RS Vfgh 2000/9/28 A10/00 - A13/00

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Veröffentlicht am 28.09.2000
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Index

30 Finanzverfassung, Finanzausgleich
30/02 Finanzausgleich

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art44 Abs3
B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
FAG 1993 §8 Abs4
FAG 1997 §8 Abs8
FAG 1997 §10 Abs1, Abs2

Leitsatz

Abweisung einer gegen das Land Kärnten gerichteten Klage zweier Gemeinden auf Zuweisung von Ertragsanteilen an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben für das Jahr 1998; passive Klagslegitimation des Landes gegeben; keine Bedenken gegen die Verteilung der Gemeindeertragsanteile nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel

Rechtssatz

Nach §10 Abs1 und Abs2 FAG 1997 werden die Ertragsanteile der Gemeinden zunächst vom Bund länderweise rechnungsmäßig aufgeteilt (sog. ungekürzte Ertragsanteile) und sodann um bestimmte Prozentsätze bzw. Beträge gekürzt. Diese (gekürzten) Ertragsanteile der Gemeinden "sind an die Länder zu überweisen und - außer in Wien - von diesen als Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben an die einzelnen Gemeinden nach folgendem Schlüssel aufzuteilen: ...". Angesichts dieser Rechtslage hat der Verfassungsgerichtshof schon bisher keinen Zweifel daran gehabt, daß der Anspruch der einzelnen Gemeinden auf Zuteilung des Gemeindeertragsanteiles an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben gegenüber dem jeweiligen Bundesland besteht (vgl. bereits VfSlg. 7644/1975, S. 130 f.; 9280/1981, 9281/1981). Bei Realisierung dieses Rechtsanspruches kann die Gemeinde gegenüber dem Land auch behauptete Rechtswidrigkeiten geltend machen, die ihre Grundlage in den dem Bund obliegenden Teilungsvorgängen der vorangegangenen Phasen haben (VfSlg. 9280/1981).

Der Gerichtshof geht im Hinblick auf die Äußerung der Bundesregierung und die Stellungnahme der Salzburger Landesregierung davon aus, daß es zum Verhandlungsergebnis über den Finanzausgleich 1997 bis 2000 zwar kein (förmlich) ausformuliertes und unterfertigtes Paktum gab, weil kein Einvernehmen über die detaillierte Formulierung gefunden werden konnte, daß aber das Ergebnis im wesentlichen auf Grund der Verhandlungen vom 22.02.96 als akkordiert angesehen werden kann.

Der Verfassungsgerichtshof geht weiters davon aus, daß die den abgestuften Bevölkerungsschlüssel betreffenden Änderungen des FAG 1993 darauf beruhen, daß die Finanzausgleichspartner den im hg. Erk. VfSlg. 12.505/1990 geäußerten Bedenken Rechnung tragen und einerseits durch eine Einschleifregelung in Form eines zusätzlichen Vervielfachers die bisherigen Härten an diesen Stufengrenzen beseitigen sowie andererseits durch die Verteilung eines Sockelbetrages nach der Einwohnerzahl die Bedeutung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels weiter vermindern wollten.

Der Verfassungsgerichtshof sieht jedenfalls vor dem Hintergrund der Rechtsentwicklung und der derzeitigen Sachlage keinen Grund, die Verteilung (eines Teiles) der Gemeindeertragsanteile nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel als grundsätzlich unsachlich einzustufen. Der Gerichtshof bleibt freilich auch bei der im Erk. VfSlg. 12.505/1990 zum Ausdruck gebrachten Auffassung, daß dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel als dem für die Verteilung der Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach wie vor entscheidenden Schlüssel damit nicht auf Dauer die Unbedenklichkeit bescheinigt ist. Es wird vielmehr weiterhin notwendig sein, die Sachlichkeit dieser Regelung - im Gesamtkonzept der finanzausgleichsrechtlichen Verteilungs- und Ausgleichsvorgänge - bei den jeweiligen Finanzausgleichsverhandlungen zu überprüfen.

Ist die Verteilung der Gemeindeertragsanteile an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel im Prinzip unbedenklich, dann kann auch durch die Erhebung einer Norm, die einen Teilaspekt dieser Verteilung regelt, in den Verfassungsrang ein Widerspruch zu leitenden Grundprinzipien der Bundesverfassung, der für eine Gesamtänderung der Bundesverfassung erforderlich wäre, nicht bewirkt werden.

Gegen die Verwendung eines einheitlichen (zusätzlichen) Multiplikators von 3 1/3 in den sog. Einschleifklassen bestünden verfassungsrechtliche Bedenken auch dann nicht, wenn die Norm nicht im Verfassungsrang stünde.

Der Gerichtshof sieht im vorliegenden Fall keinen Grund für die Annahme, daß durch die Erhebung des §8 Abs4 FAG 1993 in den Verfassungsrang (bzw. durch die Beibehaltung dieses Rechtszustandes im FAG 1997, nunmehr geregelt in §8 Abs8) auch jene Regelungen unanfechtbar werden, die lediglich auf die Verfassungsbestimmung des §8 Abs8 FAG 1997 verweisen, könnte doch gerade dieser Verweis die Unsachlichkeit der einfachgesetzlichen Regelung begründen.

Bestehen gegen die (neue) Regelung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels jedenfalls derzeit keine Bedenken, dann werden die "Anwendungsbestimmungen" nicht deswegen automatisch verfassungswidrig, weil sie auf §8 Abs8 FAG 1997 verweisen. Was speziell die von den klagenden Parteien besonders beanstandete Anwendung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels in der sog. Oberverteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben anlangt, so ist dies nur die Folge des Umstandes, daß die Unterverteilung nach diesem Kriterium vorgenommen wird. In der Tat ist ohne große Schwierigkeiten nachzurechnen, daß nur eine solche Verteilungstechnik dazu führt, daß die Ertragsanteile von Gemeinden gleicher Größenklasse unabhängig vom jeweiligen Bundesland gleich groß sind. Ist aber in der Unterverteilung der abgestufte Bevölkerungsschlüssel im Prinzip unbedenklich (siehe oben), dann können gegen seine Anwendung in der Oberverteilung ebenfalls keine Bedenken bestehen.

(siehe auch E v 27.11.00, A13/00, mit bloßem Verweis auf A10/00).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Finanzverfassung, Finanzausgleich, Gemeinde (Finanzausgleich), VfGH / Klagen, Bundesverfassung Gesamtänderung, Bevölkerungsschlüssel abgestufter, Verweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:A10.2000

Dokumentnummer

JFR_09999072_00A00010_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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