offenlegungspflicht hinsichtlich der Konzernabschlüsse von Kapitalgesellschaften mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Bekämpfung der Verhängung von Zwangsstrafen wegen Unterlassung der Offenlegung aufgrund des - von anderen Strafen unterschiedlichen - Rechtscharakters einer Zwangsstrafe; Möglichkeit des Aufschubs des Vollzugs der Zwangsstrafe bis zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der zu erzwingenden VerpflichtungRechtssatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung des §280 Abs1 HGB idF BGBl 304/1996, in eventu dessen Satz 1, in eventu der Wortfolge "und 277 bis 280" in §283 Abs1 HGB idF BGBl 304/1996 und der Wortfolge "oder eine Einreichung von Schriftstücken" in §24 FirmenbuchG.
Wer durch Nichtbefolgung einer als verfassungswidrig erachteten Pflicht ein strafbares Verhalten setzt, kann durch die gesetzlich vorgesehene aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels und die Zuerkennung aufschiebender Wirkung einer Beschwerde gegen rechtskräftige Bescheide zwar seine Bestrafung bis zu einer Entscheidung über die behauptete Verfassungswidrigkeit hintanhalten und so bei Zutreffen seines Vorwurfs endgültig abwenden, er setzt sich aber für den Fall, daß sich sein Vorwurf als unberechtigt erweist, dem Vollzug der verhängten Strafe aus. Denn das einmal gesetzte strafbare Verhalten läßt sich nicht mehr rückgängig machen und die Erkenntnis der Erfolglosigkeit der verfassungsrechtlichen Angriffe ermöglicht keine rechtzeitige Beachtung der bekämpften gesetzlichen Vorschriften.
Zwangsstrafen haben aber einen anderen Zweck und entfalten jedenfalls dann, wenn sie ein gebotenes Handeln erzwingen sollen, andere Wirkungen.
Es ist dem unter Androhung einer Zwangsstrafe Verpflichteten möglich, die Verhängung der angedrohten Strafe unter Hinweis auf die behauptete Rechtswidrigkeit der angewendeten Norm zu bekämpfen und den Vollzug der Zwangsstrafe so lange hinauszuschieben oder hinausschieben zu lassen (hier vgl §12 Abs2 AußerstreitG iVm §15 Abs1 FirmenbuchG), bis über die Verfassungsmäßigkeit der zu erzwingenden Verpflichtung entschieden ist, und im Falle eines negativen Ausganges des Verfahrens das verlangte Verhalten zu setzen und so dem Vollzug der Zwangsstrafe zu entgehen. Er setzt sich also dem Risiko der Bestrafung durch die Unterlassung des geforderten Verhaltens bis zu diesem Zeitpunkt nicht aus.
Der durch die Möglichkeit, die Verhängung der Zwangsstrafe zu bekämpfen, dem Verpflichteten eröffnete Weg, die Angelegenheit vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen, ist daher regelmäßig zumutbar.
Daß die Zwangsstrafen von einem Gericht verhängt werden und diesfalls nur ein solches II. Instanz durch einen eigenen Antrag die Angelegenheit vor den Verfassungsgerichtshof bringen kann, wird von der Bundesverfassung bewußt in Kauf genommen (vgl VfSlg 14310/1995, 15030/1997).
Auf dem Weg über die Bekämpfung der verhängten Zwangsstrafe findet auch das hinter dem Begehren nach einstweiligen Maßnahmen stehende Anliegen des Antrags angemessene Berücksichtigung.
(siehe auch B v 13.10.99, G61/99 ua und B v 29.11.99, G156/99 ua).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Handelsrecht, StrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:G60.1999Dokumentnummer
JFR_10008995_99G00060_01