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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung von - teilweise mangels rechtlichen Interesses zurückzuweisenden - Feststellungsbegehren betreffend die Aufklärungspflicht eines Arztes gegenüber seinen Patienten durch die Landesberufungskommission; kein Verstoß der anzuwendenden Bestimmung der Richtlinien über die Berücksichtigung ökonomischer Grundsätze bei der Krankenbehandlung und der dieser zugrunde liegenden Verordnungsermächtigung im ASVG gegen den Gleichheitssatz oder das Determinierungsgebot; kein Eingriff in die Privatautonomie des BeschwerdeführersRechtssatz
Rechtzeitigkeit der Beschwerde.
Das dem Beschwerdeführer am 17.07.97 zugestellte Exemplar enthielt weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung "für die Richtigkeit der Ausfertigung". Erst über Urgenz des Beschwerdeführers wurde ihm am 11.09.97 der nunmehr angefochtene Bescheid ohne die genannten Mängel zugestellt.
Da bei verständiger Würdigung der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise und mangels eines anderen Anhaltspunktes von Zweifeln am Bestehen oder Umfang der vom Beschwerdeführer implizit behaupteten Verpflichtung (zur Aufklärung der Patienten über die Kostentragung für Heilbehandlungen nach Verweigerung der kontrollärztlichen Bewilligung) überhaupt nicht ausgegangen werden kann, erweist sich das erste Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers schon deswegen als unzulässig, weil an der Feststellung des Nichtbestehens einer von niemandem behaupteten und in der Rechtsordnung nicht einmal ansatzweise vorgesehenen Pflicht kein rechtliches Interesse besteht. Indem die belangte Behörde aber dieses unzulässige Feststellungsbegehren nicht zurück-, sondern - mit inhaltlich insgesamt zutreffender Begründung - abgewiesen hat, konnte sie den Beschwerdeführer von vornherein nicht in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzen.
Die ärztliche Aufklärungspflicht, die einerseits aus dem Behandlungsvertrag, andererseits aus dem durch §110 StGB abgesicherten Selbstbestimmungsrecht des Patienten herrührt, umfaßt bloß medizinische Tatsachen und Umstände, nicht hingegen Umstände rechtlicher Natur.
Dem zentralen Vorwurf der Beschwerde, die Verordnungsermächtigung des §31 Abs5 Z10 ASVG sei verfassungswidrig, weil sie dem ansonsten bestehenden System der gesamtvertraglichen Regelung der Verhältnisse zwischen Ärzten und Sozialversicherungsträgern zuwiderlaufe, kann nicht gefolgt werden.
Der Gesamtvertrag kann nur in Angelegenheiten, die das Gesetz bestimmt, abgeschlossen werden und er ist insoweit, als sein zulässiger Regelungsgegenstand durch Gesetz und Verordnung inhaltlich determiniert ist, an diese Vorgaben gebunden. Eine solche Bindung der Parteien des Gesamtvertrages hinsichtlich der durch sie gemäß §342 Abs1 Z4 und Z6 ASVG unter anderem zu regelnden Vertragsinhalte kann sich daher in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auch dann aus einer Verordnung ergeben, wenn eine solche Bindung vor Einführung der Verordnungsermächtigung nicht bestanden hat, sofern die Verordnung selbst verfassungsrechtlich unbedenklich ist. Damit ist aber auch der weitere Beschwerdevorwurf widerlegt, es werde in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise in den eigenen Wirkungsbereich der Ärztekammer eingegriffen, zumal auch dieser nur durch einfaches Gesetz konstituiert ist.
Keine Unsachlichkeit der Verordnungsermächtigung.
Wenn der Hauptverband der Sozialversicherungsträger vom Gesetz mit der Erlassung von Richtlinien, die eine für alle Sozialversicherungsträger einheitliche Rechtslage herstellen sollen, betraut wird, bedeutet dies keineswegs, daß diese eine Partei des Gesamtvertrages nunmehr ihren Interessen ungehemmt vom sozialen Gegenspieler zum Durchbruch verhelfen könnte, sodaß die Verordnungsermächtigung schon aus diesem Grunde unsachlich wäre. Die Verordnung bedarf vielmehr einer gesetzlichen Determinierung, die den Anforderungen des Art18 B-VG entspricht und muß - ebenso wie der Inhalt der aufgrund dieser Ermächtigung erlassenen Verordnung - auch einer Prüfung unter sonstigen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, wie etwa jenem des Gleichheitssatzes, standhalten.
Es ist verfassungsrechtlich zulässig, einen Selbstverwaltungskörper mit der Erlassung von auch an Nichtmitglieder gerichteten Verordnungen zu betrauen.
Kein Eingriff in die Privatautonomie des beschwerdeführenden Arztes.
Dem Beschwerdeführer ist zwar darin recht zu geben, daß das "aus der Privatautonomie erfließende Recht zum Abschluß und willensgemäßer Ausgestaltung privatrechtlicher Verträge" grundsätzlich durch die verfassungsrechtlichen Garantien der Unversehrtheit des Eigentums (mit) geschützt ist. Er übersieht jedoch, daß dies eine Bindung von Vertragsparteien an Gesetze und Verordnungen nicht ausschließt und der kraft normativer Wirkung bestehende Vorrang des Gesamtvertrages für die Parteien des Einzelvertrages dem Schutz des einzelnen Arztes vor der Vertragsmacht des Sozialversicherungsträgers dient.
Ausreichende Determinierung der Richtlinien über die Berücksichtigung ökonomischer Grundsätze bei der Krankenbehandlung.
Die Verordnungsermächtigung des §31 Abs5 Z10 ASVG determiniert im Zusammenhalt mit den Bestimmungen über die Satzungen und Krankenordnungen sowie über den Umfang der Krankenbehandlung (vgl vor allem §133 leg cit) die Richtlinien an sich ausreichend.
Die hier allein präjudizielle Bestimmung des §7 Abs1 der Richtlinien, wonach der Arzt den Versicherten "bei Veranlassung, spätestens vor der Anwendung einer bewilligungspflichtigen Behandlungs- oder Untersuchungsmethode" ausdrücklich auf den Umstand der chefärztlichen Bewilligungspflicht, sowie darauf, daß der Krankenversicherungsträger im Falle einer Ablehnung keine Kosten übernimmt, hinzuweisen hat, bedarf insoweit keiner näheren Präformierung durch Gesetz, weil es sich dabei einerseits bloß um eine den Arzt nicht nennenswert belastende und auch sonst in keiner Weise in seine Rechte eingreifende Obliegenheit handelt.
Keine gesetzwidrige Kundmachung der Richtlinien in der Zeitschrift "Soziale Sicherheit" gemäß §31 Abs8 und Abs9 ASVG.
Soweit das Gesetz konkrete Kundmachungsvorschriften für eine Verordnung enthält, sind diese einzuhalten. Lediglich bei Fehlen besonderer Kundmachungsvorschriften ist ein Rückgriff auf - letztendlich rechtsstaatliche - Kriterien, wie jenes der Ortsüblichkeit, notwendig (vgl etwa VfSlg 12346/1990).
Schlagworte
Sozialversicherung, Feststellungsbescheid, Ärzte, Privatautonomie, Bescheidbegriff, VfGH / Fristen, Verordnung Kundmachung, SelbstverwaltungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B2461.1997Dokumentnummer
JFR_10008784_97B02461_01