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10 VerfassungsrechtNorm
StGG Art12 / VersammlungsrechtLeitsatz
Keine Verletzung des Versammlungsrechts durch Untersagung der Kundgebung "Heldengräber für Helden, Neuerliche Zuerkennung des Ehrengrabstatus für die Ruhestätte von Major Walter Nowotny" aufgrund der Annahme von Verletzungen des VerbotsgesetzesSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Eingabe vom 18. August 2003 zeigte der Beschwerdeführer der Bundespolizeidirektion Wien die beabsichtigte Abhaltung einer Kundgebung mit dem Titel "Heldengräber für Helden, Neuerliche Zuerkennung des Ehrengrabstatus für die Ruhestätte von Major Walter Nowotny" für den 23. August 2003 in Wien gemäß §2 Abs1 Versammlungsgesetz 1953 (im Folgenden: VersG) an.
1.2. Diese Versammlung wurde von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 22. August 2003 gemäß §6 VersG iVm. Art11 Abs2 EMRK untersagt.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der nunmehrige Beschwerdeführer am 3. September 2003 Berufung an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien; am 22. April 2004 stellte er einen Devolutionsantrag gemäß §73 Abs2 AVG an den Bundesminister für Inneres.
1.4. Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien gemäß §66 Abs4 iVm. §73 AVG mit der Begründung ab, es sei davon auszugehen, dass es im Zuge der beabsichtigten Versammlung zu verbotsgesetzwidrigen Vorfällen kommen werde.
Die Versammlung diene - wie sowohl aus dem Thema der Versammlung als auch aus den vom Beschwerdeführer im Internet angebotenen T-Shirts mit einem Bild Walter Nowotnys und der Aufschrift "Ewig lebt der Tote Tatenruhm" deutlich werde - offensichtlich der Verherrlichung Nowotnys, der laut Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bei Traditionsvereinen, Kameradschaftsverbänden, rechtsextremen Vorfeldorganisationen und Neonazis als nationalsozialistische Kultfigur gelte. Er sei 1937 der zu diesem Zeitpunkt in Österreich verbotenen NSDAP beigetreten und politisch aktiv gewesen; 1939 sei er in die deutsche Luftwaffe eingetreten und habe bis zu seinem tödlichen Absturz im Jahr 1944 mehr als 250 Flugzeuge abgeschossen. In der NS-Zeit sei für ihn ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof genehmigt worden; dieses sei ihm mit Beschluss des Wiener Gemeinderats vom 25. März 2003 aberkannt worden.
Weiters setzt sich der angefochtene Bescheid ausführlich mit den bisherigen Aktivitäten des Beschwerdeführers auseinander, die stark nationalsozialistisch ausgerichtet seien; so habe er in einer Presseaussendung des "Schutzbündnis Soldatengrab" sogar die Verbrechen der NS-Zeit geleugnet. Hinsichtlich der angezeigten Versammlung habe er in einer E-mail-Aussendung vom 21. Juli 2003 geschrieben, dass die Mitnahme einer schwarz-weiß-roten Fahne - der Reichskriegsflagge - erwünscht sei.
Aus all diesen Gründen sie die Untersagung der Versammlung geboten gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Versammlungsfreiheit und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.
Dem Beschwerdevorbringen zufolge sei im Bescheid nicht hinreichend begründet worden, weshalb nicht gelindere Mittel als die Untersagung der Versammlung ausgereicht hätten, um den Befürchtungen der Behörde Rechnung zu tragen. Die Sachverhaltsfeststellungen der Behörde werden in der Beschwerde nicht bestritten, es wird jedoch in einzelnen Punkten in Frage gestellt, wie die Behörde zu diesen Feststellungen gelangt sei.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 12.257/1990 und 15.109/1998 sowie die dort zitierte Vorjudikatur) ist jede Verletzung des Versammlungsgesetzes, die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechts betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts zu werten. So verletzt etwa jeder Bescheid, mit dem österreichischen Staatsbürgern gegenüber die Abhaltung einer Versammlung untersagt wird, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit schon dann, wenn das Gesetz unrichtig angewendet wurde.
2. Die belangte Behörde hat den Bescheid, mit dem sie die angezeigte Versammlung untersagte, auf §6 VersG gestützt. Diese Bestimmung lautet:
"Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen."
Diese Bestimmung ist angesichts des materiellen Gesetzesvorbehalts in Art11 Abs2 EMRK im Einklang mit dieser Verfassungsnorm zu interpretieren. Die Behörde ist daher zur Untersagung nur dann ermächtigt, wenn dies aus einem der im Art11 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig ist (s. etwa VfSlg. 10.443/1985, 12.155/1989, 12.257/1990).
Dabei hat die Behörde bei ihrer Entscheidung die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die in Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen. Diese Entscheidung ist eine Prognoseentscheidung, die die Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfassbaren Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen hat.
3. Die belangte Behörde geht zutreffend davon aus, dass §3 VerbotsG ein unmittelbar wirksames, von jedem Staatsorgan im Rahmen seines Wirkungsbereiches - sohin auch von der Versammlungsbehörde - zu beachtendes Verbot enthält (vgl. auch VfSlg. 16.054/2000 und VfGH 30. Juni 2004, B1034/03) und dass die Abhaltung einer Versammlung etwa dann das öffentliche Wohl gefährdet, wenn geplante Vorträge nationalsozialistische Bestrebungen und Gedankengänge stärken könnten (vgl. VfSlg. 2002/1950) oder wenn Zweck der Versammlung die Pflege der Tradition der ehemaligen deutschen Wehrmacht wäre (vgl. VfSlg. 4524/1963).
Dass schon deshalb eine Untersagung der vom Beschwerdeführer angezeigten Versammlung geboten war, kann angesichts des von der Behörde festgestellten Sachverhaltes (z.B. Thema der Versammlung, Persönlichkeitsprofil des Beschwerdeführers, angesprochener Personenkreis) nicht zweifelhaft sein.
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Versammlungsrechts ist somit nicht erfolgt.
Im Hinblick darauf, dass die Behörde rechtsrichtig entschieden hat und dass gegen die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, ist es ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Nationalsozialistengesetzgebung, VersammlungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B1473.2004Dokumentnummer
JFT_09949393_04B01473_00