RS Vfgh 2000/10/4 V91/99

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Veröffentlicht am 04.10.2000
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs3 erster Satz
AmtssprachenV (Slowenisch), BGBl 307/1977 §2 Abs2 Z3
StV Wien 1955 Art7 Z3
VolksgruppenG §2

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung der slowenischen Amtssprachen-Verordnung betreffend die Zulassung des Slowenischen zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache vor den Gemeindebehörden und Gemeindedienststellen im politischen Bezirk Völkermarkt wegen Widerspruchs zum Staatsvertrag von Wien und zum VolksgruppenG im Hinblick auf den durch die Verordnungsbestimmung bewirkten Ausschluss der Zulassung des Slowenischen als Amtssprache in einer Gemeinde mit einem mehr als zehnprozentigen Anteil slowenisch sprechender österreichischer Wohnbevölkerung; unmittelbare Geltung des StV von Wien nach Aufhebung der als gesetzwidrig erkannten Bestimmung

Rechtssatz

§2 Abs2 Z3 der AmtssprachenV (Slowenisch), BGBl 307/1977, stellt iVm

§2 Abs1 leg. cit. eine abschließende Regelung der Zulassung der

slowenischen Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache vor den Gemeindebehörden und Gemeindedienststellen im politischen Bezirk Völkermarkt dar. Demgemäß schließt die Bestimmung, insoferne sie - abgesehen von den im Abs1 genannten Gemeinden - eine derartige Amtssprachenregelung auf die Gemeinde Sittersdorf beschränkt, die Zulassung des Slowenischen zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache vor den Gemeindebehörden und Gemeindedienststellen der anderen Gemeinden dieses politischen Bezirkes, insbesondere der Gemeinde Eberndorf, aus.

Die Annahme, dass darüber hinaus - unmittelbar auf Grund des Art7 Z3 StV Wien 1955 - die slowenische Sprache auch vor den Behörden und Dienststellen anderer Gemeinden (hier: des politischen Bezirkes Völkermarkt) zugelassen sein sollte, führte dazu, dass die mit diesen Verordnungsbestimmungen erkennbar verbundene Absicht (Präzisierung des räumlichen Geltungsbereiches der aus Art7 Z3 StV Wien 1955 erfließenden Minderheitenrechte zur Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Auslegung dieser staatsvertraglichen Bestimmung) weitgehend verfehlt worden wäre. Es kann aber dem Verordnungsgeber nicht unterstellt werden, dass er eine insoweit überflüssige Regelung schaffen wollte.

In §2 Abs2 Z3 der Verordnung der Bundesregierung vom 31.05.77 über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird, BGBl 307, wird das Wort "Sittersdorf" als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Verordnungsbestimmung, mit der die Zulassung der slowenischen Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache vor den Gemeindebehörden und Gemeindedienststellen (insbesondere) der im politischen Bezirk Völkermarkt gelegenen Gemeinde Eberndorf ausgeschlossen wird, widerspricht Art7 Z3 StV Wien 1955.

Dem Begriff "Verwaltungsbezirk" gemäß Art7 Z3 erster Satz StV Wien 1955 ist ein Verständnis beizulegen, das sich an den tatsächlichen, dh. gemeindebezogenen, Siedlungsschwerpunkten dieser Volksgruppen orientiert. Darüber hinaus gebietet diese staatsvertragliche Regelung aber auch die Zulassung des Slowenischen (bzw. Kroatischen) als Amtssprache zusätzlich zum Deutschen vor den Bezirksverwaltungsbehörden, in deren Sprengel die jeweilige Minderheit - bezirksweit - einen nicht ganz unbedeutenden Prozentsatz ausmacht.

Dem Begriff (des Verwaltungsbezirkes mit) "gemischte(r) Bevölkerung" unterfällt - ausgehend davon, dass in einem solchen Gebiet "eine größere Zahl der dort wohnenden Personen zur Minderheit gehören müsse" bzw. hiefür ein "nicht ganz unbedeutender (Minderheiten-)Prozentsatz" zu fordern sei, und dass den diesbezüglichen Feststellungen "bloß eine 'vergröberte statistische Erfassung zugrundezulegen sei'" (VfSlg 12836/1991) auch (schon) eine Gemeinde, die - so wie die Gemeinde Eberndorf - bei der Volkszählung 1991 einen Anteil von 10,4 % slowenisch sprechender österreichischer Wohnbevölkerung aufwies.

Ausgehend davon ist der Verfassungsgerichtshof insgesamt der Meinung, dass die Beschränkung auf die Gemeinde Sittersdorf in §2 Abs2 Z3 der AmtssprachenV (Slowenisch), BGBl 307/1977, dem §2 VolksgruppenG (vgl. insbesondere dessen Abs2, wonach bei Erlassung ua. der hier in Rede stehenden Verordnung "bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen (somit Art7 Z3 erster Satz StV Wien 1955; vgl. VfSlg 11585/1987, S

751) zu berücksichtigen" sind) widerspricht und somit gesetzwidrig ist.

Es reicht aber aus, bloß das Wort "Sittersdorf" im präjudiziellen §2 Abs2 Z3 der AmtssprachenV (Slowenisch), BGBl 307/1977, aufzuheben. Im Hinblick auf die in VfSlg 11585/1987 angestellten Überlegungen besteht nämlich diesfalls keine die Zulassung der slowenischen Sprache vor den Gemeindebehörden und Gemeindedienststellen der Gemeinde Eberndorf ausschließende Regelung mehr und kommt im politischen Bezirk Völkermarkt Art7 Z3 erster Satz StV Wien 1955 (wiederum) unmittelbar zur Geltung.

(Anlassfall B28/98, E v 04.10.00, Quasianlassfall B726/97, E v 12.10.00, Aufhebung der angefochtenen Bescheide).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Anwendbarkeit Staatsvertrag, Minderheiten, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Verwerfungsumfang, Volksgruppen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:V91.1999

Dokumentnummer

JFR_09998996_99V00091_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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