TE Vfgh Erkenntnis 2005/6/7 B1/05

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Veröffentlicht am 07.06.2005
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1996 §4 Abs2 lita, §5 Abs1 litd

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Feststellung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht des Erwerbs einer Teilfläche aus einem Grundstück in Folge Außer-Acht-Lassung des konkreten Sachverhalts im Hinblick auf die bereits rechtskräftig festgestellte Ausnahme der beiden restlichen Teilflächen des Grundstücks von der Genehmigungspflicht

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.340,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Kaufvertrag vom 4./9.2.2004 hat die beschwerdeführende GmbH eine 310 m2 große Teilfläche aus einem näher bezeichneten Grundstück gekauft.

Der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission Kitzbühel als Grundverkehrsbehörde erster Instanz stellte mit Bescheid vom 6.4.2004 fest, dass dieser Rechtserwerb gemäß §5 Abs1 litd Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (TGVG 1996) keiner grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe: Das Grundstück sei bereits in der Vergangenheit von der Käuferliegenschaft als Teil des Hausgartens benutzt und eingezäunt worden; die Fläche von 310 m2 sei für eine Bewirtschaftung im Rahmen eines Landwirtschaftsbetriebes viel zu klein.

1.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (LGVK) mit Bescheid vom 1.12.2004 Folge und behob den angefochtenen Bescheid wegen Unzuständigkeit der Erstinstanz. Die Ausnahmebestimmung des §5 Abs1 litd TGVG 1996 sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Der Eigentumserwerb unterliege somit der Genehmigungspflicht gemäß §4 Abs1 lita leg.cit., weshalb die bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel eingerichtete Bezirks-Grundverkehrskommission zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen berufen sei.

Die LGVK begründet die angefochtene Entscheidung - unter Bezugnahme darauf, dass die beschwerdeführende Gesellschaft ursprünglich eine größere Fläche erwerben wollte - im Wesentlichen damit, dass im Falle des Zutreffens der Auffassung des Vorsitzenden der Bezirks-Grundverkehrskommission ein Grundeigentümer jederzeit allein durch das Parzellieren von Grundstücken diese genehmigungsfrei veräußern könnte, weil dadurch die abgetrennten Flächen für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung nicht mehr von Bedeutung wären. Dass der Gesetzgeber ein solches Vorgehen nicht billige, erhelle schon aus der Genehmigungspflicht für die Teilung von landwirtschaftlichen Grundstücken (§4 Abs2 lita TGVG 1996) sowie daraus, dass die Genehmigung eines Rechtserwerbs zu versagen ist, wenn zu besorgen ist, dass unwirtschaftlich kleine Grundstücke entstehen (§7 Abs1 litb leg.cit.).

Die vertragsgegenständliche Teilfläche sei ursprünglich Teil einer 682 m2 großen Fläche gewesen, die die LGVK in einem Bescheid vom 15.9.2000 nicht als Restfläche iSd §5 Abs1 litd TGVG 1996 qualifiziert habe. In Folge dieser Entscheidung sei die Teilung in drei Teilflächen - darunter die vertragsgegenständliche - erfolgt. Hinsichtlich der beiden anderen Teilflächen habe der Vorsitzende der Bezirks-Grundverkehrskommission festgestellt, dass es sich um Restflächen iSd §5 Abs1 litd TGVG 1996 handelt; diese Entscheidungen seien in Rechtskraft erwachsen. Nach Ansicht der LGVK seien die drei Teilflächen nicht isoliert voneinander zu betrachten; ihr rechtliches Schicksal sei als Gesamtheit anzusehen, weshalb nicht von der Anwendbarkeit des §5 Abs1 litd leg.cit. ausgegangen werden könne.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des TGVG 1996, LGBl. 61/1996 idF LGBl. 75/1999, lauten:

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

(2) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen weiters:

a) jede Teilung von landwirtschaftlichen Grundstücken, sofern hiefür nicht bereits nach Abs1 die Genehmigung erforderlich ist;

…"

"§5

Ausnahmen von der Genehmigungspflicht

(1) In folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach §4:

d) beim Rechtserwerb an Grundstücken, die auf Grund ihrer Beschaffenheit, ihrer Lage oder ihrer geringen Größe für die land- oder forstwirtschaftliche Nutzung im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes wirtschaftlich nicht von Bedeutung sind, sofern die vorgesehene Verwendung nicht im Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung steht;

…"

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

2. Die belangte Behörde begründet ihre Entscheidung im Kern damit, dass die vertragsgegenständliche Fläche eine von drei Teilflächen aus einem ursprünglich 682 m2 großen Grundstück sei. Diese Teilflächen sind nach Auffassung der Behörde nicht voneinander isoliert, sondern als Gesamtheit zu betrachten. Aus diesem Grund sei die Bestimmung des §5 Abs1 litd TGVG 1996, die eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht vorsieht, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Bei dieser Argumentation verkennt die Behörde jedoch die Bedeutung des von ihr selbst erwähnten Umstands, dass die Teilung des ursprünglichen Grundstücks in drei "Teilflächen" bereits erfolgt ist. Die Anwendbarkeit des §5 Abs1 litd TGVG 1996 auf zwei dieser Teilflächen ist rechtskräftig festgestellt worden. Es ist sohin das Argument nicht nachvollziehbar, die dritte Teilfläche unterfalle deshalb nicht §5 Abs1 litd TGVG 1996, weil das rechtliche Schicksal der Teilflächen "als Gesamtheit zu betrachten" sei. Der Verfassungsgerichtshof vermag vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles auch nicht nachzuvollziehen, weshalb das Rechtsgeschäft über die schon bisher als Hausgarten genutzte (und mit dem angrenzenden Grundstück der beschwerdeführenden Partei eingezäunte) dritte Teilfläche nicht isoliert zu betrachten sei. Auch aus der von der Behörde in der Gegenschrift zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 21.6.2004, B1805/00, ist nicht anderes abzuleiten.

Bezüglich der von der Behörde befürchteten Umgehung grundverkehrsrechtlicher Regelungen ist auf die - auch im Bescheid erwähnte - Genehmigungspflicht für die Teilung landwirtschaftlicher Grundstücke zu verweisen; im konkreten Fall wurde aber die Übertragung der beiden anderen Teilflächen - wodurch die nun vertragsgegenständliche Fläche übrig blieb - nicht beanstandet.

Der Behörde ist somit ein Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes vorzuwerfen, wodurch die beschwerdeführende Partei in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Im zugesprochenen Betrag sind Umsatzsteuer in Höhe von € 360,- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in Höhe von € 180,- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1.2005

Dokumentnummer

JFT_09949393_05B00001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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