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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit der Regelungen über die Kostenrückerstattung nach Inanspruchnahme eines Wahlarztes; keine Gleichheitswidrigkeit der Beschränkung der Erstattungsbeträge auf 80% des Vertragsarzttarifs; Zulässigkeit der Verteilung der durch die Inanspruchnahme eines Wahlarztes entstehenden Mehraufwendungen auf die Verursacher in pauschalierter Form; keine Gesetzwidrigkeit einer Regelung der Satzung der Tir Gebietskrankenkasse betreffend die Gewährung von Zuschüssen für den Fall medizinischer Notwendigkeit von vertraglich nicht vorgesehenen Leistungen; Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der Satzung der Stmk Gebietskrankenkasse betreffend die Berechnung des Kostenersatzes bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes; teilweise Zurückweisung der Anträge mangels Präjudizialität bzw mangels ausreichender Bezeichnung der aufzuhebenden GesetzesstelleRechtssatz
Zurückweisung des Antrags des Oberlandesgerichts Wien auf Aufhebung der Wortfolge "von 80 vH" in §131 Abs1 ASVG sowie in §25 Abs1 der Satzung der Wr Gebietskrankenkasse mangels Präjudizialität.
Nach Wortlaut, der systematischen Stellung des §131 ASVG, vor allem aber nach seinem offenkundigen Zweck kann ein niedergelassener Arzt nur entweder ein Vertragsarzt (Kassenarzt) sein oder Wahlarzt. Nur bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes kommt eine Kostenerstattung im Sinne des §131 Abs1 ASVG in Betracht. Es ist daher denkunmöglich, daß eine Fachärztin, die einen Einzelvertrag mit der im gerichtlichen Verfahren beklagten Gebietskrankenkasse hat, welcher (in Berücksichtigung der Anordnung des §338 Abs2a ASVG) die Durchführung der in Rede stehenden Untersuchung (Vornahme von Magnetresonanztomographien) durch diese Fachärztin nicht vorsieht, von einem Versicherten dieser Gebietskrankenkasse auch als Wahlarzt in Anspruch genommen werden könnte.
Das antragstellende Oberlandesgericht hat daher offenkundig weder §131 ASVG, noch die entsprechende Bestimmung der Satzung der Wiener Gebietskrankenkasse anzuwenden.
Zurückweisung des Antrags des Oberlandesgerichts Innsbruck, "die Wortfolge 'von 80 vH'" in §25 Abs1 der Satzung der Tir Gebietskrankenkasse aufzuheben.
Diese Wortfolge kommt in §25 Abs1 zweimal vor, sodaß - im Hinblick auf die vom OLG Innsbruck in diesem Antrag verwendete Einzahl - offenbleibt, welche von beiden Wortfolgen das OLG Innsbruck aufgehoben haben möchte. Damit ist die aufzuhebende Gesetzesstelle entgegen §57 VfGG nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit bezeichnet.
Zulässigkeit des Antrags des Oberlandesgerichts Innsbruck auf Aufhebung des §131b ASVG.
Der Fall, daß zwar ein Vertrag existiert, die Erbringung einer bestimmten Leistung aber in diesem Vertrag nicht als Sachleistung vorgesehen ist, ist weder in §131a ASVG noch in §131b ASVG geregelt. Das antragstellende Gericht scheint - freilich ohne dies in seinem Antrag auch deutlich auszuführen - eine analoge Anwendung des §131b ASVG auf ärztliche Vertragspartner und Leistungen, hinsichtlich derer noch kein Vertrag existiert in Erwägung zu ziehen, wie dies auch schon in der Literatur vertreten wurde. Der Verfassungsgerichtshof vermag aufgrund seines in der Frage der Präjudizialität eingeschränkten Prüfungsmaßstabes dem OLG Innsbruck in dieser Rechtsauffassung - ungeachtet der Frage ihrer Richtigkeit - jedenfalls nicht mit dem Argument der Denkunmöglichkeit entgegenzutreten.
Zulässigkeit der Anträge auf Prüfung des §131 Abs6 ASVG.
Die Annahme eines normativen Sachzusammenhangs zwischen §131 Abs1 ASVG, der den Erstattungsanspruch für Wahlarztkosten begrenzt, und §131 Abs6 ASVG, welcher gerade für diesen Fall der Satzung in Ausnahmefällen die Möglichkeit der Ausdehnung dieses Anspruches einräumt, ist denkmöglich. Insoweit kann der Annahme der antragstellenden Gerichte, §131 Abs6 ASVG sei in den Ausgangsfällen jeweils präjudiziell, nicht entgegengetreten werden.
Keine Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "von 80 vH" in §131 Abs1 und Abs6 ASVG betreffend die Kostenrückerstattung nach Inanspruchnahme eines Wahlarztes.
Der Gesetzgeber ist von verfassungswegen nicht verhalten, Mehraufwendungen, welche durch eine Inanspruchnahme von ärztlicher Hilfe bei einem Wahlarzt entstehen, auf alle Versicherten zu verteilen. Er darf damit vielmehr die Verursacher belasten. Es ist auch verfassungsrechtlich zulässig, solche Mehraufwendungen im Wege einer vergröbernden Regelung pauschalierenden Charakters zu berücksichtigen, sofern diese nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens widerspricht (VfSlg 13726/1994).
Als Grundlage einer solchen Regelung darf der Gesetzgeber freilich nicht nur die tatsächlichen Verwaltungsmehrkosten berücksichtigen, die durch die Kostenrückerstattung nach Inanspruchnahme eines Wahlarztes, aber auch allenfalls durch besondere Kontrollmaßnahmen entstehen, sondern er darf auch andere potentielle Kostenfaktoren mit in Betracht ziehen, wie zB eine im Verhältnis zu Vertragsärzten zusätzlich erschwerte Sicherstellung der Beachtung ökonomischer Grundsätze bei der Leistungserbringung durch Wahlärzte. Wenn die damit im Interesse der Systemerhaltung erzielte Kostenersparnis allenfalls auch eine gewisse Schranke des Zuganges zu Wahlärzten mit sich bringt, so vermag dies an der verfassungsrechtlichen Beurteilung einer solchen Regelung nichts zu ändern.
Es bestehen keine Bedenken gegen die Annahme des Gesetzgebers, es sei angesichts der Zunahme der Fälle von Inanspruchnahmen von Wahlärzten und unter Berücksichtigung aller genannten Kostenfaktoren zur Hintanhaltung einer übermäßigen Belastung der Krankenversicherungsträger erforderlich, die Erstattungsbeträge gegenüber dem Vertragsarzttarif um 20% zu senken. Dabei ist es nicht erforderlich, daß der Verfassungsgerichtshof in eine betriebswirtschaftliche Feinanalyse der dabei berücksichtigten Kostenfaktoren eintritt.
Keine Bedenken gegen §131b ASVG im Hinblick auf das Determinierungsgebot (Verweis auf VfSlg 13133/1992).
Keine Gesetzwidrigkeit von Teilen des §32 Abs1 und §33 Abs2 der Satzung der Tir Gebietskrankenkasse.
Soweit §32 Abs1 iVm §33 Abs2 der Satzung der Tiroler Gebietskrankenkasse für Keramik- und Goldinlays (bzw. Onlays), hinsichtlich derer in Ermangelung vertraglicher Regelungen die Erbringung als Sachleistung nach dem Gesetz nicht zulässig ist, für den Fall medizinischer Notwendigkeit Zuschüsse vorsieht, welche die tatsächlichen Kosten nicht erreichen, sich aber in der Höhe des vierbis fünffachen vergleichbarer vertraglich vorgesehener Zahnfüllungen bewegen, verstößt die Satzung nicht gegen die gesetzlichen Vorgaben des §153 ASVG.
§153 Abs1 ASVG kann keine Verpflichtung des Krankenversicherungsträgers entnommen werden, alle denkbaren und medizinisch möglichen Leistungen als Sachleistungen ohne Zuzahlungen zu erbringen.
Gesetzwidrigkeit einer Wortfolge in §25 Abs1 der Satzung der Stmk Gebietskrankenkasse betreffend die Berechnung des Kostenersatzes bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes.
Es mag zutreffen, daß durch die Erfassung abgerechneter Wahlarztleistungen mit Hilfe der EDV jegliche Berechnungen aus diesen Daten automationsunterstützt und daher ohne großen Aufwand erfolgen können. Dies ändert jedoch nichts daran, daß eine solche Berechnungsmethode keine "Festsetzung von Pauschbeträgen", wie dies das Gesetz vorschreibt, darstellt: Von einer solchen "Festsetzung" durch den Verordnungsgeber kann nämlich nur dann die Rede sein, wenn der betreffende (jeweils zeitraumbezogen geltende) Pauschalsatz im wesentlichen unmittelbar der Norm entnommen werden kann. Die bloße Festlegung eines Rechengerüstes mit mehreren variablen Berechnungsgrößen, wie dies die angefochtene Verordnungsbestimmung vorsieht, findet im Gesetz keine Deckung.
(Siehe auch V62/99, E v 26.06.00: Abweisung des Antrags des LG Salzburg auf Aufhebung des §33 Abs2 der Satzung der Sbg Gebietskrankenkasse Nr 66/1995 [betreffend die Gewährung von Kostenzuschüssen bei außervertraglichen Leistungen für den Fall medizinischer Notwendigkeit] unter Hinweis auf die Begründung zu V45/98 im E v 18.03.00, G24/98 ua).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Sozialversicherung, Krankenversicherung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Präjudizialität, Wahlarzt, Kostenersatz, ZahnbehandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:G24.1998Dokumentnummer
JFR_09999682_98G00024_01