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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Verfassungswidrigkeit der die Firmenwertabschreibung für bereits abgeschlossene Anteilserwerbe vollständig beseitigenden Bestimmung des UmgründungssteuerG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz infolge Verletzung des VertrauensschutzesRechtssatz
Die lita der Ziffer 4 des 3. Teiles des UmgründungssteuerG, BGBl. 699/1991 idF BGBl. 201/1996, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Durch die vollständige Beseitigung der Firmenwertabschreibung, ohne Einschleif- oder Übergangsregelung für jene Fälle, in denen der Unternehmenserwerb durch Verschmelzung bereits abgeschlossen war ("Altfälle"), ist das berechtigte Vertrauen der Steuerpflichtigen in die gegebene Rechtslage in einem Maße beeinträchtigt worden, daß eine Verletzung des Gleichheitssatzes vorliegt.
Die Steuerpflichtigen hätten, wäre ihnen die vorzeitige Beseitigung der Firmenwertabschreibung bekannt gewesen, möglicherweise einen anderen Weg des Betriebserwerbs eingeschlagen oder diesen vielleicht sogar überhaupt nicht in Erwägung gezogen.
Die steuerliche Situation spielt eine wesentliche Rolle bei der Bestimmung der Kaufpreise für Beteiligungskäufe. Ihr Wegfall ist daher geeignet, die Finanzierung dieser Kaufpreise oder aber die Abwicklung anderer Investitionsvorhaben zu gefährden. Auch bei einer Absetzungsdauer von 15 Jahren ist der Barwert der erzielbaren Steuerersparnis so hoch, daß er bei einer rationalen Bestimmung von Kaufpreisen für Beteiligungserwerbe ins Gewicht fallen muß.
Die möglicherweise bestehende Notwendigkeit, besonders rasch auf geänderte Rahmenbedingungen zu reagieren, rechtfertigt für sich allein keine verfassungsrechtlich bedenklichen Eingriffe in ein geschütztes Vertrauen, besteht doch kein Grund für die generelle Annahme, daß es im Bereich des Steuerrechts nicht möglich wäre, die vom Gesetzgeber für erforderlich gehaltenen Anpassungen in verfassungskonformer Weise durchzuführen.
Der Gesetzgeber ist keineswegs gehindert, im Hinblick auf das von der Bundesregierung ins Treffen geführte Ziel einer Konsolidierung des Bundeshaushaltes die Möglichkeit der Absetzbarkeit des Firmenwertes beim vorbereitenden Anteilserwerb pro futuro wieder zu beseitigen.
Die Absetzungsmöglichkeit, die seinerzeit gezielt auf die Fälle des vorbereitenden Anteilserwerbes ausgedehnt worden war, wurde jedoch in der Folge, nachdem die Steuerpflichtigen von dem neu eröffneten Weg Gebrauch gemacht hatten, für die "Altfälle" schlagartig und vollständig beseitigt. Der Gerichtshof betrachtet es als Verstoß gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz, wenn das Risiko einer Verschlechterung der Rechtslage in einem Fall wie dem vorliegenden ausschließlich oder überwiegend den Steuerpflichtigen aufgebürdet wird.
Die Setzung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Vorschrift soll die allfällige Schaffung einer Übergangsbestimmung ermöglichen. Verzichtet der Gesetzgeber auf eine legistische Maßnahme dieser Art, so müßte es nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes für die "Altfälle" ab dem Jahr 2001 wieder möglich sein, die Abschreibung eines nach §3 Abs2 Z2 UmgründungssteuerG idF des Bundesgesetzes BGBl. 699/1991 ermittelten Firmenwertes gemäß §8 Abs3 des EStG 1988 für den jeweils im Einzelfall verbleibenden Abschreibungszeitraum vorzunehmen.
(Anlaßfall: B255/99, E v 03.03.00, Quasianlaßfälle: B1654/99, B617/99, B744/99, B756/99, B1833/99, alle E v 14.06.00, u.v.m., Aufhebung der angefochtenen Bescheide).
Schlagworte
Einkommensteuer, Umgründungssteuer, Vertrauensschutz, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:G172.1999Dokumentnummer
JFR_09999697_99G00172_01