TE Vfgh Erkenntnis 2005/6/11 B617/04

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Veröffentlicht am 11.06.2005
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
KommAustria-G §10, §10a

Leitsatz

Objektive Willkür durch Vorschreibung eines Finanzierungsbeitrags zur Finanzierung des Aufwandes der RTR-GmbH wegen offenkundigen Widerspruchs zur neuen, rückwirkend in Kraft getretenen Rechtslage

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.160,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria vom 26. Jänner 2004 wurde dem Österreichischen Rundfunk (ORF) gemäß §10 Abs12 des Bundesgesetzes über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria ("KommAustria") und eines Bundeskommunikationssenates (KommAustria-Gesetz - KOG), BGBl. I Nr. 32/2001, idF ArtIII des BG BGBl. I Nr. 70/2003 ein Finanzierungsbeitrag zur Finanzierung des Aufwandes der "Rundfunk und Telekomregulierungs-GmbH" (RTR-GmbH) für das 3. Quartal 2003 in bestimmter Höhe vorgeschrieben. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 30. März 2004 nicht stattgegeben.

2. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in sonstigen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§10 KOG idF ArtIII des BG BGBl. I Nr. 70/2003) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Der Bundeskommunikationssenat hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet, sondern auf die, in den zu B815/02 und B1076/02 protokollierten Verfahren abgegebenen Stellungnahmen verwiesen.

4. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst erstattete eine Äußerung, in der es den in der Beschwerde geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §10 KOG entgegentritt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. §10 Abs1 KOG idF ArtIII des BG BGBl. I Nr. 70/2003 sieht vor, dass zur Finanzierung des Aufwandes der RTR-GmbH Finanzierungsbeiträge dienen. Diese sind von den Bereitstellern, die nach §15 TKG 2003 zur Anzeige verpflichtet sind, und von in Österreich niedergelassenen Rundfunkveranstaltern zu leisten. Gemäß Abs2 leg.cit. sind die Finanzierungsbeiträge im Verhältnis des jeweiligen Umsatzes des Beitragspflichtigen zum branchenspezifischen Gesamtumsatz zu bemessen und einzuheben, wobei alle im Inland aus der Erbringung von Telekommunikationsdiensten oder aus der Veranstaltung von Rundfunk, mit Ausnahme des Programmentgelts (§31 ORF-G), erzielten Umsätze für die Berechnung heranzuziehen sind.

2. Mit dem Bundesgesetz, mit dem das KommAustria-Gesetz geändert wird, BGBl. I Nr. 21/2005, ausgegeben am 27. April 2005, wurde unter anderem §10 KOG geändert und §10a KOG eingefügt. Dieser steht unter der Überschrift "Finanzierung und Verwaltung der Finanzmittel für den Fachbereich Rundfunk" und lautet:

"§10a. (1) Zur Finanzierung des in Erfüllung der Auf-gaben nach §5a Abs1 Z1 und 2 sowie Abs6 im Fachbereich Rundfunk entstehenden Aufwandes der RTR-GmbH sowie des mit der Erfüllung der Aufgaben der KommAustria nach §2 Abs1 Z1 bis 2 und 4 bis 8 entstehenden Aufwandes der KommAustria (Abs14) dienen einerseits Finanzierungsbeiträge und andererseits Mittel aus dem Bundeshaushalt. Der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 0,75 Millionen Euro jährlich ist der RTR-GmbH in zwei gleich hohen Teilbeträgen per 30. Jänner und 30. Juni zu überweisen und ist aus Einnahmen aus den Gebühren gemäß §3 Abs1 RGG aufzubringen. Über die Verwendung dieser Mittel ist von der RTR-GmbH jährlich bis 30. April des Folgejahres dem Bundeskanzler zu berichten und ein Rechnungsabschluss vorzulegen. Die Gesamtsumme des durch Finanzierungsbeiträge zu leistenden übrigen Aufwandes der RTR-GmbH darf jährlich höchstens 2,25 Millionen Euro betragen. Die genannten Beträge vermindern oder erhöhen sich ab dem Jahr 2007 in jenem Maße, in dem sich der von der Bundesanstalt Statistik Österreich verlautbarte Verbraucherpreisindex 2000 oder der an seine Stelle tretende Index des Vorjahres verändert hat.

(2) Die Finanzierungsbeiträge sind von der Branche Rundfunk zu leisten. Die Branche Rundfunk umfasst die in Österreich niedergelassenen Rundfunkveranstalter (Beitragspflichtige).

(3) Die Finanzierungsbeiträge sind im Verhältnis des jeweiligen Umsatzes des Beitragspflichtigen zum branchenspezifischen Gesamtumsatz zu bemessen und einzuheben, wobei alle im Inland aus der Veranstaltung von Rundfunk mit Ausnahme des Programmentgelts (§31 ORF-G) erzielten Umsätze für die Berechnung heranzuziehen sind.

(4) Die Einnahmen gemäß Abs1 fließen der RTR-GmbH zu. Die Summe der Einnahmen aus den eingehobenen Finanzierungsbeiträgen hat möglichst der Höhe des Finanzierungsaufwandes für die Aufgaben der RTR-GmbH abzüglich der Einnahmen aus den Gebühren gemäß §3 Abs1 RGG zu entsprechen. Allfällige Überschüsse oder Fehlbeträge des Vorjahres sind bei der Festlegung der Finanzierungsbeiträge im darauf folgenden Jahr zu berücksichtigen. Bei der Verwendung der Einnahmen sind die Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einzuhalten. Die RTR-GmbH hat jeweils bis zum 10. Dezember ein Budget mit den Planwerten für das kommende Jahr zu erstellen und auf ihrer Website zu veröffentlichen. Den Beitragspflichtigen ist Gelegenheit einzuräumen, zu diesem Budget Stellung zu nehmen.

(5) Die KommAustria kann aus Gründen der Verwaltungsökonomie, insbesondere wenn der Aufwand für die Einhebung von Finanzierungsbeiträgen von Beitragspflichtigen in grobem Missverhältnis zu den von ihnen zu entrichtenden Beiträgen stehen würde, durch Verordnung eine Umsatzgrenze festlegen, bei deren Unterschreitung durch einen Beitragspflichtigen dessen Umsätze nicht bei der Berechnung des branchenspezifischen Gesamtumsatzes berücksichtigt werden. Diese Beitragspflichtigen werden nicht zur Leistung des Finanzierungsbeitrages herangezogen. Vor Erlassung der Verordnung ist den Beitragspflichtigen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(6) Die Beitragspflichtigen haben jeweils bis spätestens 15. Jänner der RTR-GmbH ihre für das laufende Jahr geplanten Umsätze zu melden. Erfolgt trotz Aufforderung und Setzung einer angemessenen Nachfrist keine Meldung der geplanten Umsätze, hat die RTR-GmbH den voraussichtlichen Umsatz des Beitragspflichtigen zu schätzen.

(7) Der branchenspezifische Aufwand der RTR-GmbH ist unter Bedachtnahme auf die Stellungnahmen der Beitragspflichtigen nach Abs4 und unter Einhaltung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit spätestens bis Ende Februar jeden Jahres von der RTR-GmbH festzustellen und in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Ebenso ist der branchenspezifische Gesamtumsatz auf Basis der nach Abs6 erfolgten Meldungen der Beitragspflichtigen und der allfälligen Schätzungen der RTR-GmbH zu berechnen und zu veröffentlichen.

(8) Den Beitragspflichtigen sind die Finanzierungsbeiträge auf Basis der veröffentlichten Schätzungen in vier Teilbeträgen jeweils zum Ende eines Quartals von der RTR-GmbH vorzuschreiben und von diesen an die RTR-GmbH zu entrichten. Die Beitragspflichtigen können auch auf die quartalsmäßige Vorschreibung zugunsten einer jährlichen Vorschreibung verzichten. Bei Beiträgen, die voraussichtlich den Betrag von 1.000 Euro unterschreiten, kann die RTR-GmbH von einer quartalsmäßigen Vorschreibung zugunsten einer jährlichen Vorschreibung Abstand nehmen. In diesem Fall ist der Finanzierungsbeitrag zum Ende des ersten Quartals zu entrichten, der daraus entstehende Zinsvorteil ist dem betroffenen Beitragspflichtigen anzurechnen.

(9) Die Beitragspflichtigen haben jeweils bis spätestens 31. Mai des Folgejahres ihre tatsächlich erzielten Umsätze der RTR-GmbH zu melden. Umsatzdaten, deren tatsächliche Höhe mit zumutbarem Aufwand nicht erhoben werden kann, sind von der RTR-GmbH zu schätzen.

(10) Die RTR-GmbH hat den tatsächlichen branchenspezifischen Aufwand sowie den tatsächlichen branchenspezifischen Gesamtumsatz jeweils bis zum 30. September des Folgejahres festzustellen und zu veröffentlichen. Vor Veröffentlichung des tatsächlichen branchenspezifischen Aufwandes sowie des tatsächlichen branchenspezifischen Gesamtumsatzes ist den Beitragspflichtigen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(11) Nach der Veröffentlichung des tatsächlichen branchenspezifischen Aufwands und des tatsächlichen branchenspezifischen Gesamtumsatzes hat die RTR-GmbH geleistete Finanzierungsbeiträge allenfalls gutzuschreiben oder eine Nachforderung zu stellen.

(12) Für den Fall, dass ein Rundfunkveranstalter der Verpflichtung zur Entrichtung des Finanzierungsbeitrages nicht oder nicht ordnungsgemäß nachkommt, hat die KommAustria die Entrichtung des Finanzierungsbeitrages mit Bescheid vorzuschreiben. Ebenso sind Gutschriften und Nachforderungen im Sinne des Abs11 auf Antrag bescheidmäßig festzustellen.

(13) Zur Ermittlung der Finanzierungsbeiträge sind der RTR-GmbH, der KommAustria sowie den von ihr beauftragten Wirtschaftsprüfern auf Verlangen Auskünfte zu erteilen und in begründeten Fällen und im erforderlichen Ausmaß Einschau in die Aufzeichnungen und Bücher zu gewähren.

(14) Für die in der KommAustria tätigen Bediensteten hat die RTR-GmbH dem Bund den gesamten Aktivitätsaufwand samt Nebenkosten zu ersetzen. Diese Kosten sind bei Festlegung der Finanzierungsbeiträge für die Branche der Veranstaltung von Rundfunk zu berücksichtigen. Für die in der KommAustria tätigen Beamten ist dem Bund außerdem ein Beitrag zur Deckung des Pensionsaufwandes in Höhe von 31,8 vH des Aufwandes an Aktivbezügen zu leisten. Als Aktivbezüge gelten alle Geldleistungen, von denen ein Pensionsbeitrag zu entrichten ist. Die von den Beamten einbehaltenen Pensionsbeiträge sind anzurechnen. Im Falle einer künftigen Änderung der Höhe des Pensionsbeitrages der Beamten gemäß §22 des Gehaltsgesetzes 1956 ändert sich der Prozentsatz des Deckungsbeitrags im gleichen Ausmaß. Die Bestimmungen der vorstehenden Sätze dieses Absatzes gelten nicht für die in Angelegenheiten der Vollziehung des PresseFG 2004 und des Abschnittes II des PubFG 1984 tätigen Bediensteten der KommAustria."

§17a KOG idF des BG BGBl. I Nr. 21/2005 enthält eine Übergangsbestimmung, welche lautet:

"§17a. (1) Für den Zeitraum vom 20. August 2003 bis zum 31. Dezember 2004 sind der durch die Erfüllung von in §5a Abs1 Z1 und 2 und in §5a Abs6 in Verbindung mit §9 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 21/2005 genannten Aufgaben entstandene Aufwand der RTR-GmbH für den Fachbereich Rundfunk sowie der in diesem Zeitraum durch die Erfüllung von in §2 Abs1 Z1, 2 und Z4 bis 8 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 21/2005 genannten Aufgaben entstandene Aufwand der KommAustria (§10a Abs14) einerseits durch Finanzierungsbeiträge von in Österreich niedergelassenen Rundfunkveranstaltern (Beitragspflichtige) und andererseits durch Mittel aus dem Bundeshaushalt im Verhältnis 75:25 mit der Maßgabe zu bestreiten, dass Unternehmen, deren Umsatz im Jahr 2004 den Betrag von 45000 Euro unterschritten hat, nicht zur Leistung des Finanzierungsbeitrages heranzuziehen und ihre Umsätze im Jahr 2004 nicht bei der Berechnung des branchenspezifischen Gesamtumsatzes zu berücksichtigen sind.

(2) Auf die Berechnung und Entrichtung von Finanzierungsbeiträgen für den in Abs1 genannten Zeitraum sowie auf von der KommAustria und vom Bundeskommunikationssenat zu führende Verfahren über die Höhe von Finanzierungsbeiträgen für den Zeitraum vom 20. August 2003 bis zum 31. Dezember 2004 sind die Bestimmungen des §10a Abs3 und Abs11 bis 14 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 21/2005 anzuwenden. Aufgrund der Aufteilung und Berechnung nach Abs1 zu viel geleistete Finanzierungsbeiträge sind rückzuerstatten.

..."

3. Im Beschwerdeverfahren gemäß Art144 B-VG ist von jener Rechtslage auszugehen, die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bestanden hat (zB VfSlg. 2009/1950, S 271), es sei denn, die Rechtslage wird rückwirkend auf einen vor Erlassung des Bescheides liegenden Zeitpunkt geändert; in diesem Fall ist der angefochtene Bescheid an der rückwirkend geschaffenen Rechtslage zu messen (VfSlg. 2009/1950, S 272; 3853/1960, S 598; 10.091/1984,

S 707; 10.402/1985, S 350; 11.155/1986, S 754, 11.401/1987, S 683; 17.070/2003).

Daraus ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid, gemessen an der neuen, rückwirkend hergestellten Rechtslage in offenkundigem Widerspruch zu §10a KOG idF des BG BGBl. I Nr. 21/2005 steht.

Obwohl die gegebene Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde subjektiv nicht vorwerfbar ist, weil §10a KOG idF des BG BGBl. I Nr. 21/2005 rückwirkend in Kraft getreten ist, hat sie der Verfassungsgerichtshof wahrzunehmen (vgl. dazu VfSlg. 17.066/2003). Diese Rechtswidrigkeit reicht in die Verfassungssphäre.

Die beschwerdeführende Partei ist somit durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Der zugesprochene Betrag enthält USt. in Höhe von € 360,-.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage), Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rundfunk, KommAustria, Rückwirkung, Novellierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B617.2004

Dokumentnummer

JFT_09949389_04B00617_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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