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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art137 / ord RechtswegLeitsatz
Zurückweisung einer Klage gegen den Finanzminister auf Herausgabe im Zuge einer Betriebsprüfung aufgrund richterlichen Befehls beschlagnahmter Unterlagen mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes; Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts zu Verfügungen über die verwahrten GegenständeSpruch
Die Klage wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Die klagenden Parteien beantragen mit der vorliegenden, auf Art137 B-VG gestützten, gegen den Bund (Bundesminister für Finanzen) gerichteten Klage die Rückstellung näher bezeichneter Geschäftsunterlagen (Ordner).
1.2. Die Klage wird wie folgt begründet:
Die beklagte Partei habe durch die Großbetriebsprüfung Linz insbesondere im Zeitraum November 2001 bis März 2002 verschiedene Geschäftsbücher, Aufzeichnungen und Belege in der Konzernzentrale der klagenden Parteien beschlagnahmt, die sie trotz mehrmaliger Aufforderung seitens der klagenden Parteien nicht rückübermittelt hätte, obwohl inzwischen ausreichend Zeit bestanden habe, in die Originalbelege Einsicht zu nehmen bzw. Kopien anzufertigen.
Die Belege würden dringend zur Wahrung wichtiger Interessen der klagenden Parteien benötigt. Die Einsichtnahme in die Belege an Ort und Stelle sei der beklagten Partei nicht zumutbar, weil für die Sichtung und Ordnung mehrere Mitarbeiter für einen längeren Zeitraum abgestellt werden müssten und dann ihre Arbeit in der Konzernzentrale nicht wahrnehmen könnten.
Die Situation würde sich anders darstellen, wenn die genannten Arbeiten in der Konzernzentrale jederzeit dann durchgeführt werden könnten, wenn die Mitarbeiter nicht gerade wichtigere Arbeiten für den Konzern zu verrichten hätten.
Unter diesem Gesichtspunkt sei die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht mehr gerechtfertigt.
1.3. Die Klage enthält keine Ausführungen zur Zulässigkeit.
2. Der Bund - vertreten durch den Bundesminister für Finanzen - hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er zunächst die Zurückweisung der Klage begehrt, weil den klagenden Parteien eine Beschwerde nach §113 StPO an die Ratskammer offenstehe, die sie nicht eingebracht hätten.
In inhaltlicher Hinsicht bringt die beklagte Partei vor, dass näher bezeichnete Unterlagen bereits an eine namentlich genannte Mitarbeiterin der klagenden Parteien zurückgestellt worden seien, sodass sich die Klagsführung diesbezüglich auch als nicht gerechtfertigt erweise.
Die steuerliche Auswertung der übrigen Unterlagen sei zwar erfolgt, doch könne in Folge des divergierenden Vorbringens der Beschuldigten auf die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme zu Beweiszwecken im gerichtlichen Strafverfahren nicht verzichtet werden.
3. Auf Grund des Klagevorbringens und des - unwidersprochen gebliebenen - Vorbringens der beklagten Partei in der Gegenschrift sowie nach Einsichtnahme in die vorgelegten Verwaltungsakten ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Mit Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl eines Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Wels vom 8. November 2001 erging in näher bezeichneter Strafsache gegen den Geschäftsführer und eine Mitarbeiterin der bzw. einiger der klagenden Parteien wegen Verdachts der Abgabenhinterziehung gemäß §33 Abs1 und 2 lita und b FinStrG an das Finanzamt Linz, Prüfungsabteilung für Strafsachen, (im Zusammenwirken mit den jeweils örtlich zuständigen Sicherheitsbehörden) der Auftrag auf Durchsuchung näher bezeichneter Liegenschaften, Wohnungen und Räumlichkeiten und auf "Beschlagnahme sämtlicher Handakten sowie sämtlicher weiterer Unterlagen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des [Geschäftsführers] und seiner Firmengruppe".
Die Hausdurchsuchung wurde am 14. November 2001 durchgeführt. Festgehalten wurde, dass das im Keller befindliche Archiv zur Gänze beschlagnahmt und der Raum versiegelt wurde. Die übrigen bezeichneten beschlagnahmten Gegenstände wurden dem Finanzamt Grieskirchen zur Verwahrung übergeben. In weiterer Folge wurden verschiedene Ordner aus dem versiegelten Archiv entnommen und dem Finanzamt Grieskirchen überstellt; darüber wurden jeweils Aktenvermerke geführt und eine Kopie an eine Mitarbeiterin der klagenden Parteien ausgehändigt.
Am 19. November 2001 richteten der oben erwähnte Geschäftsführer und seine Mitarbeiterin an den Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Wels den Antrag, näher bezeichnete Unterlagen zu retournieren oder zumindest Kopien dieser Unterlagen unverzüglich herzustellen und diese zur Abholung bereitzustellen. Unter Bezugnahme auf diesen Antrag wurden zwei weitere Anträge auf Ausfolgung der Unterlagen bzw. Zurverfügungstellung von Kopien an das Finanzamt Grieskirchen gestellt. Zu diesen Anträgen nahm die Prüfungsabteilung Strafsachen beim Finanzamt Linz am 22. November 2001 bzw. (ergänzend) am 27. November 2001 ablehnend Stellung. Diese Anträge blieben unerledigt.
Am 20. März 2002 wurde nach Rücksprache mit dem zuständigen Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Wels die Entsiegelung des im Firmengebäude befindlichen Archivs vorgenommen und dem Geschäftsführer ein Schlüssel dazu ausgehändigt, wobei der Geschäftsführer u.a. darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die im Archiv befindlichen Unterlagen gemäß §143 StPO weiterhin der Beschlagnahme unterliegen und nicht entfernt werden dürfen. Einzelne Regale des Archivs wurden mit Nummern versehen und ein Lageplan der im Archiv befindlichen Unterlagen angefertigt. Festgehalten wurde, dass der Geschäftsführer mit dieser Vorgangsweise einverstanden gewesen sei.
Bereits ab Ende November 2001 wurden über Anfrage von Mitarbeitern der klagenden Parteien (regelmäßig der Leiterin der Abteilung Rechnungswesen) laufend jeweils näher bezeichnete Gegenstände und Unterlagen (in Kopie) an die nunmehrigen klagenden Parteien retourniert.
Mit Schreiben vom jeweils 6. November 2003 verwiesen der Geschäftsführer und sein steuerlicher Vertreter im Besonderen auf §91 Abs2 FinStrG, wonach beschlagnahmte Gegenstände unverzüglich zurückzugeben sind, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht mehr gerechtfertigt ist. Dem Geschäftsführer wurde daraufhin (Schreiben vom 1. Dezember 2003) die Möglichkeit der Einsichtnahme und Anfertigung von Kopien nach vorheriger Terminabsprache angeboten.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art137 B-VG über vermögensrechtliche Ansprüche u.a. gegen den Bund, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
1.1. Der Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es sich in Fällen, in welchen vom Bund die Herausgabe von Sachen begehrt wird, um einen vermögensrechtlichen Anspruch handelt (vgl. VfSlg. 11.180/1986, 14.971/1997). Dass das auch für die im vorliegenden Fall strittigen Geschäftsunterlagen gilt, wurde auch von der beklagten Partei nicht bestritten.
1.2. Es ist daher zu klären, ob auch die übrigen Voraussetzungen des Art137 B-VG vorliegen:
Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, besteht - sofern nichts anderes angeordnet ist - keine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Rückforderungsansprüche, wenn ein Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht. Dies gilt auch für Rückforderungsansprüche im Fall der Verweigerung der Rückstellung zu Unrecht beschlagnahmter Sachen (vgl. VfSlg. 11.180/1986 und die dort zitierte Vorjudikatur, 14.971/1997). Im hier zu beurteilenden Fall ist indes von einer "anderen Anordnung" im Sinne dieser Rechtsprechung auszugehen. Wie der Gerichtshof nämlich ebenfalls wiederholt dargelegt hat (vgl. VfSlg. 12.242/1989 mwN), ist der Begriff des ordentlichen Rechtsweges nicht auf jene Fälle zu beschränken, die von den ordentlichen Gerichten im Streitverfahren nach den Bestimmungen der ZPO zu entscheiden sind; die Zuständigkeit ist vielmehr auch etwa in solchen Angelegenheiten ausgeschlossen, in denen der vermögensrechtliche Anspruch im Zuge eines strafgerichtlichen Verfahrens geltend gemacht werden kann.
Im vorliegenden Fall beruht die Beschlagnahme durch Organe des Finanzamtes Linz, Prüfungsabteilung für Strafsachen, auf dem Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl des zuständigen Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Wels vom 8. November 2001, der, wie bereits erwähnt, auf "Beschlagnahme sämtlicher Handakten sowie sämtlicher weiterer Unterlagen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit" des Geschäftsführers und seiner Firmengruppe lautete. Nur das Gericht ist daher auch zuständig, über die verwahrten Gegenstände zu verfügen. Die Vorschrift des §91 Abs2 FinStrG, wonach beschlagnahmte Gegenstände unverzüglich zurückzugeben sind, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht (mehr) gerechtfertigt ist, kommt dagegen nur im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren in Betracht und findet daher im vorliegenden Fall von vornherein keine Anwendung.
Gegen die Bewilligung einer Beschlagnahme durch den Untersuchungsrichter steht gemäß der auch im gerichtlichen Finanzstrafverfahren anwendbaren Vorschrift des §113 StPO (vgl. §195 Abs1 FinStrG) das Recht zu, darüber eine Entscheidung der Ratskammer zu verlangen (siehe Fabrizy, StPO-Kommentar9, §143 Rz 5 mwN aus der Judikatur; Mayerhofer, Das österreichische Strafrecht5, Zweiter Teil Strafprozessordnung, Anm. 20 zu §143). Dieses Recht ist auch nicht nur auf den Geschäftsführer bzw. die Mitarbeiterin, gegen die wegen Verdachts der Abgabenhinterziehung das Finanzstrafverfahren eingeleitet wurde, beschränkt, sondern steht allen offen, die sich beschwert erachten, so auch dem Eigentümer einer beschlagnahmten Sache (vgl. Fabrizy, StPO-Kommentar9, §113 Rz 1a; Tipold, in:
Fuchs/Ratz (Hrsg.), Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung, §113 Rz 6 f.). Es kann daher auch von den klagenden Parteien in Anspruch genommen werden. Die Beschwerde ist im Übrigen grundsätzlich unbefristet (Fabrizy, a.a.O.).
§113 StPO bietet aber auch - worauf die beklagte Partei zu Recht hingewiesen hat - eine Handhabe, um gegen die behauptete Säumigkeit des Untersuchungsrichters, über den Antrag auf Rückstellung der beschlagnahmten Unterlagen zu entscheiden, vorzugehen: Die Beschwerde nach §113 StPO betrifft nämlich inhaltlich sowohl Verfügungen als auch ein Unterlassen und ist daher auch als eine Art Säumnisbeschwerde anzusehen (Tipold, a.a.O., Rz 4).
Mit der Beschwerde nach §113 StPO haben die klagenden Parteien somit (in zweifacher Hinsicht) die Möglichkeit, ihren Anspruch im Zuge des anhängigen Strafverfahrens, d.h. im ordentlichen Rechtsweg iSd Art137 B-VG, geltend zu machen.
2. Die Klage war daher wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Finanzstrafrecht, Beschlagnahme, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Strafrecht, Strafprozeßrecht, VfGH / KlagenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2005:A23.2004Dokumentnummer
JFT_09949391_04A00023_00