RS Vfgh 2000/2/29 B1710/99

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Veröffentlicht am 29.02.2000
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
RAO §2

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht, im Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung und der Berufsausbildung durch Nichtanrechnung von als Rechtsanwaltsanwärter ohne Legitimationsurkunde verbrachter Zeiten auf Zeiten der Alternativ- oder Ersatzpraxis; verfassungskonforme Gesetzesauslegung im Wege der Analogie geboten

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §2 Abs1 RAO.

Durch die Nichtanrechnung von Praxiszeiten bei einem Rechtsanwalt wird auch in die Grundrechte der Freiheit der Erwerbsbetätigung und der Berufsausbildung eingegriffen (vgl. etwa VfSlg. 13560/1993, VfGH 06.10.99, B434/98, B442/98).

Es kann der Rechtsansicht der belangten Behörde, daß für den Zeitraum zwischen 26.05.97 und 30.09.97 eine Anrechnung auf die Zeit der praktischen Verwendung, die zwingend bei einem Rechtsanwalt vorgesehen ist (§2 Abs1 erster Satz erster Halbsatz iVm. §2 Abs2 RAO), nicht in Frage kommt, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden: Rechtsanwaltsanwärter ohne Legitimationsurkunde können den Rechtsanwalt, bei dem sie beschäftigt sind, nicht nach außen vertreten, sodaß die für die dreijährige hauptberufliche Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt erforderliche umfassende Ausbildung (vgl. VfSlg. 14238/1995) nicht gewährleistet ist.

Wie im Falle der Nichtanrechnung der (rechtsberuflichen) Teilzeitbeschäftigung bei einem Rechtsanwalt (siehe E v 06.10.99, B434/98 ua) unterstellt die Nichtanrechnung der in Rede stehenden Ausbildungszeiten auf anrechenbare Zeiten der sog. Alternativ- oder Ersatzpraxis dem verfassungsrechtlich unbedenklichen §2 Abs1 RAO einen gleichheitswidrigen Inhalt: Sie diskriminiert ohne sachlich gerechtfertigten Grund jene Berufsanwärter, die ohne Eintragung bei der Rechtsanwaltskammer bei einem Rechtsanwalt beschäftigt sind, und mit Ausnahme jener Tätigkeiten, die eine Berufung auf die Legitimationsurkunde voraussetzen, grundsätzlich mit allen bei einem Rechtsanwalt anfallenden rechtsberuflichen Aufgaben betraut werden können, gegenüber jenen Rechtsanwaltsanwärtern, denen - weniger berufsspezifische - Tätigkeiten gemäß §2 Abs1 erster Satz zweiter Halbsatz RAO im Rahmen der sog. Alternativ- oder Ersatzpraxis angerechnet werden können.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Auslegung, Analogie, Auslegung verfassungskonforme, Berufsausbildungsfreiheit, Erwerbsausübungsfreiheit, Rechtsanwälte Berufsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B1710.1999

Dokumentnummer

JFR_09999771_99B01710_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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