RS Vfgh 2000/10/12 G112/98

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Veröffentlicht am 12.10.2000
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
ASVG §183 Abs1
ASVG §210 Abs1

Leitsatz

Aufhebung einer die Versehrtenrente betreffenden Bestimmung des ASVG über das Bestehen eines Anspruches auf eine Gesamtrente infolge zweier oder mehrerer Arbeitsunfälle nur bei einer durch die jeweils letzte Schädigung allein verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 10 Prozent wegen Widerspruchs zum Gleichheitssatz

Rechtssatz

Die Wortfolge "und beträgt die durch diese neuerliche Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH" in §210 Abs1 erster Satz ASVG idF BGBl. 111/1986 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Es ist nicht einsichtig, warum in jenen Fällen, in denen ein Versicherter infolge zweier oder mehrerer Versicherungsfälle (Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten) mehrfach geschädigt wird und dadurch eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von mindestens 20 vH erleidet, eine Gesamtrente nur zusteht, wenn die durch die jeweils letzte Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH beträgt.

Keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnete es, wenn der Gesetzgeber einen Rentenanspruch aus mehreren Versicherungsfällen nur dann und insoweit zuerkannt hätte, wenn jeder dieser Versicherungsfälle eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 vH nach sich zöge.

Die Regelung des §210 Abs1 ASVG widerspricht jedoch in sich dem Gleichheitsgebot, weil sie dazu führen kann, daß bei zwei Versicherungsfällen, die zu jeweils unterschiedlichen Verletzungsfolgen, in Summe jedoch zu demselben Gesamtausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben, ein Rentenanspruch nur besteht, wenn die Versicherungsfälle in einer bestimmten Reihenfolge aufgetreten sind.

Das Verhältnis zwischen §210 Abs1 ASVG und §183 Abs1 ASVG ist nicht dahin zu deuten, daß erstere Bestimmung bloß den Fall des Hinzutretens eines Versicherungsfalls zu einem bereits einen Rentenanspruch begründenden ersten Versicherungsfall betrifft.

Zur vollständigen Beseitigung der vom antragstellenden Gericht geltend gemachten Verfassungswidrigkeit war es nicht geboten, auch den vom Aufhebungsbegehren ebenfalls umfaßten (ersten) Beistrich in §210 Abs1 erster Satz ASVG aufzuheben - was im übrigen sprachlich verfehlt wäre -; dem Antrag war daher insoweit nicht stattzugeben.

Das VfGG sieht ua. für Normenprüfungsverfahren, die auf Antrag eines Gerichtes eingeleitet worden sind, einen Aufwandersatz nicht vor. Es obliegt daher dem antragstellenden Gericht, - nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften - über einen allfälligen Kostenersatzanspruch des Klägers des Ausgangsrechtsstreits zu befinden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Sozialversicherung, Unfallversicherung, Versehrtenrente, VfGH / Kosten, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G112.1998

Dokumentnummer

JFR_09998988_98G00112_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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