RS Vfgh 2000/9/28 B2345/98

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Veröffentlicht am 28.09.2000
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Index

32 Steuerrecht
32/05 Verbrauchsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2
Richtlinie des Rates vom 28.05.69. 69/169/EWG, betr Harmonisierung von Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern (Reiseverkehr)
TabaksteuerG §5
TabaksteuerG §6 Abs3 Z5
VerbrauchsteuerbefreiungsV §3a

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Vorschreibung von Tabaksteuer für Einfuhr von Zigaretten aus dem Ausland; Verordnungsermächtigung des Tabaksteuergesetzes zur Festlegung von Steuerbefreiungen hinreichend determiniert im Hinblick auf das Kriterium der Gewährleistung einer einheitlichen Besteuerung; ausreichende Grundlagenforschung vor Erlassung der Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung; sachliche Rechtfertigung und Gesetzeskonformität der Beschränkung der gegenständlichen Steuerbefreiung auf Tabakwaren in bestimmter Menge und nur bei Einfuhr durch bestimmte Reisende im Handgepäck; keine verfassungswidrige Besteuerung von Abgabenerträgen

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen die Verordnungsermächtigung des §6 Abs3 Z5 TabaksteuerG.

Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Bestimmung des §3a VerbrauchsteuerbefreiungsV war - mangels von der Europäischen Gemeinschaft erlassener, innerstaatlich umzusetzender Rechtsvorschriften - offenbar nicht "erforderlich" (im Sinn des §6 Abs3 Z5 TabaksteuerG), um Gemeinschaftsrecht (Richtlinie des Rates vom 28.05.69 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (RL 69/169/EWG)) umzusetzen.

Die Verordnungsermächtigung, die darauf abstellt, daß die Einschränkung einer Steuerbefreiung "zur Gewährleistung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erforderlich ist", ist als hinreichend determinierend anzusehen.

Der Konsum von Tabakwaren soll im Inland grundsätzlich die gleiche Steuerbelastung auslösen, gleichgültig ob es sich um im Inland erworbene oder um selbst importierte Waren handelt. Im Hinblick darauf hat der Verfassungsgerichtshof auch keine Bedenken dagegen, daß dem Organ, das zur Verordnungserlassung ermächtigt wird, die Beurteilung überlassen wird, ob die Einschränkung der Befreiung zur Gewährleistung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung "erforderlich" ist. Ist mit hinreichender Bestimmtheit ermittelbar, ob die Gleichmäßigkeit der Besteuerung (im dargelegten Verständnis) etwa durch faktische Entwicklungen gefährdet oder bereits gestört ist, dann ist es regelmäßig auch möglich zu entscheiden, ob Einschränkungen der Befreiung von Eingangsabgaben erforderlich sind, um die gleichmäßige Belastung zu gewährleisten oder wiederherzustellen.

Keine Bedenken gegen §3a VerbrauchsteuerbefreiungsV.

Aus den Verordnungsakten ergibt sich, daß die Verordnungserlassung für notwendig gehalten wurde, um die steuerfreie Einfuhr von insbesondere verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus (bestimmten) Drittländern durch Personen mit Wohnsitz im Inland einzuschränken.

Offenbar lag der Entscheidung des Verordnungsgebers somit eine Situation zugrunde, die letztlich dazu führte, daß das Ziel dieser Befreiungsbestimmungen, nämlich die Steuerbefreiung bloß für beschränkte Mengen von im Reiseverkehr eingeführten Tabakwaren zu gewähren, durch faktische Entwicklungen unterlaufen wurde (durch Errichtung von Verkaufsstellen in Grenznähe, die sogar mehrmals am Tag angefahren werden können). In einer solchen Situation erscheint es unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verbrauchsteuerpflichtiger Waren nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten ("erforderlich"), jene Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, die Möglichkeit steuerfreien Konsums von Tabakwaren einzuschränken. Wenn der Verordnungsgeber mit dieser Maßnahme eine Bevorzugung jener Bevölkerungsteile verhindern kann, die auf Grund der geographischen Situation in der Lage sind, im Wege des Einkaufstourismus Verbrauchsteuerbefreiungen in überdurchschnittlichem Maße in Anspruch zu nehmen, so hält der Verfassungsgerichtshof eine solche Vorgangsweise durchaus für erforderlich, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten.

Auch der Umstand, daß §3a VerbrauchsteuerbefreiungsV sich nur auf Importe über eine Landgrenze bezieht, stößt nicht auf Bedenken. Wenn der Verordnungsgeber davon ausgeht, daß sich die von ihm konstatierten Verletzungen der Gleichmäßigkeit der Verbrauchsbesteuerung ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend auf die Entwicklung des Einkaufstourismus per PKW zurückführen lassen, so ist ihm nicht entgegenzutreten. Ebenso wenig bestehen unter diesem Aspekt Bedenken dagegen, daß §3a leg cit die EFTA-Staaten von diesen Einschränkungen ausschließt.

Der Verfassungsgerichtshof kann schließlich dem Argument der Beschwerde nicht folgen, daß durch den die Bemessungsgrundlage der Tabaksteuer regelnden §5 Abs1 TabaksteuerG 1995 in verfassungswidriger Weise Abgabenerträge zum Gegenstand einer Besteuerung gemacht werden (siehe VfSlg 4174/1962). Der Effekt dieser Regelung ist nicht die Besteuerung von Abgabenerträgen (das heißt eine Partizipation an den Abgabenerträgen einer anderen Gebietskörperschaft, die dadurch gemindert werden), sondern die Belastung einer Ware mit mehreren (indirekten) Steuern, die nach der Belastungskonzeption dieser Steuern auf die Verbraucher überwälzt werden sollen. Selbst wenn die Überwälzung im Einzelfall nicht gelingen sollte oder wenn die Steuerkumulierung einen Rückgang der Nachfrage nach den belasteten Waren zur Folge hätte, käme es dadurch nicht zu einer Besteuerung von (das heißt einer Partizipation an den) Abgabenerträgen einer anderen Gebietskörperschaft.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Determinierungsgebot, EU-Recht Richtlinie, Abgaben, Tabaksteuer, Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B2345.1998

Dokumentnummer

JFR_09999072_98B02345_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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