TE Vfgh Beschluss 2005/6/13 B320/05

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Veröffentlicht am 13.06.2005
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
FremdenG 1997 §41, §88, §92

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde gegen ein Schreiben der Bundesministerin für Inneres betreffend eine Wiedereinreisebewilligung mangels Bescheidqualität der angefochtenen Mitteilung im Hinblick auf die Unzuständigkeit der belangten Behörde zur Erteilung der Bewilligung zur Wiedereinreise

Spruch

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 2. Oktober 1996 wurde über den Beschwerdeführer, einem bosnischen Staatsbürger, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von 10 Jahren verhängt.

Gegen den Beschwerdeführer besteht außerdem ein Haftbefehl des Landesgerichtes Wiener Neustadt.

Am 17. Jänner 2005 stellte der Beschwerdeführer einen an das Bundesministerium für Inneres adressierten Antrag auf Bewilligung der Wiedereinreise.

Mit einem von der Leiterin der Sektion II/3 im Bundesministerium für Inneres gefertigten Schreiben vom 7. Februar 2005 wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers folgendes mitgeteilt:

"Betreff: H R, geb. ...,

bosnischer Staatsangehöriger;

Wiedereinreisebewilligung - Mitteilung

Sehr geehrter Herr Dr. O!

Unter Bezugnahme auf den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinreise des Herrn H R vom 17.1.2005 darf ich Ihnen mitteilen, dass der Zweck einer solchen Bewilligung darin besteht, einem Fremden während deren Gültigkeitsdauer die Einreise in das Bundesgebiet, den Aufenthalt in und die Ausreise aus diesem zu ermöglichen.

Durch den gegen den Fremden bestehenden Haftbefehl und die dadurch zu erwartende Festnahme kann der Zweck der oben angesprochenen Norm (§41 FrG) nicht verwirklicht werden, weshalb nach Ansicht des Bundesministeriums für Inneres die Erteilung einer Wiedereinreisebewilligung nur dann in Frage kommen kann, wenn der bestehende Haftbefehl sistiert wird.

Aus diesem Grunde darf angeregt werden, sich mit dem zuständigen Gericht zwecks Aufhebung des Haftbefehles in Verbindung zu setzen und gegebenenfalls einen entsprechenden Antrag bei der örtlich zuständigen österreichischen Vertretungsbehörde (§§88 Abs2, 92 FrG) einzubringen.

Mit freundlichen Grüßen

..."

2. Gegen dieses - vom Einschreiter als Bescheid bezeichnete und gewertete - Schreiben richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK behauptet wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde ist nicht zulässig.

1.1. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 erster Satz B-VG ist unter anderem das Vorliegen eines Bescheides (vgl. etwa VfSlg. 4903/1965, 5731/1968, 6140/1970, 6252/1970, 6603/1971, 6821/1972, 7158/1973, 7436/1974, 8861/1980, 10.892/1986, 11.077/1986, 13.099/1992, 16.433/2002).

Für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur die äußere Form, sondern auch der Inhalt maßgebend; eine Erledigung, die nicht die Form eines Bescheides aufweist, ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren, objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt (s. etwa VfSlg. 16.433/2002 mwN; s. auch VwSlg. 9458 A/1977; VwGH 14.9.1981, 81/17/0133; 22.2.1991, 90/12/0277).

1.2. Diese Voraussetzungen sind bei der bekämpften Erledigung nicht gegeben:

1.2.1. Sie weist nicht die äußere Form eines Bescheides auf, da sie weder als Bescheid bezeichnet noch in Spruch und Begründung gegliedert ist.

1.2.2. Damit die Erledigung dennoch als Bescheid gewertet werden könnte, müsste der Wille der Behörde, einen Bescheid zu erlassen, deutlich objektiv erkennbar sein (VfSlg. 6806/1972, 9444/1982, 9520/1982). Ob dies der Fall ist, kann sich allenfalls auch daraus ergeben, ob die Behörde verpflichtet ist, einen Bescheid zu erlassen (VfSlg. 9520/1982, vgl. etwa auch VfSlg. 9383/1982, 10.119/1984, 10.270/1984).

Dies trifft bei der angefochtenen Erledigung nicht zu. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 lauten (auszugsweise) wie folgt:

"Wiedereinreise

§41. (1) Während der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes darf der Fremde ohne Bewilligung nicht wieder einreisen.

(2) Die Bewilligung zur Wiedereinreise kann dem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn dies aus wichtigen öffentlichen oder privaten Gründen notwendig ist, die für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründe dem nicht entgegenstehen und auch sonst kein Sichtvermerksversagungsgrund vorliegt. Mit der Bewilligung ist auch die sachlich gebotene Gültigkeitsdauer festzulegen.

(3) Die Bewilligung wird ungeachtet des Bestehens eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes in Form eines Visums erteilt.

Sachliche Zuständigkeit

§88. (1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde diese.

(2) Im Ausland obliegt die Erteilung von Visa, die Erteilung von Wiedereinreisebewilligungen, die Vornahme von Amtshandlungen nach dem 1. Abschnitt des 7. Hauptstückes, ausgenommen die Erstausstellung von Fremdenpässen und Konventionsreisepässen, sowie die Ausstellung von Rückkehrausweisen für Staatsbürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union

1. den diplomatischen und den von Berufskonsuln geleiteten österreichischen Vertretungsbehörden oder

2. den Vertretungsbehörden des Vertragsstaates, der nach dem SDÜ für die Erteilung von Visa zuständig ist.

(3) Im Inland obliegt die Erteilung oder die Ungültigerklärung von

1. Dienstvisa dem Bundesminister für Inneres;

2. Diplomatenvisa dem Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten.

Eine Wiedereinreisebewilligung und ein Flugtransitvisum können im Inland nicht erteilt werden. Durchreise-, Reise- und Aufenthaltsvisa können im Inland nur bei jenen Grenzübergangsstellen erteilt werden, auf die sich eine Ermächtigung gemäß Abs4 bezieht.

(4)-(6) ...

Örtliche Zuständigkeit im Ausland

§92. Die örtliche Zuständigkeit zur Vornahme von Amtshandlungen nach diesem Bundesgesetz richtet sich im Ausland, sofern nichts anderes bestimmt ist, nach dem Wohnsitz des Fremden. Auf Weisung des Bundesministers für auswärtige Angelegenheiten kann jede Berufsvertretungsbehörde tätig werden."

Angesichts dieser Rechtslage besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass die belangte Behörde die Absicht hatte, gegenüber dem Beschwerdeführer einen Bescheid zu erlassen. Dies vor allem auch deswegen, weil sie zur Erteilung von Wiedereinreisegenehmigungen gemäß §88 Abs2 FrG 1997 nicht zuständig ist. Der Beschwerdeführer wird an die zuständige Behörde verwiesen.

Die bekämpfte Erledigung weist somit weder die äußere Form eines Bescheides auf, noch stellt sie sich ihrem Inhalt nach als normativer Abspruch rechtsfeststellender oder rechtsgestaltender Art dar (vgl. VfSlg. 8560/1979, 9125/1981, 11.415/1987, 16.433/2002). Sie ist kein Bescheid; damit fehlt es an einem tauglichen Beschwerdegegenstand.

2. Die Beschwerde war daher wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.

3. Der Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, weil eine Abtretung nur im Fall der Abweisung einer Beschwerde oder Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof in Betracht kommt, nicht aber im Fall ihrer Zurückweisung.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Bescheidbegriff, Fremdenrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B320.2005

Dokumentnummer

JFT_09949387_05B00320_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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