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L3 FinanzrechtNorm
B-VG Art138 Abs1 litaLeitsatz
Zulässigkeit der Anträge auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien und dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien betreffend die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Entfernung von Alttextil-Sammelbehältern durch den Magistrat der Stadt Wien; Zuständigkeit des UVS Wien zur Entscheidung hinsichtlich der gemäß dem Wr GebrauchsabgabeG 1966 auf öffentlichem Gemeindegrund der Gemeinde Wien aufgestellten Container; Zuständigkeit des LG für ZRS Wien zur Entscheidung über die Entfernung aller übrigen im Gemeindegebiet (auf Bundesstraßengrund, auf nicht dem Gemeingebrauch gewidmeten Gemeindegrund und auf privatem Grund) aufgestellten Container; keine Beurteilung der Rechtsverhältnisse nach der StVO 1960 bzw dem Wr AbfallwirtschaftsGRechtssatz
Der Begriff der Identität der Sache darf nicht allzu streng ausgelegt werden, weil sich gewisse Verschiedenheiten in der Geltendmachung des Anspruches schon daraus ergeben müssen, daß die Verteilung der Zuständigkeit von materiellrechtlichen Momenten abhängig ist, die bei der gerichtlichen Geltendmachung anders geartet sind als bei der Geltendmachung vor den Verwaltungsbehörden nach den für diese geltenden Verwaltungsvorschriften (VfSlg 2429/1952).
Der antragstellende Verein (Humana) erhebt neben den Feststellungsanträgen in der Maßnahmenbeschwerde (gemäß Art129a Abs1 Z2 B-VG) und in den Besitzstörungsklagen (gemäß §454 - §459 ZPO iVm §339 ABGB) sowohl in den gerichtlichen Verfahren als auch im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde jeweils idente Leistungsbegehren auf Wiederherstellung des früheren Zustandes.
Da sowohl das Gericht als auch die Verwaltungsbehörde ihre Zuständigkeit zu Unrecht abgelehnt haben, muß, ungeachtet des Umstandes, daß das jeweilige Feststellungsbegehren im Besitzstörungsverfahren auf die Störung des ruhigen Besitzes durch eigenmächtige Entfernung, das Feststellungsbegehren im Verfahren vor dem UVS Wien jedoch auf die Rechtswidrigkeit der Entfernung abstellt, bei einer rechtsschutzfreundlichen Auslegung der Tatbestandselemente "derselben Sache" in §46 VfGG angenommen werden, daß die Anträge auf Entscheidung des verneinenden Kompetenzkonfliktes zur Gänze zulässig sind.
Hoheitliche Verwaltung liegt vor, wenn die Verwaltungsorgane mit "imperium", also unter Einsatz spezifischer staatlicher Befehls- und Zwangsgewalt auftreten. Sie handeln dabei in jenen Rechtssatzformen, die das öffentliche Recht für die Ausübung von behördlichen Befugnissen zur Verfügung stellt.
Für die Beurteilung der vorliegenden Anträge gemäß Art138 Abs1 lita B-VG ist daher die Frage zu prüfen, ob das Verwaltungsorgan zur Regelung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses vom Gesetzgeber mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet wurde.
Nach §1 Abs1 Wr GebrauchsabgabeG 1966 bedarf der über die "widmungsmäßigen Zwecke" hinausgehende Gebrauch (Sondernutzung) von öffentlichem, als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dienenden Gemeindegrund, einer Gebrauchserlaubnis. Über einen Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis ist diesfalls mit Bescheid abzusprechen.
Die Aufstellung der Alttextil-Sammelbehälter auf öffentlichem, als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dienenden Gemeindegrund iSd §1 Abs1 Wr GebrauchsabgabeG 1966 stellt eine über den Gemeingebrauch in qualitativer Hinsicht hinausgehende Sondernutzung am öffentlichen Gut dar und es liegt sohin ein Rechtsverhältnis vor, das durch das Wr GebrauchsabgabeG 1966 in das öffentliche Recht übertragen und durch Akte der Hoheitsverwaltung gestaltet wird.
Für die Beurteilung der Ansprüche betreffend die Entfernung dieser Sammelbehälter durch die Gemeinde Wien ist daher der UVS Wien zuständig.
Im Gegensatz zum Wr GebrauchsabgabeG 1966 ist die Einräumung einer Sondernutzungsbewilligung nach §28 BStG 1971 kein Akt der Hoheitsverwaltung.
Selbst unter Zugrundelegung eines sehr weiten Verkehrsbegriffes kann das Aufstellen von Alttextil-Sammelbehältern auf Bundesstraßengrund (wozu gemäß §3 BStG 1971 nicht nur die Fahrbahnfläche, sondern auch Gehsteige, Rad- und Gehwege, Parkflächen, etc zu zählen sind) nicht unter den "bestimmungsgemäßen Zweck" von Bundesstraßen subsumiert werden. Es handelt sich daher um eine nach §28 Abs1 BStG 1971 "zustimmungspflichtige" Sondernutzung. Diese "Zustimmung" erfolgt im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung.
Zur Entscheidung über Ansprüche betreffend die Entfernung der Alttextil-Sammelbehälter auf Bundesstraßengrund sind daher die ordentlichen Gerichte zuständig.
Für die Entscheidung des vorliegenden verneinenden Kompetenzkonflikts ist die Rechtsnatur jenes Rechtsverhältnisses zu beurteilen, das der Entfernung der Alttextil-Sammelbehälter zugrundeliegt.
Die Entfernung wurde weder aufgrund eines Bescheides nach §82 StVO 1960 angeordnet, noch wurden Sammelbehälter - aus dem Grund einer verkehrsbeeinträchtigenden Aufstellung - durch einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt entfernt.
Die "Gebrauchserlaubnis" wurde auch keineswegs deshalb widerrufen, weil dem antragstellenden Verein eine nach §6 Abs3 Wr AbfallwirtschaftsG unbefugte Sammlungstätigkeit vorgeworfen wurde.
Das der Entfernung zugrundeliegende Rechtsverhältnis ist sohin weder nach der StVO 1960 noch nach dem Wr AbfallwirtschaftsG zu beurteilen.
Die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entfernung von Alttextil-Sammelbehältern, die sich auf Grundflächen der Gemeinde Wien befanden, die nicht dem Gemeingebrauch dienen, sowie im Zusammenhang mit der Entfernung eines Sammelbehälters, der auf einer - ebenfalls nicht im Gemeingebrauch stehenden - Grundfläche der Post und Telekom Austria AG aufgestellt war, unterliegen nicht dem Regime des Wr GebrauchsabgabeG 1966.
Zur Entscheidung über die Entfernung dieser Sammelbehälter sind daher die ordentlichen Gerichte zuständig.
Im vorliegenden Fall hat der UVS Wien den der Maßnahmenbeschwerde zugrundeliegenden Anspruch zu Unrecht als eine Einheit betrachtet. Daraus ergibt sich, daß seine Entscheidung der Kompetenzlage teilweise entspricht und teilweise widerspricht, ohne daß es möglich ist, den richtigen Entscheidungsteil von dem unrichtigen zu trennen. Daher war der Bescheid vom 15.01.99 zur Gänze aufzuheben.
Das Landesgericht für ZRS Wien ging offenbar unter der - kompetenzwidrigen - Annahme einer abschließenden Regelung der Sondernutzung für im Wiener Gemeindegebiet gelegenen Straßengrund durch das Wr GebrauchsabgabeG 1966 davon aus, daß jeder Aufstellung eines Alttextil-Sammelbehälters auf öffentlichem Gut ein durch Hoheitsakt zu begründendes Rechtsverhältnis zugrundeliege. Der Klagsanspruch wurde für die auf öffentlichem Gut aufgestellten Sammelbehälter in diesen Verfahren zu Unrecht als eine Einheit angesehen. Die (näher genannten) Beschlüsse des Landesgerichtes waren daher zur Gänze aufzuheben.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Abfallwirtschaft, Behördenzuständigkeit, Gebrauchsabgaben, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Hoheitsverwaltung, Privatwirtschaftsverwaltung, Straßenpolizei, Straßenverwaltung, VfGH / KompetenzkonfliktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:KI2.1999Dokumentnummer
JFR_09989697_99K00I02_01