Index
L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
StGG Art5Leitsatz
Verletzung im Eigentumsrecht durch Annahme des Vorliegens einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigungspflicht für eine durch Samenanflug entstandene Waldfläche; kein land- oder forstwirtschaftliches GrundstückSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Pachtvertrag vom 9. Dezember 2002 verpachteten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin ein näher bezeichnetes, in ihrem (jeweils Hälfte-) Eigentum stehendes Grundstück an den Drittbeschwerdeführer. Alle Vertragsparteien sind deutsche Staatsangehörige, der Erstbeschwerdeführer besitzt zusätzlich auch die österreichische Staatsbürgerschaft.
1.2. Die Bezirks-Grundverkehrskommission Jochberg versagte diesem Rechtserwerb gemäß §4 Abs1 iVm §6 und §7 Abs1 litg Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG 1996) die grundverkehrsbehördliche Genehmigung, weil der Preis für das zu erwerbende Recht den Verkehrswert der Liegenschaft um mehr als 30% übersteige und der Pächter kein Landwirt sei.
1.3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführer wies die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden: LGVK) mit Bescheid vom 1. April 2004 als unbegründet ab. Begründend führte sie zunächst aus, dass ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück vorliege: Auf dem früher als Weide genutzten Grundstück sei seit den 70-er Jahren durch Samenanflug eine Waldfläche entstanden, die seit Jahrzehnten keiner besonderen Nutzung mehr zugeführt worden sei. Es seien jedoch alle paar Jahre ein paar Bäume gefällt worden, die als Brennholz verwendet wurden. Der Grundeigentümer habe das Grundstück insofern forstwirtschaftlich genutzt, als er das Wachsen der Jungbäume gebilligt habe. Unter Bezugnahme auf zwei Gutachten gelangte die LGVK sodann zum Ergebnis, dass der vereinbarte Pachtzins nur aus einer besonderen Vorliebe für das Grundstück oder einer Spekulationsabsicht erklärbar sei. Weiters liege der Versagungsgrund gemäß §7 Abs1 lita TGVG 1996 vor, weil gar nicht beabsichtigt sei, das Grundstück forstlich zu nutzen; es solle vielmehr als Garten (Park) genutzt werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Die im vorliegenden Fall maßgebende Bestimmung des §2 Abs1 TGVG 1996, LGBl. 61/1996, lautet:
"§2
Begriffsbestimmungen
(1) Land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke sind Grundstücke, die ganz oder teilweise im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten weiters Grundstücke, die zwar nicht im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes, aber doch in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Weise genutzt werden. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten ferner Grundstücke, die zwar in anderer Weise als für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke verwendet werden, die aber vor nicht mehr als zwanzig Jahren im Sinne des ersten Satzes genutzt wurden und noch so beschaffen sind, daß sie ohne besondere Aufwendungen wieder der Nutzung im Sinne des ersten Satzes zugeführt werden können. Durch die Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung eines bisher im Sinne des ersten Satzes genutzten Grundstückes verliert dieses nicht die Eigenschaft als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück. Als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke gelten auch Grundstücke mit land- oder forstwirtschaftlichen Wohn- oder Wirtschaftsgebäuden sowie solche Gebäude selbst, wenn nur diese Gegenstand eines Rechtserwerbes sind. Die Bezeichnung eines Grundstückes im Grundsteuer- oder Grenzkataster ist für dessen Beurteilung als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht maßgebend. Baugrundstücke (Abs3) gelten nicht als land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).
2.1. Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks iSd §2 Abs1 TGVG 1996 im Kern damit begründet, dass das Grundstück in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Art genutzt worden sei, "indem das Wachsen der Jungbäume vom Grundeigentümer gebilligt wurde". Weiters führte sie aus, dass auch durch die getätigten "Einzelstammentnahmen" eine forstliche Nutzung - wenngleich "in einem sehr untergeordneten Maße" - erfolgt sei. Wenn man die Auffassung vertrete, dass Einzelstammentnahmen noch nicht auf eine forstliche Nutzung schließen lassen, sei darauf hinzuweisen, dass ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück diese Eigenschaft durch Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung nicht verliere; die ehemalige Weidefläche, die nunmehr zu Wald geworden sei, sei zweifellos land- oder forstwirtschaftlich nutzbar.
2.2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinen Entscheidungen VfSlg. 11.437/1987 und 13.147/1992 ausgesprochen, dass eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung zu verneinen ist, wenn einwandfrei feststeht, dass das Entstehen von Wald auf einem Grundstück nicht auf eine Kultivierung, sondern auf Wildwuchs zurückzuführen ist.
Ein solcher Fall liegt auch hier vor. Es ist unbestritten, dass die Waldfläche durch Samenanflug entstanden ist und keinerlei Kultivierungsmaßnahmen gesetzt wurden. Der Umstand, dass "alle paar Jahre" einzelne Bäume gefällt und als Brennholz verwendet wurden, ändert daran nichts. Wie die Behörde selbst ausführt, wurde das Grundstück "seit Jahrzehnten" keiner gezielten Nutzung mehr zugeführt; es kann somit auch nicht von einer bloß vorübergehenden Aussetzung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gesprochen werden.
In Anbetracht dieses konkreten Sachverhalts kann somit denkmöglich nicht vom Vorliegen eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks im Sinne des §2 Abs1 TGVG 1996 ausgegangen werden. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie die Beschwerdeführer in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In den - im verzeichneten Ausmaß - zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in Höhe von € 327,-- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in Höhe von € 180,-- enthalten.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftlichesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:B692.2004Dokumentnummer
JFT_09949393_04B00692_00