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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung des Antrags eines Arztes betreffend Honorarforderungen gegen die Gebietskrankenkasse aus einem Einzelvertrag; Zuständigkeit der Landesberufungskommission gegeben; keine Bedenken gegen die Zusammensetzung der Landesberufungskommission; keine Zweifel an Unparteilichkeit der Mitglieder; keine Einschränkung der Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofs hinsichtlich der Zusammensetzung und Besetzung der belangten Behörde; keine WillkürRechtssatz
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Entscheidung der Landesberufungskommission über Honorarforderungen von Ärzten aus einem Einzelvertrag mit der Gebietskrankenkasse.
Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, umfaßt auch die Kompetenz, im Zuge der Feststellung des Inhaltes des Einzelvertrages vorfrageweise die Gültigkeit von Bestimmungen des Gesamtvertrages zu beurteilen, die sie - ihre Gültigkeit vorausgesetzt - als Inhalt des jeweils in Rede stehenden Einzelvertrages ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hätte (siehe hiezu auch die im Erkenntnis zitierte Vorjudikatur).
Keine Bedenken gegen die Zusammensetzung der Landesberufungskommission im Hinblick auf Art6 EMRK (siehe hiezu auch EMRK vom 16.04.98, Appl. Nr. 17291/90, Rom Hortolomei gegen Österreich, §34 ff).
Streitigkeiten aus dem Einzelvertrag fallen in den Kernbereich der durch Art6 Abs1 EMRK erfaßten zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen.
Allein aus der gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkung sogenannter Interessenvertreter an der Entscheidung läßt sich eine - auch nur scheinbare - Abhängigkeit von den Streitparteien nicht ableiten.
Eine dienstliche oder organisatorische Abhängigkeit entsteht nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht schon dadurch, daß die Parteien des Gesamtvertrages die Beisitzer der Landesberufungskommission nominieren. Sie kann auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, daß gemäß §345 Abs3 i.V.m. §346 Abs4 Z3 ASVG der Bundesminister für Justiz ein Mitglied der Landesberufungskommission bei Vorliegen eines wichtigen persönlichen Grundes auf Antrag der jeweils entsendenden Institution abzuberufen hat. Das gesetzliche Erfordernis eines wichtigen persönlichen Grundes schließt eine Bedachtnahme auf den Inhalt der Entscheidungstätigkeit des betreffenden Mitgliedes von vornherein aus. Zudem unterliegt die Abberufung durch Bescheid des Bundesministers für Justiz nicht nur im vollen Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle: Ob der im konkreten Fall zur Abberufung herangezogene Grund vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund auch des Art6 EMRK Bestand haben kann, unterliegt auch der uneingeschränkten Kognition des Verfassungsgerichtshofes.
Die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes unterliegt auch in der Frage, ob die Landesberufungskommission ordnungsgemäß besetzt war und ob die Mitwirkung von Mitgliedern unter dem Aspekt des Art6 EMRK Anlaß zu Zweifeln an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Behörde geben könnte, keiner Einschränkung.
Keine Willkür.
Kein Eingehen auf Fragen der Nichtigkeit bzw. Sittenwidrigkeit gesamtvertraglicher Bestimmungen iSd §879 ABGB.
Die belangte Behörde hatte schon deshalb keine Veranlassung, in ein Ermittlungsverfahren zur Frage der Angemessenheit der Honorarordnung einzutreten, weil diese als Resultat von Verhandlungen zwischen Interessenvertretungen, die einander widerstreitende Interessen zu vertreten haben, Ausdruck des zwischen diesen gegenbeteiligten Interessen erzielten Interessenausgleichs sind und insoweit auch die Vermutung der Angemessenheit der zu erbringenden Leistungen und des für diese Leistungen geschuldeten Entgelts für sich haben.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Sozialversicherung, Ärzte, BehördenzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B3077.1997Dokumentnummer
JFR_10008784_97B03077_01