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82 GesundheitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt wegen verbotener Werbung im Ausland infolge qualifizierter Rechtswidrigkeit des Disziplinarerkenntnisses; fehlende Individualisierung der Tat iSd StPO; Mißachtung des Grundsatzes der reformatio in peiusRechtssatz
Soweit der Beschwerdeführer die Zuständigkeit innerstaatlicher Disziplinarbehörden zur Ahndung einer verbotenen Werbung außerhalb der österreichischen Staatsgrenzen in Zweifel zieht, vermag er schon deshalb keine Verfassungsverletzung aufzuzeigen, weil die belangte Behörde die innerstaatliche Disziplinarzuständigkeit für den vorliegenden Fall in ihrer im ersten Rechtsgang ergangenen, vom Beschwerdeführer unbekämpft gelassenen - und daher für das weitere Verfahren bindenden - kassatorischen Berufungsentscheidung festgestellt hat.
Eine Individualisierung der Tat iSd §260 StPO ist im Ergebnis unterblieben:
Das Disziplinarerkenntnis beschränkt sich darauf auszusprechen, daß der Beschwerdeführer durch die ihm angelastete Handlung (Veröffentlichung eines bestimmten Textes in einer italienischen Zeitschrift) das "Disziplinarvergehen nach §95 Abs1 Z2 Ärztegesetz begangen" habe. Damit könnte die Tat allenfalls unter der weiteren Voraussetzung hinreichend individualisiert sein, wenn der Beschwerdeführer einem absoluten Werbeverbot zuwidergehandelt hätte. Ein solches Werbeverbot enthält jedoch §25 ÄrzteG 1984 in der hier anzuwendenden Fassung nicht, sind einem Arzt doch gemäß §25 Abs1 ÄrzteG nur unsachliche, unwahre oder das Standesansehen beeinträchtigende Informationen untersagt. Die Behörde hat weder die Wahrheit noch die Sachlichkeit der Information geprüft. Sie läßt in der Begründung des Straferkenntnisses nicht einmal erkennen, ob sie dem Beschwerdeführer der Sache nach vorwirft, mit dem inkriminierten Text gegen italienisches oder österreichisches Standesrecht verstoßen zu haben (es wird beides erwogen).
Die Disziplinarbehörde hat ferner den sich aus §290 StPO (iVm §100 Abs1 ÄrzteG) ergebenden Grundsatz der reformatio in peius mißachtet und ist zugleich jede Begründung dafür schuldig geblieben: Die Disziplinarbehörde erster Instanz hatte in ihrem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis über den Beschwerdeführer wegen desselben Verhaltens unter Bedachtnahme auf eine im Verhältnis des §31 StGB (analog) stehende disziplinarrechtliche Verurteilung keine Zusatzstrafe verhängt. Gegen dieses Disziplinarerkenntnis hat nur der Beschwerdeführer Berufung ergriffen, sodaß weder die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung über die Berufung, noch im fortgesetzten Verfahren die Disziplinarbehörde 1. Instanz eine strengere Strafe über den Beschwerdeführer verhängen durfte.
Dadurch, daß die belangte Behörde bei Behandlung der wegen Schuld und Strafe erhobenen Berufung des Beschwerdeführers die der Disziplinarbehörde 1. Instanz in mehrfacher Hinsicht unterlaufenen Rechtswidrigkeiten nicht aufgegriffen hat, ist ihr objektive Willkür anzulasten.
Schlagworte
Ärzte, Disziplinarrecht Ärzte, Behördenzuständigkeit, Verwaltungsverfahren, Berufung, Kassation und Zurückverweisung, Werbung, Strafprozeßrecht, StrafbemessungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B523.1997Dokumentnummer
JFR_10008985_97B00523_01