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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung im Recht auf freie Religionsausübung und im Gleichheitsrecht durch Ausschluß eines Strafgefangenen von der Teilnahme an einem Weihnachtsgottesdienst aus Gründen der Sicherheit und OrdnungRechtssatz
Keine Bedenken gegen §85 Abs1 StVG.
Diese Bestimmung trägt dem Recht auf freie Religionsausübung Rechnung, wobei insbesondere die Möglichkeit, Gefangene aus Gründen der Sicherheit und Ordnung von der Teilnahme am Gottesdienst auszuschließen, im Rahmen der Grundrechtsschranken der Art9 Abs2 EMRK und Art63 Abs2 des Staatsvertrages von St. Germain bleibt, da ein solcher Ausschluß der Ordnung in der Strafanstalt auch während Gottesdiensten (oder anderen religiösen Veranstaltungen) und der Sicherheit der Teilnehmenden und damit dem Schutz der öffentlichen Ordnung im Sinn dieser Verfassungsbestimmungen dient.
Bei der in Rede stehenden Veranstaltung handelte es sich weder um die der Liturgie des Heiligen Abends zugehörige "Weihnachtsmette", noch um einen Sonntagsgottesdienst, sondern um eine von der Anstaltsleitung des Gefangenenhauses jährlich im Beisein zahlreicher Ehrengäste abgehaltene religiöse Veranstaltung in Form eines (zusätzlichen) (vor)weihnachtlichen Gottesdienstes.
Schon die jedermann einsichtigen, in einer Strafanstalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung der Selbstbestimmung der Strafgefangenen gezogenen Grenzen schließen es aus, unter Berufung auf das Grundrecht auf Religionsfreiheit Strafgefangenen das Recht zur Teilnahme an jedweden religiösen Feiern, von wem und zu welchem Zwecke immer sie veranstaltet würden, zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne schon VfSlg. 6742/1972). Die Anstaltsleitung ist aus der Sicht dieses Grundrechtes auch nicht vor die Alternative gestellt, entweder alle Strafgefangenen zu einer solchen (außerhalb der üblichen liturgischen Anlässe abgehaltenen) religiösen Feier zuzulassen oder diese Feier nicht abzuhalten.
Es kann der Behörde aus verfassungsrechtlicher Sicht aber auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie sich bei ihrer (angesichts des wegen der Teilnahme auswärtiger Gäste beschränkten Platzangebotes notwendigen) Auswahlentscheidung, welche Strafgefangenen zur Teilnahme an diesem Gottesdienst zuzulassen seien, von dem Gesichtspunkt hat leiten lassen, ob der Betreffende Gewähr dafür bietet, die Anwesenheit von Gästen aus Justizkreisen nicht für Störaktionen zu mißbrauchen. Wenn die belangte Behörde daher den Ausschluß des Beschwerdeführers von diesem Gottesdienst im Hinblick auf sein (bisher) wiederholt ungebührliches Verhalten für zulässig erachtete, maW gleich dem Anstaltsleiter aus diesem Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit prognostisch den Schluß gezogen hat, daß eine Gewähr für ein dem Anlaß entsprechendes Verhalten des Beschwerdeführers nicht gegeben gewesen sei, so kann dies - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes - weder als denkunmöglich noch sonst verfassungsrechtlich bedenklich erachtet werden.
Schlagworte
Strafvollzug, Seelsorge, Glaubens- und Gewissensfreiheit, ReligionsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1487.1998Dokumentnummer
JFR_10008989_98B01487_01