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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §71 Abs1 Z1;Rechtssatz
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (Hinweis Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 96 ff zu § 71 AVG). Bei der Beurteilung, ob eine auffallende Sorglosigkeit vorliegt, ist also ein unterschiedlicher Maßstab anzulegen, wobei es insbesondere auf die Rechtskundigkeit und die Erfahrung im Umgang mit Behörden ankommt. Im Beschwerdefall befand sich im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes die damals 19-jährige Partei erst seit nicht einmal acht Monaten als sprachunkundiger Asylwerber im Bundesgebiet. Die Partei hat keine über das Asylverfahren - in dem sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt durch den Jugendwohlfahrtsträger vertreten wurde - hinaus gehende Erfahrungen im Umgang mit Behörden erworben, und an sie ist niemals ein Bescheid zugestellt worden. Da an die Partei ein dementsprechend geringer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist, stellt der Umstand, dass sie sich auf die unrichtige Auskunft der Mitarbeiter jener Betreuungsstelle, in der sie untergebracht ist, verlassen hat und etwa einen Monat nichts Weiteres unternommen hat, in diesem konkreten Fall keine auffallende Sorglosigkeit im Sinn der angeführten Judikatur dar.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010337.X02Im RIS seit
14.02.2002Zuletzt aktualisiert am
20.01.2010