TE Vfgh Beschluss 2005/6/7 G24/05, V12/05

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.06.2005
beobachten
merken

Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Nö JagdG 1974 §106 Abs5
Nö JagdV §50, §54

Leitsatz

Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung von Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdrechts betreffend Jagd- und Wildschäden mangels Legitimation; zumutbarer Verwaltungsrechtsweg gegeben

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragsteller sind Eigentümer mehrerer (Wald-)Grundstücke, die zu einem im Bezirk Krems/Donau gelegenen Genossenschaftsjagdgebiet gehören.

Mit einem gemeinsamen, beim Verfassungsgerichtshof am 25. Februar 2005 eingelangten Schriftsatz begehren sie - gestützt auf Art139 und Art140 B-VG -, näher bezeichnete Teile der §§50 und 54 der Niederösterreichischen Jagdverordnung "idgF" sowie in §106 Abs5 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes "idgF" die Wortfolge "die näheren Bestimmungen hat die Landesregierung durch Verordnung zu treffen" als gesetz- bzw. verfassungswidrig aufzuheben.

2. §106 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974 (NÖ JG), LGBl. 6500, lautet samt Überschrift auszugsweise wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"§106

Schadensermittlung

(1) Bei der Ermittlung von Jagd- und Wildschäden ist, wenn eine Vereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Jagdausübungsberechtigten nicht zustandekommt, der Schadensberechnung der ortsübliche Marktpreis der beschädigten oder vernichteten Erzeugnisse zugrunde zu legen.

(2) - (4) ...

(5) Wildschäden im Walde (an Stämmen, Pflanzungen, natürlichen Verjüngungen, Vorkulturen usw.) sind nach forstwirtschaftlichen Grundsätzen zu bewerten. Hiebei ist zwischen Verbiß-, Fege- und Schälschäden zu unterscheiden und zu berücksichtigen, ob nur Einzelstammschädigung oder bereits Bestandesschädigung oder betriebswirtschaftliche Schädigung eingetreten ist; die näheren Bestimmungen hat die Landesregierung durch Verordnung zu treffen."

Die §§50 und 54 der - auf das Niederösterreichische Jagdgesetz 1974 gestützten - Niederösterreichischen Jagdverordnung (NÖ JVO), LGBl. 6500/1, lauten samt Überschriften wie folgt (die primär angefochtenen Teile sind hervorgehoben):

"§50

Schadensarten

(1) Festzustellen ist, ob

1.

Verbiß-,

2.

Schäl- oder

3.

Fegeschäden

vorliegen.

(2) Festzustellen ist weiters, ob

1.

Einzelpflanzen- oder Einzelstammschädigungen,

2.

Bestandesschädigungen oder

3.

betriebswirtschaftliche Schädigungen eingetreten

sind.

(3) Eine Bestandesschädigung liegt vor, wenn eine Verminderung der Bestandesstabilität wie durch Ausfall von Mischbaumarten oder eine Verminderung der Pflanzenanzahl oder Stammzahl unterhalb 70 % der in den §§54 und 57 angegebenen maximal notwendigen Pflanzenanzahl bzw. maximal zu bewertenden Stammzahl zu erwarten ist.

(4) Eine betriebswirtschaftliche Schädigung liegt vor, wenn bereits 50 % des Bewuchses einer 10jährigen Altersklasse des Gesamtbetriebes Schäden aufweisen und der Anteil des unbeschädigten Bewuchses dieser Altersklasse des Gesamtbetriebes durch den Wildschaden noch weiter vermindert wird.

(5) Kann die Bestandesschädigung (Abs3) bzw. die betriebswirtschaftliche Schädigung (Abs4) durch forstliche Maßnahmen verhindert werden und werden diese forstlichen Maßnahmen als Teil der Wildschadensentschädigung bewertet, so ist keine Bestandesschädigung bzw. betriebswirtschaftliche Schädigung eingetreten.

(6) Alle sonstigen Schäden sind als Einzelpflanzen- bzw. Einzelstammschädigungen anzusehen.

...

§54

Schadensbewertung

(1) Der Schaden ist mit 0 zu bewerten, wenn noch 90 % der Zielbestockung in nach waldbaulichen Grundsätzen maximal notwendiger Pflanzenzahl (Abs3), annähernd gleichmäßig über die Fläche verteilt, unbeschädigt geblieben sind. Bei Mischbeständen ist dabei von den Flächenanteilen der jeweiligen Baumarten auszugehen.

(2) Der Bewertung sowie der Bestimmung der tatsächlich vorhandenen Pflanzenanzahl sind nur jene Pflanzen zugrundezulegen, die mindestens ein Drittel der Oberhöhe der jeweiligen Baumart des Verjüngungsbestandes erreicht haben.

(3) Die nach waldbaulichen Grundsätzen maximal notwendige Pflanzenanzahl je Hektar beträgt bei Fichte und Tanne 2500, Lärche und Douglasie 2000, Kiefer und Laubholz 4000. Bei anderen Baumarten ist die maximal notwendige Pflanzenanzahl nach forstfachlichen Gesichtspunkten gutachtlich festzulegen.

(4) Bei Überbestockung (höhere Pflanzenanzahl als die nach waldbaulichen Grundsätzen maximal notwendige) sind lineare Reduktionsfaktoren für die Pflanzen aller Schädigungsgrade in Anwendung zu bringen. Diese Reduktionsfaktoren ergeben sich für die einzelnen Baumarten durch Division der maximal notwendigen Pflanzenanzahl durch die tatsächlich vorhandene. Bei Mischbeständen sind dabei die Flächenanteile der jeweiligen Baumarten zu berücksichtigen.

(5) Die Schadenshöhe ist für die jeweiligen Schädigungsgrade durch Multiplikation des Grundwertes laut Tabellen 3 bis 5 mit der Anzahl der geschädigten Pflanzen sowie mit dem Zeitlohnindex zu ermitteln. Bei überbestockten Beständen sind die Schadensbeträge für die einzelnen Schädigungsgrade mit dem Reduktionsfaktor gemäß Abs4 zu reduzieren.

(6) Bei Verbiß von Mischbaumarten sind die nach Abs5 ermittelten Werte mit folgenden Faktoren zu vervielfachen:

Fichte: 1,0

Lärche, Kiefer, Douglasie, Buche, Ahorn, Esche, Erle,

Vogelkirsche, Hainbuche: 1,5

Tanne, Eiche, Ulme, Wildbirne, Wildapfel, Elsbeere,

Eberesche, Speierling, Mehlbeere: 2,0

Als Mischbaumart gilt eine Baumart, wenn ihr Anteil an der tatsächlichen Bestockung kleiner gleich 20 % ist.

(7) Im Falle eines Totalschadens (Schädigungsgrad 'stark') sind die gesamten bis zum Bewertungstag für Pflege und Schutz der geschädigten Pflanzen getätigten Aufwendungen und bei erforderlicher Nachbesserung die Nachbesserungskosten, wenn die Nachbesserung nicht mehr aussichtsreich ist, der Jetztwert der auf die geschädigten Pflanzen entfallenden Aufforstungskosten zuzuzählen.

(8) Wird eine geschädigte Pflanze nach dem Schädigungsgrad 'stark' bewertet, so ist diese dauerhaft zu markieren und bei Verbißschadensbewertungen in Folgejahren nicht mehr zu berücksichtigen."

3. Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine schriftliche Äußerung; darin beantragt sie, beide Anträge zurück-, in eventu abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß Art140 und 139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen bzw. die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit (Gesetzwidrigkeit) in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz (die Verordnung) ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz (die Verordnung) in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall seiner Verfassungswidrigkeit (ihrer Gesetzwidrigkeit) - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 letzter Satz bzw. 139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).

Diese Anfechtungsbefugnis kommt aber nicht jedem Normadressaten zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz (die Verordnung) selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Norm selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Gebote steht (s. zB VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

2. Im vorliegenden Fall wäre es den Einschreitern möglich, nach vorangegangenem Vergleichsversuch eine Entscheidung der nach dem Schadensort zuständigen Bezirkskommission für Jagd- und Wildschäden zu erwirken (vgl. insbesondere §110 NÖ JG); dagegen räumt das Gesetz einen Rechtszug an die beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung eingerichtete Landeskommission für Jagd- und Wildschäden ein (vgl. §120 Abs2 NÖ JG). Bescheide dieser Behörde können beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden; im Zuge eines solchen Beschwerdeverfahrens hätten die Antragsteller Gelegenheit, ihre Bedenken ob der Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit der die Ermittlung des Jagd- und Wildschadens regelnden Vorschriften vorzubringen.

Soweit die Antragsteller diesen Verfahrensweg als nicht zumutbar erachten, weil sie "[a]uch bei Einhaltung [dieses] Verfahrens ... wesentlicher Teile [ihrer] Ersatzansprüche verlustig [gingen]", ist ihnen entgegenzuhalten, dass es für die Frage der Zumutbarkeit ohne Belang ist, ob das Beschreiten des Verwaltungs- oder Rechtsweges für den Betroffenen in der Sache selbst wegen der gegebenen Rechtslage aussichtsreich ist (vgl. zB VfSlg. 15.524/1999 mwN).

Da den Einschreitern somit ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung steht, ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, waren ihre Anträge - schon aus diesem Grund - mangels Legitimation zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Jagdrecht, Jagdschaden, Wildschaden, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:G24.2005

Dokumentnummer

JFT_09949393_05G00024_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten