RS Vwgh 1999/9/16 98/20/0543

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 16.09.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
49/01 Flüchtlinge

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Hinweis auf Stammrechtssatz

GRS wie VwGH E 1999/03/25 98/20/0431 1 (hier: Vom Asylwerber behauptete Androhung der Todesstrafe bei Besitz des Buches DIE SATANISCHEN VERSE von Salman Rushdi im Iran)

Stammrechtssatz

Zählt der Asylwerber nicht zu dem Personenkreis, der wegen einer von ihm aktuell vertretenen politischen Gesinnung mit Verfolgung bedroht wird, sondern wird er wegen einer von ihm begangenen Straftat verfolgt, so ist eine derartige Verfolgung in der Regel kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann aber dann vorliegen, wenn etwa ein Staat die Strafe für ein im Kontext mit einem ethnischen oder politischen Konflikt stehendes Delikt unverhältnismäßig hoch festlegt und die Strafe nicht mehr als Maßnahme einzustufen wäre, die dem Schutz legitimer Interessen des Staates dient (vgl Kälin, Grundriss des Asylverfahrens, Basel 1990, 112 ff). Der Grund für die unverhältnismäßige Höhe einer Strafdrohung könnte in solchen Fällen nur darin liegen, dass dem Täter unterstellt wird, er vertrete eine oppositionelle politische Gesinnung und sei jedenfalls als Feind des Staates zu betrachten. Diesfalls würde, ohne im Einzelfall die Motive des jeweiligen Straftäters zu prüfen und einen Beweis des Gegenteils im Einzelfall zuzulassen, durch die bloße Verwirklichung des Tatbildes das Vorliegen einer bestimmten oppositionellen politischen Gesinnung unterstellt und wäre eine solche Ziel der staatlichen Sanktionsnorm. Ob dies zutrifft, lässt sich ohne nähere Auseinandersetzung mit dem (hier: irakischen) Strafrecht, insbesondere mit der konkreten Ausgestaltung dieser hier in Betracht zu ziehenden Norm, im Kontext mit den spezifischen politischen Verhältnissen, den mit dieser Strafnorm verfolgten politischen Zwecken und der Handhabung einer solchen Bestimmung in der Praxis nicht beurteilen. Wäre die Höhe der Strafdrohung aber nur durch die ungeprüfte Unterstellung eines politischen Willens erklärbar und reichte die bloße Verwirklichung des Tatbildes aus, um ohne Unterschied ebenso behandelt zu werden wie jemand, der mit der Tat tatsächlich einer bestimmten politischen Gesinnung Ausdruck verleihen wollte, läge asylrelevante Verfolgung aus (unterstellten) politischen Gründen vor. Auch eine derartige unterstellte Gesinnung rechtfertigt gegebenenfalls eine Asylgewährung (Hinweis E 19.9.1996, 95/19/0077).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998200543.X01

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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