RS Vfgh 2001/3/3 B1713/98 ua - B98/99

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 03.03.2001
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Index

74 Kirchen, Religionsgemeinschaften
74/01 Gesetzliche Anerkennung, äußere Rechtsverhältnisse

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
StGG Art15
AnerkennungsG
BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §5
BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften §11

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die Festlegung einer zehnjährigen Beobachtungsphase vor der gesetzlichen Anerkennung von Anhängern eines Religionsbekenntnisses als Religionsgesellschaft im Hinblick auf das Gleichheitsrecht und die Religionsfreiheit; öffentliches Interesse an einer Rechtsaufsicht auch für rechtlich existente Bekenntnisgemeinschaften während dieser Phase; Abmilderung der potentiellen Verschlechterung der Rechtsposition gesetzlich nicht anerkannter religiöser Gesellschaften durch eine Übergangsbestimmung hinsichtlich der Erlangung von Rechtspersönlichkeit auch aufgrund der alten Rechtslage nach dem Anerkennungsgesetz gestellter Anträge

Rechtssatz

Legitimation der Anhänger einer Bekenntnisgemeinschaft zur Beschwerdeerhebung gegen die Versagung der Anerkennung als Religionsgesellschaft; Antragstellung noch auf die alte Rechtslage nach dem AnerkennungsG gestützt.

Der bekämpfte Feststellungsbescheid stellt nicht nur die Rechtspersönlichkeit der Christengemeinschaft fest, sondern erledigt auch den seinerzeitigen Antrag der Beschwerdeführer auf Anerkennung als gesetzlich anerkannte Kirche, sodaß diese zur Erhebung der Beschwerde legitimiert sind.

Gemäß §2 Abs1 BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften tritt die Wirkung des Erwerbs der Rechtspersönlichkeit nur ein, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wurde oder (§11 Abs2 letzter Satz leg cit) seinerzeit gestellt worden war. Eine allfällige Aufhebung des Bescheides etwa mangels Vorliegens eines geeigneten Antrags würde daher sehr wohl Rechtswirkungen entfalten.

Der im Verfahren B66/99 bekämpfte Bescheid spricht formell über den im März 1995 von den nunmehrigen Beschwerdeführern gestellten Antrag auf Anerkennung der Christengemeinschaft nach dem AnerkennungsG ab. Die Beschwerdeführer sind daher auch zur Bekämpfung dieses Bescheides legitimiert, weshalb die Beschwerde, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ebenfalls zulässig ist.

Keine Bedenken gegen §11 des BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften; §11 Abs1 Z1 leg cit als lex fugitiva zum AnerkennungsG.

Eine Vorschrift wie §11 leg cit, die die gesetzliche Anerkennung als Religionsgesellschaft von einer Beobachtungsphase abhängig macht, begegnet weder im Hinblick auf das dem Gleichheitsgrundsatz innewohnende Sachlichkeitsgebot noch im Hinblick auf Art15 StGG noch unter sonstigen Gesichtspunkten verfassungsrechtlichen Bedenken; auch eine Beobachtungsfrist von zehn Jahren hält der Verfassungsgerichtshof nicht für bedenklich.

Die Einführung einer zehnjährigen Beobachtungsphase, innerhalb der eine rechtlich existente Bekenntnisgemeinschaft von der Kultusbehörde im Hinblick auf die Einhaltung bestimmter Verhaltensregeln, die ihrerseits unstrittig im öffentlichen Interesse liegen, einer Rechtsaufsicht unterliegt, erscheint dem Verfassungsgerichtshof nicht bedenklich, insbesondere auch vor dem Hintergrund der unbestrittenen Tatsache der Existenz von religiösen Gemeinschaften, bei denen Zweifel daran bestehen können, ob sie den Anforderungen des §5 Abs1 Z1 leg cit auch tatsächlich entsprechen.

Die mit der Einführung des §11 BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften - jedenfalls in zeitlicher Hinsicht - verbundene potentielle Verschlechterung der Rechtsposition gesetzlich nicht anerkannter religiöser Gemeinschaften trifft diese kraft der Übergangsbestimmung des §11 Abs2 leg cit nicht voll, sondern nur abgeschwächt, da ihnen der Erwerb der Rechtspersönlichkeit ermöglicht wird und der zweite Satz dieses Absatzes überdies bewirkt, daß sie - sofern sie den gesetzlich fingierten Antrag nicht innerhalb der ihnen dazu zur Verfügung stehenden sechsmonatigen Frist zurückziehen - die Rechtspersönlichkeit nach dem BG über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften ohne neuerliche Antragstellung erreichen können, wenn sie zuvor eine Anerkennung als Kirche oder Religionsgesellschaft begehrt haben.

siehe auch E v 14.03.01, B98/99: Keine Willkür bei Abweisung einer ebensolchen Beschwerde der Zeugen Jehovas (Hinweis auf die vorliegende Entscheidung).

Entscheidungstexte

  • B 1713/98 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 03.03.2001 B 1713/98 ua
  • B 98/99
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 14.03.2001 B 98/99

Schlagworte

Übergangsbestimmung, Religionsfreiheit, Religionsgesellschaften, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B1713.1998

Dokumentnummer

JFR_09989697_98B01713_01
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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