TE Vfgh Erkenntnis 2005/6/7 B1453/03

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Veröffentlicht am 07.06.2005
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

Norm

B-VG Art83 Abs2
EMRK Art6 Abs1
BDG 1979 §38
DVG §6

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer Berufung gegen die Versetzung eines Beamten als verspätet; zutreffende Annahme der Einrechnung der Verzögerungen aufgrund Einbringung der Berufung bei der unzuständigen Behörde in die Berufungsfrist; keine civil rights berührt

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor der Zollwache in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war bis zum 31. März 2002 das Zollamt Pamhagen. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. März 2002 wurde der Beschwerdeführer gemäß §38 Abs2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (im Folgenden: BDG 1979) mit Wirksamkeit vom 1. April 2002 zum Zollamt Berg versetzt und ihm der Arbeitsplatz "Kontrollorgan" zugewiesen.

2. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung an die - gemäß §41a BDG 1979 idF Besoldungsreform-Gesetz 1994, BGBl. 550, eingerichtete - Berufungskommission beim Bundeskanzleramt (im Folgenden: Berufungskommission) wurde gemäß §§63 Abs5 und 66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (im Folgenden: AVG) als verspätet zurückgewiesen.

Begründend wurde dazu Folgendes ausgeführt:

"Eine Sachentscheidung über das Rechtsmittel der Berufung setzt das Fehlen der Rechtskraft des angefochtenen Bescheides voraus. Ehe inhaltlich auf das Vorbringen des [Beschwerdeführers] eingegangen werden kann, ist zu prüfen, ob die Berufung rechtzeitig, also innerhalb der dafür gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittelfrist, eingebracht wurde.

Auf das Verfahren vor der Berufungskommission findet gemäß §41f Abs1 BDG 1979 das AVG mit bestimmten, für den vorliegenden Fall jedoch nicht relevanten Ausnahmen sowie das Zustellgesetz Anwendung. Demnach ist die Frage der rechtzeitigen Einbringung der Berufung nach den §§33 und 63 Abs5 AVG zu beurteilen.

Gemäß §63 Abs5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat; die Frist beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides an den BW zu laufen. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt diese als rechtzeitig eingebracht.

Die Regelung des §33 Abs3 AVG, wonach die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden, gilt nur dann, wenn die Einbringung der Berufung im Postweg erfolgt. §6 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29, der den Dienstweg dem Postlauf gleichstellt, findet auf das vorliegende Verfahren jedoch keine Anwendung (ständige Rechtsprechung der Berufungskommission; vgl. GZ 60/7-BK/99, GZ 49/7-BK/97, GZ 88/10-BK/99).

...

Im vorliegenden Fall wurde der angefochtene Bescheid dem [Beschwerdeführer] nachweislich am 29. März 2002 zugestellt und persönlich übernommen. Die zweiwöchige Berufungsfrist ist daher am 12. April 2002, 24 Uhr, abgelaufen.

...

        Der [Beschwerdeführer] hat seine Berufung jedoch nicht im

Postweg bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und

Burgenland, sondern im Dienstweg bei seiner Dienststelle, dem Zollamt

Berg, eingebracht. Von dort wurde die Berufung ... am 9. April 2002

an die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und

Burgenland weitergeleitet, wo sie laut Eingangsstempel am 15. April

2002 ... einlangte.

Die Behörde, bei der das Rechtsmittel fälschlicherweise eingebracht wurde, ist gemäß §6 Abs1 AVG verpflichtet, die Berufung des [Beschwerdeführers] auf seine Gefahr hin ohne unnötigen Aufschub an die zuständige Behörde weiterzuleiten. Die Verzögerungen, die sich aus der Einbringung der Berufung bei der unzuständigen Behörde und des Durchlaufens des Dienstweges ergeben, sind mangels Anwendbarkeit des §6 DVG in den Fristenlauf einzurechnen (VwGH 2.3.1983, Zl. 82/03/0173). Das bedeutet, dass die Berufungsfrist nur dann gewahrt ist, wenn das Rechtsmittel spätestens am letzten Tag der Rechtsmittelfrist bei der zuständigen Behörde einlangt. Im vorliegenden Fall wäre dies der 12. April gewesen. Tatsächlich ist die gegenständliche Berufung jedoch erst am 15. April 2002 bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingelangt. Da die Berufung somit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, war sie gemäß §63 Abs5 und §66 Abs4 AVG als verspätet zurückzuweisen.

Die Feststellung der Versäumung der Berufungsfrist war dem [Beschwerdeführer] nicht mehr vorzuhalten, weil der Sachverhalt diesbezüglich klar war und allfällige Einwendungen die evidente Versäumung nicht hätten entkräften können (VwGH 23.11.1989, Zl. 88/06/0210 u.a.)."

3. In der gegen den letztinstanzlichen Bescheid der Berufungskommission gerichteten, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) verletzt zu sein und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdevorwürfen entgegentritt und den Antrag stellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde zunächst vor, sie habe, indem sie unter Verweis auf die eigene Rechtsprechung die Rechtsansicht vertrat, §6 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (im Folgenden: DVG) finde auf das Verfahren vor der Berufungskommission keine Anwendung, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Dies habe nämlich dazu geführt, dass die Berufung des Beschwerdeführers in der Sache nicht behandelt wurde.

1.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde insbesondere dann verletzt, wenn die Behörde zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 11.405/1987, 13.280/1992). Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers zurückgewiesen, weil diese erst nach Ablauf der Berufungsfrist bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland einlangte und die Verzögerungen, die sich aus der Einbringung der Berufung bei der unzuständigen Behörde und dem Durchlaufen des Dienstweges ergeben hätten, mangels Anwendbarkeit des §6 DVG im Verfahren vor der Berufungskommission in den Fristenlauf einzurechnen gewesen seien. Diese Rechtsansicht der belangten Behörde ist zutreffend; die behauptete Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt somit nicht vor.

2.1. Des Weiteren behauptet der Beschwerdeführer, er sei dadurch, dass er trotz Parteistellung nicht die Gelegenheit erhalten habe, den - dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegenden - Sachverhalt, insbes. bezüglich des Tages des Einlangens seiner Berufung bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, zu überprüfen und hiezu Stellung zu nehmen, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK verletzt worden.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes berühren Ansprüche und Verpflichtungen, die aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis resultieren, keine "civil rights"; somit unterliegen auch Verfahren, deren Zweck die Änderung dieser Ansprüche und Verpflichtungen durch Versetzung oder Verwendungsänderung eines Beamten ist, nicht den Anforderungen des Art6 Abs1 EMRK (zB VfSlg. 16.338/2001 mwH). Für Fälle wie den hier vorliegenden ergibt sich auch aus der neueren Rechtsprechung des EGMR (vgl. insbes. EGMR 8.12.1999, Pellegrin gg Frankreich = ÖJZ 2000/13 [MRK]) nichts anderes.

3. Die getroffene behördliche Entscheidung weist somit keine in die Verfassungssphäre reichenden Mängel auf. Ob der bekämpften Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht richtige Gesetzesanwendung zu Grunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch nicht in jenem - hier vorliegenden - Fall, in dem eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (vgl. VfSlg. 9541/1982 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 14.807/1997 uva.).

4. Der Beschwerdeführer ist somit aus jenen Gründen, die in der Beschwerdeschrift aufgeführt sind, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Im Beschwerdeverfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass dies aus anderen, in der Beschwerde nicht behaupteten Gründen der Fall gewesen wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Dienstrecht, Versetzung, Verwaltungsverfahren, Berufung, Berufungsfrist, Einbringungsstelle

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1453.2003

Dokumentnummer

JFT_09949393_03B01453_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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