RS Vfgh 2000/6/28 B761/97

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 28.06.2000
beobachten
merken

Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art83 Abs2
ASVG §341 ff
ASVG §343 Abs4
AVG §62
AVG §73
VfGG §88

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung eines zulässigen Devolutionsantrages sowie durch nicht wahrgenommenen Zuständigkeitsmangel seitens der Bundessschiedskommission; keine Zuständigkeit (mehr) der Unterbehörde (hier: der Landesschiedskommission) aufgrund Übergangs der Zuständigkeit auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde; Zulässigkeit des Devolutionsantrages aufgrund nicht rechtsgültiger Erlassung eines mündlichen Bescheides mangels Niederschrift über die mündliche Verkündung; Abweisung der Beschwerde hinsichtlich des zweiten Spruchpunktes; nur teilweiser Kostenzuspruch

Rechtssatz

Nach ständiger Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (zB VwGH 21.02.91, Zl 90/09/0064, 0080; 30.04.92, Zl 92/02/0003, 0004; 26.09.96, Zl 95/09/0228; 18.11.98, Zl 98/03/0207; VfSlg 3469/1958; alle mwN) findet ein mündlich verkündeter Bescheid erst Eingang in die Rechtsordnung, wenn sowohl sein Inhalt als auch die Tatsache seiner Verkündung niederschriftlich festgehalten worden sind (vgl. auch Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, S 556 f).

Im Beschwerdefall fehlt es an den zuvor genannten Voraussetzungen, unter denen ein mündlich verkündeter Bescheid rechtlich in Existenz treten kann.

Da nach der Verhandlungsschrift der Bescheid der Landesschiedskommission bei der Verhandlung mündlich verkündet worden ist, wäre es geboten gewesen, auch den Inhalt dieses Bescheides unter einem niederschriftlich festzuhalten, was jedoch nicht geschehen ist.

Der Bescheid der Landesschiedskommission ist daher nicht bereits am 23.04.96, sondern erst durch Zustellung der schriftlichen Bescheidausfertigung an den Beschwerdeführer am 08.05.96 diesem gegenüber rechtlich existent geworden. Der am 03.05.96 eingebrachte Devolutionsantrag des Beschwerdeführers erweist sich somit als zulässig, weil die Landesschiedskommission zu diesem Zeitpunkt ihrer Pflicht, über den vom Beschwerdeführer erhobenen Einspruch einen Bescheid zu erlassen (vgl §73 Abs2 erster Halbsatz AVG), (noch) nicht entsprochen hatte.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer somit dadurch, daß sie den von ihm gestellten Devolutionsantrag zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen hat, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Da der vom Beschwerdeführer gestellte Devolutionsantrag als zulässig anzusehen ist, ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Einspruch gegen die Kündigung des Einzelvertrags an die Bundesschiedskommission als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergegangen.

Die Landesschiedskommission war somit nicht mehr zuständig, den dem Beschwerdeführer am 08.05.96 zugestellten Bescheid zu erlassen. Sie hat insofern eine ihr von Gesetzes wegen (§73 Abs2 AVG) nicht (mehr) zustehende Kompetenz in Anspruch genommen.

Es ist nicht erkennbar, daß der Beschwerdeführer auch durch den ebenfalls angefochtenen Spruchpunkt 2 des in Rede stehenden Bescheides, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers, seiner Berufung gegen den Bescheid der Landesschiedskommission aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen wurde, weil die nach §343 Abs4 letzter Satz ASVG erforderliche Zustimmung des kündigenden Trägers der Krankenversicherung nicht erteilt worden sei, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.

Abweisung der Beschwerde hinsichtlich dieses Spruchpunktes.

Der Beschwerdeführer ist mit zwei seiner Beschwerdepunkte durchgedrungen, mit einem unterlegen. Es waren ihm daher zwei Drittel der Normalkosten zuzuerkennen (vgl VfSlg 11171/1986).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Bescheiderlassung, Bescheid Trennbarkeit, Sozialversicherung, Ärzte, Verwaltungsverfahren, Bescheid mündlicher Entscheidungspflicht, Devolution, Wirkung aufschiebende, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B761.1997

Dokumentnummer

JFR_09999372_97B00761_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten