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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / DurchschnittsbetrachtungLeitsatz
Gleichheitswidrigkeit der pauschalierten Anrechnung des Unterhaltsanspruchs bei nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten für die Berechnung der Ausgleichszulage; Entsprechung des Pauschalsatzes im Hinblick auf das Unterhaltsrecht nur bei Vorliegen eines mehrfach so hohen Einkommens des Unterhaltsverpflichteten gegenüber dem Unterhaltsberechtigten; Unzulässigkeit einer solchen nicht auf den Regelfall abgestellten Durchschnittsbetrachtung; kein Beitrag zur Verfahrensvereinfachung im Sinne der VerwaltungsökonomieRechtssatz
Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung von Wortfolgen in §294 ASVG.
Das antragstellende Gericht hat einen Rechtsstreit zu entscheiden, bei welchem der Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage ua von der Anrechnung eines gegenüber ihrem Ehegatten bestehenden Unterhaltsanspruches abhängt. Es ist nicht denkunmöglich, wenn das antragstellende Gericht angenommen hat, daß die Eheleute infolge getrennten Wirtschaftens als nicht im gemeinsamen Haushalt lebend iSd §294 Abs1 lita ASVG anzusehen sind und das Gericht deshalb die angefochtenen Wortfolgen anzuwenden hätte.
Die Anfechtung der im Spruch genannten Wortfolge ist auch nicht zu eng und bewirkt - im Falle ihres Erfolges - auch keinen zu weitreichenden Eingriff in das Ausgleichszulagenrecht: Die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge bewirkt nämlich, daß der der Klägerin des Ausgangsverfahrens tatsächlich zustehende Unterhalt (der nun nicht mehr im Sinne des §294 Abs1 ASVG zu berücksichtigen ist) bei Ermittlung des Nettoeinkomens im Sinne des §292 Abs1 ASVG angerechnet würde.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes widerspricht es dem Gleichheitssatz nicht, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht (zB VfSlg 3595/1959, 5318/1966, 8457/1978, 11615/1988 uva) und dabei auch eine pauschalierende Regelung trifft, insbesondere wenn dies der Verwaltungsökonomie dient (VfSlg 9258/1981, 10089/1084). Es wird ein solches Gesetz nicht schon deshalb gleichheitswidrig, weil dabei Härtefälle entstehen (zB VfSlg 3568/1959, 9908/1983, 10276/1984).
Die zulässige Bedachtnahme auf die Praktikabilität des Gesetzes ist nicht schrankenlos; sie findet ihre Grenze dort, wo anderen Überlegungen, die gegen die Regelung sprechen, größeres Gewicht beizumessen ist als den verwaltungsökonomischen Erwägungen (VfSlg 13726/1994).
Die Wortfolgen "a) den Ehegatten (die Ehegattin), sofern er (sie) mit dem Pensionsberechtigten nicht im gemeinsamen Haushalt lebt", sowie "in Fällen der lita 25 vH und" in §294 Abs1 ASVG, idF BGBl 31/1973 (29. ASVG-Nov), BGBl 282/1981 (36. ASVG-Nov) und BGBl 642/1989 (48. ASVG-Nov) sowie die Wendung "a und" in §294 Abs3 ASVG idF BGBl 31/1973, werden als verfassungswidrig aufgehoben.
Der Gesetzgeber hat im Ausgleichszulagenrecht eine pauschalierende Regelung dadurch getroffen, daß er bei nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten die Anrechnung eines bestehenden Unterhaltsanspruchs mit 25 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen (allenfalls vermindert um einen Betrag, der sich aus der Anwendung des §294 Abs1 letzter Satz ASVG ergibt) anordnete. Er wollte damit - wie aus den vorstehend zitierten Gesetzesmaterialien zur 29. Novelle (freilich bezogen auf das damals geltende Unterhaltsrecht) hervorgeht - das Unterhaltsrecht, wenn auch vergröbert, im Ausgleichszulagenrecht berücksichtigen.
Vergleicht man vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund betreffend die Zulässigkeit pauschalierender gesetzlicher Regelungen die Rechtslage des Unterhaltsrechts, wie sie sich seit dem Eherechtswirkungen-G darstellt, mit der pauschalierten Unterhaltsanrechnung, wie sie in §294 ASVG im Wesentlichen seit der
29. ASVG-Nov (also seit einem Zeitpunkt vor der Änderung der Rechtswirkungen der Ehe durch das Eherechtswirkungen-G) in Geltung steht, dann entspricht der Pauschalsatz für die Unterhaltsanrechnung zwischen getrennt lebenden Ehegatten - auch unter Berücksichtigung der mit der 48. ASVG-Nov, BGBl 642/1989, vorgenommenen Reduzierung auf 25 % des Einkommens des unterhaltspflichtigen Ehegatten - nur in einem solchen Fall dem Unterhaltsrecht, in welchem der Unterhaltsverpflichtete ein mehrfach so hohes Einkommen hat wie der Unterhaltsberechtigte.
Dies ist aber offenkundig nicht der Regelfall.
Keine Rechtfertigung aufgrund §94 ABGB, der keine starre Berechnungsmethode verlangt.
Darüber hinaus kann die Regelung für sich aber auch nicht mit Recht in Anspruch nehmen, der Verwaltungsvereinfachung zu dienen.
Schlagworte
Sozialversicherung, Pensionsversicherung, Ausgleichszulage, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, EherechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:G26.2000Dokumentnummer
JFR_09999383_00G00026_01