RS Vwgh 2000/5/31 2000/08/0071

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 31.05.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §539;
VwRallg;

Rechtssatz

Zu beantworten ist hier die Frage, ob es im Rahmen der gesetzlichen Pflichtversicherung zu einem rechtlich wirksamen Verzicht der Gebietskrankenkasse auf den gesetzlichen Beitragsgrundlagen entsprechende Beiträge gekommen sein kann. Vereinbarungen der hier in Betracht zu ziehenden Art sind im öffentlichen Recht aber nur wirksam, wenn ihr Abschluss auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht (vgl dazu Radner in seiner Besprechung des

E 20.2.1996, 95/08/0180, ZAS 1997/18, und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung, im Besonderen das E 22.9.1988, 87/08/0262, VwSlg 12778 A/1988; im Zusammenhang mit einem sozialhilferechtlichen Ersatzanspruch auch schon das

E 20.2.1987, 86/11/0058). Im Zusammenhang mit Beitragspflichten sieht das ASVG in manchen Fällen die Möglichkeit eines Verzichtes (vgl etwa § 56 Abs 3 ASVG) oder einer Nachsicht (vgl etwa § 59 Abs 2 ASVG) vor, was in Bezug auf die Regelung der Kriterien für die Ausübung des damit eingeräumten Ermessens jeweils dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot unterliegt (vgl dazu etwa das die erwähnten Bestimmungen betreffende E des Verfassungsgerichtshofes vom 7.3.1991, VfSlg 12672, und aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das

E 23.6.1998, 95/08/0331). Eine Ermächtigung zum Abschluss von Pauschalierungsvereinbarungen, wie sie in bestimmten Bereichen des Abgabenrechtes vorgesehen ist (vgl dazu Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht/3, 535; Radner, aaO), besteht für die Gebietskrankenkasse aber ebenso wenig wie etwa eine Ermächtigung zum Abschluss von Ratenvereinbarungen mit Beitragsschuldnern. Eine solche Ermächtigung kann selbst für die zuletzt erwähnten bloßen Zahlungserleichterungen auch aus § 539 ASVG nicht abgeleitet werden (vgl auch dazu schon Radner, aaO). Fehlt es damit schon an einer Rechtsgrundlage, die etwa den - in der Praxis üblichen - Ratenvereinbarungen rechtliche Verbindlichkeit verleihen würde, so kann umso weniger davon ausgegangen werden, der Gesetzgeber habe es den Versicherungsträgern freistellen wollen, in Einzelvereinbarungen mit Pflichtversicherten zu deren Vorteil, aber zum Nachteil der übrigen Versicherten und der Allgemeinheit mit rechtlich verbindlicher Wirkung auf einen Teil der gesetzlichen Beiträge zu verzichten.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000080071.X03

Im RIS seit

14.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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