Index
21 Handels- und WertpapierrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Vorschreibung einer Gebühr für ein Verfahren vor der Übernahmekommission; sinngemäße Anwendung des ÜbernahmeG auf ein öffentliches Angebot zum Rückkauf eigener Aktien (zur Einziehung zwecks nachfolgender Kapitalherabsetzung); keine verfassungswidrige Einrichtung der Übernahmekommission als Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag; keine Bedenken gegen die Verordnungsermächtigung der Wiener Börse AG zur Erlassung einer Gebührenordnung für das Verfahren vor der Übernahmekommission; Anhörung der Übernahmekommission erfolgt; keine Bedenken gegen die in der GebührenO vorgesehene Mindestgebühr; keine Verletzung des KostendeckungsprinzipsRechtssatz
Die Begriffsbestimmungen des §1 ÜbernahmeG schließen nicht aus, daß Bieter und Zielgesellschaft auch im Einzelfall identisch sein können.
Angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen des ÜbernahmeG und des AktienrückerwerbsG kann auch nicht zwingend abgeleitet werden, daß der Gesetzgeber des AktienrückerwerbsG (implizit) von einer Nicht-Anwendbarkeit des ÜbernahmeG auf den Rückerwerb von eigenen Aktien ausgegangen wäre.
Die Redaktoren des ÜbernahmeG beabsichtigten, sich an den Entwicklungen in der EU und den dort diskutierten Richtlinienvorschlägen zu orientieren. Diese Vorschläge verstanden lange Zeit hindurch unter dem Begriff des Übernahmeangebots ein an die Inhaber der Wertpapiere einer Gesellschaft gerichtetes vffentliches Angebot zum Erwerb eines Teils oder aller dieser Wertpapiere.
Vorrangiges Regelungsziel des ÜbernahmeG ist der Schutz der Minderheitsaktionäre. Der Gerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß Minderheitsaktionäre dieses Schutzes im Fall von Rückkaufangeboten durch die Gesellschaft selbst in geringerem Maße bedürfen als bei Angeboten durch Dritte.
Mit der Regelung in §65 AktienG wird den Minderheitsaktionären kein Schutz gewährt, der mit dem vergleichbar wäre, der durch den zweiten Teil des ÜbernahmeG vermittelt wird.
Die im AktienrückerwerbsG enthaltenen Schutzvorschriften betreffen in erster Linie die Gläubiger der Gesellschaft. Spezifische gesellschafterbezogene Schutzvorschriften, die geeignet sein könnten, diejenigen des ÜbernahmeG zu substituieren, sind nicht erkennbar.
Der Wortlaut des §2 ÜbernahmeG schließt somit den Erwerb eigener Aktien zur Einziehung zwecks Kapitalherabsetzung vom Geltungsbereich nicht aus, und der Zweck der Regelung gebietet eine Einbeziehung dieser Fälle geradezu.
Bei der Übernahmekommission handelt es sich, wie sich aus §28 Abs2 und §30 Abs1 ÜbernahmeG ergibt, um eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iSd Art133 Z4 B-VG, gegen deren Entscheidungen die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausdrücklich für zulässig erklärt wurde.
Der Aufgabenstellung nach dürfte es sich um eine Behörde mit primärer Kontrollfunktion handeln, wobei letztere vor allem - und zwar offenbar aus kapitalmarktpolitischen Gründen - die Bedingungen und die Durchführung von Rechtsgeschäften zwischen Privaten zum Gegenstand hat. Kollegialbehörden einer solchen Art begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, sondern halten sich im Rahmen der durch Art20 Abs2 und Art133 Z4 B-VG gezogenen Grenzen.
Die Übernahmekommission war zuständig, den der Beschwerde zugrundeliegenden Vorgang des Rückerwerbs eigener Aktien nach dem 2. Teil des ÜbernahmeG zu prüfen.
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Bei der Wiener Börse AG handelt es sich um einen privatrechtsförmigen Rechtsträger mit öffentlichen Aufgaben, die unter Einsatz von imperium zu besorgen sind.
Zwischen der Wiener Börse AG, als dem die Wiener Börse leitenden und verwaltenden Börseunternehmen, und der Übernahmekommission bestehen enge sachliche Beziehungen: Die Kontrollaufgaben der Übernahmekommission beziehen sich auf börsenotierte Unternehmen, die Zielsetzung des ÜbernahmeG liegt auf kapitalmarktpolitischem Gebiet. Besteht aber ein derart enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Aufgaben der Wiener Börse AG (als beliehenes Unternehmen) und denen der Übernahmekommission, so wird weder das Sachlichkeits- noch das Effizienzgebot verletzt, wenn der Wiener Börse AG aufgetragen wird, den Aufwand der Übernahmekommission zu tragen, und ihr die Ermächtigung eingeräumt wird, die Refinanzierung durch Gebühren im Verordnungsweg zu regeln.
Keine Bedenken gegen die GebührenO der Wiener Börse AG für das Verfahren vor der Übernahmekommission sowie gegen die in dieser GebührenO vorgesehene Mindestgebühr.
Die nach §31 Abs3 ÜbernahmeG gebotene Anhörung der Übernahmekommission ist im März 1999 erfolgt. Einen Hinweis auf diese Anhörung muß die Kundmachung der Verordnung nicht enthalten.
Angesichts der von der belangten Behörde geschilderten Vorgangsweise bei der Festsetzung der Gebühren (bei der vom geschätzten und offenbar nicht überhöhten Aufwand ausgegangen wurde) und dem bisher tatsächlich erreichten Kostendeckungsgrad von 85 % ist eine Verletzung des Kostendeckungsprinzips als solches (dh der Gesamtäquivalenz) jedenfalls nach den bisherigen Verhältnissen nicht anzunehmen. Aber auch die Verteilung dieser Kosten auf die Gebührenschuldner, speziell die in Rede stehende Mindestgebühr, entbehrt nicht einer sachlichen Rechtfertigung (vgl VfSlg 14473/1996).
Schlagworte
Behördenzuständigkeit, Beleihung, EU-Recht Richtlinie, Abgabenbegriff, Gebühr (ÜbernahmeG), Börsewesen, Börse, Kollegialbehörde, Äquivalenzprinzip, AnhörungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B2010.1999Dokumentnummer
JFR_09998788_99B02010_01