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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art89 Abs2Leitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit von Bestimmungen des Strafrechtlichen Entschädigungsgesetzes über die Anhörung des Betroffenen und die Kundmachung von Beschlüssen über den Anspruch auf Entschädigung für zu Unrecht erlittene Anhaltung oder Haft; Verkündung der Entscheidung des für zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen oder strafrechtliche Anklagen zuständigen Gerichtes vom österreichischen Vorbehalt zu Art6 EMRK umfaßtRechtssatz
Zurückweisung der Anträge des OLG Wien auf teilweise Aufhebung des §6 Abs3 StEG hinsichtlich der Worte "oder Verurteilte".
Das antragstellende Oberlandesgericht hat in keinem der Anlaß gebenden Fälle über die gemäß §6 Abs5 StEG erhobene Beschwerde einer Person zu entscheiden, die von einem Gericht wegen einer strafbaren Handlung verurteilt wurde. Vielmehr ist in allen zugrunde liegenden Fällen der Beschuldigte freigesprochen oder das Strafverfahren eingestellt worden. Die Wortfolge "oder Verurteilte" kann daher denkmöglich in den Anlaß gebenden Verfahren vom Oberlandesgericht nicht anzuwenden sein.
In einem auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahren kommt den Parteien des Ausgangsverfahrens keine Berechtigung zu, den Gegenstand des Verfahrens durch eigenes Vorbringen einzuschränken oder zu erweitern.
Kein Eingehen auf die Anregung der mitbeteiligten Partei, eine (über die Anträge des OLG hinausgehende) weitere Wortfolge in §6 Abs3 StEG aufzuheben.
Keine Stattgabe der Anträge des OLG Wien auf Aufhebung der (nach Zurückweisung der Worte "oder Verurteilte" verbleibenden) Wortfolge "ist der Angehaltene zu hören und es" in §6 Abs3 StEG.
Die angefochtene Wendung in §6 Abs3 StEG, nach der der Angehaltene vor der Entscheidung "zu hören" ist, steht einer - schon im Hinblick auf Art90 Abs1 B-VG gebotenen - Interpretation nicht im Wege, nach der zwar eine Verhandlung ohne Anhörung des Entschädigungswerbers ausgeschlossen, die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung aber zulässig wäre.
Keine Stattgabe der Anträge auf Aufhebung der Worte "nicht kundzumachende" in §6 Abs4 erster Satz StEG.
Im Zeitpunkt der Abgabe des österreichischen Vorbehaltes zu Art6 EMRK haben Vorschriften gegolten, die einer Kundmachung der Entscheidung über den Anspruch auf Entschädigung für zu Unrecht erlittene Anhaltung oder Haft entgegenstanden. Der Vorbehalt zu Art6 EMRK kann daher auch auf die später erlassene, inhaltlich gleichartige Nachfolgebestimmung des §6 Abs4 erster Satz StEG angewendet werden.
Der österreichische Vorbehalt zu Art6 EMRK umfaßt nicht nur die Öffentlichkeit des Verfahrens, sondern auch die Verkündung der Entscheidung des für zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen oder strafrechtliche Anklagen zuständigen Gerichtes. Demnach sind von diesem Vorbehalt gedeckte gesetzliche Bestimmungen, die im Einklang mit Art90 B-VG Ausnahmen von der durch diese Bestimmung grundsätzlich angeordneten Verkündung gerichtlicher Entscheidungen vorsehen, im Hinblick auf Art6 EMRK unproblematisch.
In den vom Oberlandesgericht Wien zitierten (verurteilenden) Entscheidungen des EGMR hat dieser Vorbehalt deswegen keine Rolle gespielt, weil sich Österreich im Verfahren vor dem EGMR auf diesen Vorbehalt nicht (rechtzeitig) berufen hat (vgl. §42 des Urteils Werner gegen Österreich). Dadurch ist aber die Entscheidung über die Konventions- und Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen über die Haftentschädigung nicht präjudiziert.
Die beantragten Kosten waren der beteiligten Partei des zu G259/98 registrierten Verfahrens schon deswegen nicht zuzusprechen, weil es im Falle von - wie hier - auf Grund von Gerichtsanträgen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren Aufgabe der antragstellenden Gerichte ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für ihre Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. VfSlg. 10.832/1986 mwN).
(Siehe auch: E v 08.03.00, G 136/99 - Zurückweisung eines neuerlichen Antrags des OLG Wien wegen entschiedener Sache).
Entscheidungstexte
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, VfGH / Verfahren, VfGH / Beteiligter, Strafrecht, Entschädigung Haft-, Haftentschädigung, VfGH / Kosten, Öffentlichkeitsprinzip, RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:G259.1998Dokumentnummer
JFR_10008790_98G00259_01