TE Vfgh Erkenntnis 2005/6/9 B1117/02

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.06.2005
beobachten
merken

Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Niederösterreich ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 2.158,20 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bürgermeister der Gemeinde Wolfsgraben wies den Antrag der Beschwerdeführer auf Genehmigung der Errichtung eines Hausanschlusskastens mit integriertem Müllplatz sowie einer Einfriedungsmauer samt Einfahrtstor auf den Grundstücken Nr. 61/250 und 278/3, KG Wolfsgraben, mit Bescheid vom 13. November 2001 gemäß §20 Abs1 und 3 NÖ BauO 1996 iVm §18 Abs3, §19 Abs2 Z1 u. Z4a NÖ ROG 1976 ab. Mit demselben Bescheid ordnete er gemäß §35 Abs2 Z3 erster Fall NÖ BauO 1996 den Abbruch des Hausanschlusskastens, der zum Teil auf als Verkehrsfläche (Grst. Nr. 278/3), zum anderen Teil auf als Grünland-Landwirtschaft (Grst. Nr. 61/250) gewidmeten Grundstücken errichtet worden war, an. Die Einfriedungsmauer und das Einfahrtstor wurden zur Gänze auf dem als öffentliche Verkehrsfläche gewidmeten Grundstück projektiert. Das Wohnhaus der Beschwerdeführer ist als erhaltenswertes Gebäude im Grünland gewidmet.

Der Gemeindevorstand der Gemeinde Wolfsgraben wies die dagegen erhobene Berufung mit Bescheid vom 18. Dezember 2001 ab.

Die Niederösterreichische Landesregierung gab der Vorstellung mit bekämpftem Bescheid vom 21. Mai 2002 keine Folge. §1 Abs3 Z4 (Ausnahmen vom Geltungsbereich der NÖ BauO 1996 für elektrische Leitungsanlagen) NÖ BauO 1996 komme nicht zur Anwendung, da der Müllplatz in den Hausanschlusskasten integriert sei. Ein Hausanschlusskasten und Müllplatz dürften - entgegen der Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid - gemäß §19 Abs6 NÖ ROG 1976 zwar in sämtlichen Grünlandwidmungsarten errichtet werden; die Vorhaben stünden jedoch gemäß §18 NÖ ROG 1976 im Widerspruch zur Widmung als Verkehrsfläche.

2. Die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde behauptet die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung. Im Flächenwidmungsplan sei - angeblich seit 1976 - eine in der Natur nicht vorhandene öffentliche Verkehrsfläche (Grst. Nr. 278/3) festgelegt.

3. Die Niederösterreichische Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Die Gemeinde Wolfsgraben legte Teile der Verordnungsakten vor.

II. 1. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG mit Beschluss vom 29. November 2004 ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Wolfsgraben vom 18. Dezember 1974, genehmigt mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Juli 1975, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 1. August bis 16. August 1975, soweit damit für das Grundstück Nr. 278/3 die Widmung Verkehrsfläche festgelegt wird, eingeleitet.

Mit Erkenntnis vom 9. Juni 2005, protokolliert zu V3/05, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die in Prüfung gezogene Verordnung in näher bezeichnetem Umfang gesetzwidrig war.

2. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die gesetzwidrige Verordnung. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsposition der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 359,70 und ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von € 163,50 enthalten. Der Ersatz der Eingabegebühr wurde nicht beantragt.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1117.2002

Dokumentnummer

JFT_09949391_02B01117_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten