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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Aufhebung von Bestimmungen des AuslBG betreffend die Auskunftspflicht hinsichtlich der Identität von am Betriebsort oder in einem dem Arbeitgeber zuzurechnenden Fahrzeug vorgefundenen, vermuteten ausländischen Arbeitskräften wegen Verstoß gegen das Verbot eines Zwanges zur Selbstbeschuldigung; kein Verstoß der Strafbestimmungen wegen Verweigerung der Auskunft über im Betrieb beschäftigte Ausländer gegen das Doppelbestrafungsverbot; keine Unsachlichkeit der für diese Fälle vorgesehenen MindeststrafeRechtssatz
§26 Abs4 und §28 Abs1 Z2 litf AuslBG idF des AntimißbrauchsG, BGBl 895/1995, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Einem Zwang zur Selbstbezichtigung gleichzuhalten ist nicht nur der Fall, daß sich jemand im praktischen Ergebnis als Täter einer bereits als Verwaltungsübertretung verfolgten Tat bekennen muß, sondern auch dann, wenn die erzwungene Erklärung angesichts der sie begleitenden Umstände den für das Vorliegen und den Nachweis eines Straftatbestandes typischerweise entscheidenden Hinweis gibt. Da die besondere Auskunftspflicht nach §26 Abs4 - ganz anders als die allgemeine Mitteilungspflicht nach §26 Abs1 - gerade (erst) dann entsteht, wenn sich Personen an den genannten Orten aufhalten, von denen anzunehmen ist, daß es sich offensichtlich um Ausländer handelt, die beschäftigt werden sollen (wobei überdies, wenn sie in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen angetroffen werden, nach §28 Abs7 eine unberechtigte Beschäftigung sogar ohne weiteres anzunehmen ist, wenn nicht glaubhaft gemacht wird, daß eine solche nicht vorliegt), so stellt die notwendige Identifizierung dieser verschwundenen (und daher nicht selbst zu befragenden) Personen zugleich mit der nun möglichen Feststellung einer allfälligen Verwaltungsübertretung regelmäßig auch die Überführung des Täters sicher.
In der vorliegenden Form kann das rechtspolitische Anliegen, dessen Berechtigung der Verfassungsgerichtshof im übrigen hier nicht in Zweifel zieht, angesichts des Art90 Abs2 B-VG nicht verwirklicht werden.
Abweisung der Anträge des UVS Tirol auf Aufhebung der litc und der Wendung "von 30.000 S" im abschließenden Teilsatz des §28 Abs1 Z2 AuslBG idF BGBl 895/1995.
Auskünfte, deren Verweigerung nach litc und litf des §28 Abs1 Z2 strafbar ist, betreffen jeweils anderes: einmal Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer (§26 Abs1) und einmal die Identität einer bestimmten, am Betriebsort vorgefundenen Person (§26 Abs4). Auch wenn die Person, deren Identität preiszugeben der Auskunftspflichtige sich weigert, in der Bekanntgabe von Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer zu Unrecht fehlt, führt die Anwendung beider Straftatbestände zu keiner verbotenen Doppelbestrafung.
Der Vergleich der auch für §28 Abs1 Z2 litc geltenden Mindeststrafe von 30.000 S mit der Mindeststrafe für verbotene Beschäftigung von Ausländern zeigt keine Unsachlichkeit der Regelung auf. Wenn der Gesetzgeber die Kontrolle höher bewertet oder stärker gefährdet sieht, kann ihm schon deshalb nicht entgegengetreten werden, weil ihre Vereitelung das Verschleiern auch der unberechtigten Beschäftigung mehrerer Ausländer und die Wiederholung unberechtigter Beschäftigung ermöglicht.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Arbeitsrecht, Ausländerbeschäftigung, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Verwaltungsstrafrecht, Zusammentreffen strafbarer Handlungen, Strafe, AnklageprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:G249.1998Dokumentnummer
JFR_10008994_98G00249_01