RS Vfgh 2000/6/29 G19/00 ua, V9/00 ua

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Veröffentlicht am 29.06.2000
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Index

L3 Finanzrecht
L3705 Anzeigenabgabe

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Allg
B-VG Art44 Abs3
B-VG Art116 Abs1
B-VG Art140 Abs4
AnzeigenabgabeO der Stadt Linz vom 18.07.52
FAG 1997 §14, §15
FAG 1997 §15a
F-VG 1948 §7 Abs5, §8 Abs1 und Abs5
Oö AnzeigenabgabeG 1952 §4
Oö AnzeigenabgabeG 1952 §1, §2

Leitsatz

Keine Bedenken (mehr) gegen die Festsetzung und Erhebung von Abgaben für Rundfunkwerbung durch die Gemeinden nach dem Studioprinzip aufgrund einer rückwirkenden Ermächtigung durch eine Verfassungsbestimmung im Finanzausgleichsgesetz 1997; keine Bedenken gegen diese Verfassungsbestimmung im Hinblick auf eine Gesamtänderung der Bundesverfassung; Widerspruch zur Finanzverfassung durch landesgesetzliche Festlegung eines Höchstsatzes für Abgaben für Rundfunkwerbung wegen unzulässigen Eingriffs in die Steuerhoheit der Gemeinden

Rechtssatz

Die Wortfolge "oder durch den Rundfunk" in §1 Abs1, die litc des §1 Abs2 sowie die litc des §2 Abs1 Oö AnzeigenabgabeG 1952, LGBl. Nr. 17, waren nicht verfassungswidrig.

Die Wortfolge "oder durch den Rundfunk" in §1 Abs1, die litc des §1 Abs2 sowie die litc des §2 Abs1 der AnzeigenabgabeO der Landeshauptstadt Linz vom 18.07.52, ABl. Nr. 6 der Landeshauptstadt Linz 1952, waren nicht gesetzwidrig.

Eine Regelung des Inhaltes des §15a FAG 1997 idF BGBl. I 30/2000, mit der - rückwirkend über einen Zeitraum von mehr als elf Jahren - in Rechtspositionen der Gebietskörperschaften, aber auch der Steuerpflichtigen eingegriffen wird und generelle Rechtsakte abgeändert werden, verstößt offenkundig nicht nur gegen das rechtsstaatliche Prinzip und das Gleichheitsgebot, sondern auch gegen das föderalistische Prinzip und das den Gemeinden verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Selbstverwaltung. Nun hat der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt dargetan, daß ein Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechts (Art44 Abs3 B-VG) nicht nur durch schwerwiegende und umfassende Eingriffe in diese Grundprinzipien bewirkt werden kann, vielmehr können auch bloß partiell wirkende Maßnahmen - gehäuft vorgenommen - im Effekt zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung führen (z.B. VfSlg. 11.756/1988, 11.829/1988, 11.927/1988). Der Gerichtshof hat allerdings (im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz) auch zum Ausdruck gebracht, daß ein gewisser Spielraum zu seiner verfassungsgesetzlichen Konkretisierung oder zu einer punktuellen Durchbrechung in besonderen Sachlagen besteht (VfSlg. 15.373/1998).

Der Verfassungsgerichtshof entnimmt den Materialien zu §15a FAG (Bericht des Finanzausschusses, 102 BlgNR 21. GP), daß §15a FAG 1997, idF BGBl. I 30/2000, soweit er die Ankündigungsabgabe betrifft, den Zweck verfolgt, die auf Grund E v 17.12.98, G15/98, V9/98 (VfSlg. 15.395/1998), für erforderlich gehaltene Veränderung der finanzausgleichsrechtlichen Situation, nämlich den (mit 01.06.00 vollzogenen) Übergang von den dem freien Beschlußrecht der Gemeinden überlassenen Ankündigungsabgaben zu einer bundeseinheitlichen Werbeabgabe, in einer praktikablen, auf die Interessen der Beteiligten Bedacht nehmenden Weise zu ermöglichen. Er ist auch der Meinung, daß der Inhalt der Vorschrift geeignet ist, diesen Zweck zu erreichen (wobei die verfassungsrechtliche Beurteilung der neuen Werbeabgabe im gegebenen Zusammenhang dahingestellt zu bleiben hat). Zu Bedenken unter dem Blickwinkel des Art44 Abs3 B-VG sieht sich der Verfassungsgerichtshof bei dieser Sachlage daher (schon deshalb) nicht veranlaßt, weil für die bisher besteuerungsberechtigten (Studio-)Gemeinden (die auf Grund der bisherigen Interpretation der Rechtslage auf eine Besteuerungsberechtigung vertrauen durften) und für die Abgabepflichtigen durch §15a FAG 1997 (lediglich) eine Rechtslage geschaffen wird, die im praktischen Ergebnis jener ähnlich ist, die Art139 bzw. Art140 B-VG grundsätzlich für den Fall eines aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichshofes vorsieht oder wenigstens zuläßt, und auf der anderen Seite die bisher nicht besteuerungsberechtigten Gemeinden auf Grund der bisherigen Interpretation der Rechtslage mit Besteuerungsrechten nicht rechnen konnten.

Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß mit der in §1 Abs2 litc Oö AnzeigenabgabeG 1952 enthaltenen Wendung: (Gemeinde,) "in der die Rundfunksendung produziert wird" dieses Studioprinzip lediglich mit anderen Worten umschrieben wird, so daß (auch) diese Vorschrift durch die neue Vorschrift des §15a FAG 1997 erfaßt und kompetenzrechtlich abgesichert ist.

Durch die rückwirkende - und damit auch den zeitlichen Geltungsbereich des FAG 1993 (mit)umfassende - Änderung der finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung ist den vom Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluß dargelegten Bedenken gegen die Vorschrift des §1 Abs2 litc Oö AnzeigenabgabeG 1952 der Boden entzogen worden. Es war somit auszusprechen, daß diese Vorschrift nicht verfassungswidrig war, wobei dem Umstand, daß die sanierende rückwirkende Verfassungsbestimmung (erst) mit 01.01.89 in Kraft getreten ist, im vorliegenden Fall keine Bedeutung zukommt, da sich der Ausspruch nur auf Zeiträume bezieht, die durch die Anlaßfälle vorgegeben sind.

Keine Bedenken mehr gegen die ebenfalls in Prüfung gezogene Wortfolge "oder durch den Rundfunk" in §1 Abs1 bzw. gegen die litc des §2 Abs1 des Oö AnzeigenabgabeG 1952.

Da nach §15a FAG 1997 der finanzausgleichsrechtliche Tatbestand "Abgaben von Ankündigungen" in Bezug auf Rundfunkwerbung so zu verstehen ist, daß er die Gemeinden zur Abgabenerhebung nach dem "Studioprinzip" ermächtigt, erweisen sich die in Prüfung gezogenen Worte "oder durch den Rundfunk" in §1 Abs1, die litc des §1 Abs2 sowie die litc des §2 Abs1 der Linzer AnzeigenabgabeO, die den (nunmehr unbedenklichen) Vorschriften des Oö AnzeigenabgabeG 1952 entsprechen, ebenfalls als unbedenklich.

§4 Abs1, zweiter Satz Oö AnzeigenabgabeG 1952, LGBl. Nr. 17, war verfassungswidrig.

Es ist den Gemeinden (auch) durch die Normierung eines Höchststeuersatzes verwehrt, eine Ankündigungsabgabe von der Rundfunkwerbung mit einem höheren als dem im AnzeigenabgabeG vorgesehenen Steuersatz zu erheben.

Die Regelungen des Oö AnzeigenabgabeG 1952, soweit sie Rundfunkwerbung betreffen (somit inhaltlich gesehen eine Regelung zur Ankündigungsabgabe darstellen), können rechtens nicht auf §8 Abs5 F-VG 1948 gestützt sein, weil hinsichtlich der Ankündigungsabgabe den Gemeinden das freie Beschlußrecht nicht durch das Land, sondern durch den Bund eingeräumt wurde. Für den Bereich der Rundfunkwerbung kann der Landesgesetzgeber somit nicht aus §8 Abs5 F-VG 1948 die Zuständigkeit herleiten, ein Höchstmaß der Ankündigungsabgabe festzusetzen.

Aber auch auf §8 Abs1 F-VG 1948 (wonach der Landesgesetzgeber - auch - zur Regelung der ausschließlichen Gemeindeabgaben zuständig ist) läßt sich eine solche Zuständigkeit nicht stützen.

Es liefe dem historisch belegbaren Zweck dieser Ermächtigungsnorm, den Gemeinden ein von der Landesgesetzgebung unabhängiges Mindestmaß an Steuerhoheit zu garantieren, diametral zuwider, bedürften die Gemeinden bei Abgaben, bei denen der Bundesgesetzgeber eine Konkretisierung des Abgaben(höchst)maßes unterlassen hat, erst wieder eines Tätigwerdens des Landesgesetzgebers, hätte dieser es doch dann in der Hand, die bundesgesetzliche Ermächtigung der Gemeinden entweder durch Untätigkeit oder etwa auch durch Festsetzung eines Minimalsatzes letztlich zu unterlaufen.

Die Festsetzung des Abgabenausmaßes (unter Beachtung grundrechtlicher Schranken und allfälliger sonstiger Grenzen) fällt daher in die Zuständigkeit der Gemeinden.

Mit dem Bundesgesetz vom 31.05.00, BGBl. I 29/2000, mit dem u.a. das FAG 1997 geändert und eine Werbeabgabe eingeführt wird, entfallen mit Wirkung ab 01.06.00 in §14 und §15 FAG 1997 die die Anzeigenabgaben und die Ankündigungsabgaben betreffenden Bestimmungen. Der Verfassungsgerichtshof interpretiert dies so, daß durch den Wegfall dieser speziellen finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigungen die darauf beruhenden Besteuerungsrechte der Länder und Gemeinden unwirksam geworden sind. Das Oö AnzeigenabgabeG 1952 und damit auch die in Prüfung gezogene Norm des §4 Abs1, zweiter Satz, leg.cit., welche das Abgabenhöchstmaß (10 v.H.) regelt, ist daher mit 31.05.00 im Sinn des Art140 Abs4 B-VG außer Kraft getreten.

(siehe auch E v 25.09.00, G21/00 ua zur Krnt Ankündigungsabgabe).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Ankündigungsabgaben, Anzeigenabgaben, Bundesverfassung Gesamtänderung, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Beschlußrecht, Finanzausgleich, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Sanierung, Rückwirkung, Grundprinzipien der Verfassung, Bundesstaatsprinzip, Föderalismus, Rechtsstaatsprinzip, Rundfunk, VfGH / Feststellung Wirkung, Werbung, Gemeinderecht, Selbstverwaltungsrecht, Vertrauensschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G19.2000

Dokumentnummer

JFR_09999371_00G00019_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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