TE Vfgh Erkenntnis 2005/6/16 B1454/03

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.06.2005
beobachten
merken

Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z10
StGG Art5
MinroG §2, §5, §80
Tir NaturschutzG 1997 §6 litb, §43 Abs1 lita

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Verhängung einer Geldstrafe für das Sprengen von so genannten "Findlingen" auf dem Grundstück des Beschwerdeführers ohne Bewilligung nach dem Mineralrohstoffgesetz und dem Tiroler Naturschutzgesetz für die Gewinnung von Mineralien; denkunmögliche Gesetzesanwendung; keine besonderen typisch bergbautechnischen Kenntnisse erforderlich für die Beseitigung der Gesteinsansammlungen

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.

Spruchpunkt 1 des Bescheides wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit der vorliegenden Beschwerde wendet sich ein Landwirt gegen das Berufungserkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 18. September 2003, mit welchem seine Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz zu Spruchpunkt 1 als unbegründet abgewiesen wurde, wogegen der Berufung zu Spruchpunkt 2 insofern Folge gegeben wurde, als die über den Beschuldigten verhängte Geldstrafe herabgesetzt wurde. Der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet:

"Sie haben

1. in der Zeit von ca. 9.1.2002 bis ca. 5.2.2002 auf Gst. 1673/1 KG Finkenberg grundeigene mineralische Rohstoffe gewonnen, nämlich ca. 3 bis 5 Gesteinsbrocken (sogenannte Findlinge) gesprengt und mittels Lkw-Fahrten verbracht, obwohl Sie nicht im Besitz der dafür gemäß §§80 und 113 Mineralrohstoffgesetz (MinroG), BGBl. Nr. 38/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 98/2001, für den obertägigen Abbau von grundeigenen mineralischen Rohstoffen erforderlichen Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes waren.

2. in der Zeit von ca. 9.1.2002 bis ca. 5.2.2002 auf Gst. 1673/1 KG Finkenberg grundeigene mineralische Rohstoffe gewonnen, nämlich ca. 3 bis 5 Gesteinsbrocken (sogenannte Findlinge) gesprengt und mittels Lkw-Fahrten verbracht, obwohl Sie nicht im Besitze der dafür gemäß §6 litb Tiroler Naturschutzgesetz 1997 (TNSchG), LGBl. Nr. 33/1997 in der Fassung LGBl. Nr. 14/2001, erforderlichen naturschutzrechtlichen Bewilligung waren."

Der Beschwerdeführer wurde also wegen des gleichen Vorfalles sowohl nach dem MinroG als auch dem TNSchG bestraft.

Nach den im Wesentlichen unstrittigen Sachverhaltsfeststellungen befanden sich auf einem Grundstück des Beschwerdeführers Gesteinsansammlungen, so genannte Findlinge. Der Beschwerdeführer ließ diese sprengen und im Anschluss daran einen Teil des Materials wegführen, während andere Gesteinsbrocken in den Boden eingebaut wurden.

2. Der angefochtene Bescheid stützt seine Entscheidung zu Spruchpunkt 1 auf die §§1 Abs2, 2 Abs1, 80, 112 und 113 MinroG (BGBl. I Nr. 38/1999 idF BGBl. I Nr. 98/2001).

Gemäß §2 Abs1 gilt dieses Bundesgesetz u.a.

"1. für das Aufsuchen und Gewinnen der bergfreien, bundeseigenen und grundeigenen mineralischen Rohstoffe".

Unter "Gewinnen" versteht das MinroG

"das Lösen oder Freisetzen (Abbau) mineralischer Rohstoffe und die damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten" (§1 Z2 MinroG).

Die grundeigenen mineralischen Rohstoffe sind in §5 MinroG wie folgt definiert:

"Grundeigene mineralische Rohstoffe sind alle in den §§3 und 4 nicht angeführten mineralischen Rohstoffe".

§80 Abs1 MinroG bestimmt, dass natürliche Personen, juristische Personen oder Personen des Handelsrechts, die beabsichtigen, grundeigene mineralische Rohstoffe obertägig zu gewinnen, der Behörde einen Gewinnungsbetriebsplan zur Genehmigung vorzulegen haben. Die §§112 und 113 MinroG regeln die Erstellung und Vorlage von Gewinnungsbetriebsplänen.

Personen, die eine der in §2 Abs1 angeführten Tätigkeiten ausüben, ohne dass diese durch eine Bergbauberechtigung gedeckt ist, machen sich einer Verwaltungsübertretung schuldig und sind von der Behörde mit einer Geldstrafe bis zu € 3.600,--, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen (§193 Abs1 MinroG).

Da die im Auftrag des Beschwerdeführers gesprengten und dann entfernten Gesteinsbrocken keine mineralischen Rohstoffe enthalten, die zu den bergfreien (§3 MinroG) oder bundeseigenen (§4 MinroG) zählen, reiht sie die belangte Behörde unter den Begriff der "grundeigenen mineralischen Rohstoffe" ein.

3. Das Tiroler Naturschutzgesetz (TNSchG), LGBl. Nr. 33/1997, sieht in §6 litb eine Bewilligungspflicht unter anderem für folgende Vorhaben vor:

"die Errichtung und die Aufstellung von Anlagen zur Gewinnung oder Aufbereitung von mineralischen Rohstoffen und von Anlagen zur Aufbereitung von Mischgut oder Bitumen sowie der maschinelle Abbau von mineralischen Rohstoffen".

Nach §43 Abs1 lita TNSchG ist zu bestrafen, wer

"ein nach den §§6, 7 Abs1 und 2, 8, 9, 25 Abs3 und 26 Abs3 bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne naturschutzrechtliche Bewilligung ausführt".

4. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nur

"soweit die Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt 1) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 13.6.2002 ... als unbegründet abgewiesen wurde..."

Er erachtet sich u.a. dadurch in seinen Rechten verletzt, dass die belangte Behörde ein verfassungswidriges Gesetz angewendet habe. Die Beseitigung und das Verbringen der Gesteinsbrocken diene bloß einer besseren landwirtschaftlichen Nutzung und sei daher eine typisch landwirtschaftliche Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei nicht jeder Eingriff in die Erdkruste eine unter dem Kompetenztatbestand "Bergwesen" fallende Tätigkeit (vgl. VfSlg. 13.299/1992; ferner Mayer, Die Kompetenzgrundlage des Mineralrohstoffgesetzes, ecolex 1999, 506). Für die Beseitigung von Findlingen seien nämlich bergbautechnische Kenntnisse nicht erforderlich. Er habe auch keinen planmäßigen Abbau zum Zwecke der Gewinnung (von Verwertung) mineralischer Rohstoffe betrieben. Der Kompetenztatbestand "Bergwesen" stelle aber auf eine fortgesetzte und regelmäßige Nutzung der Erdkruste ab. Das angefallene Gesteinsmaterial sei nicht verwertet worden, sondern zur Rekultivierung der Flächen und zum Ausgleichen der Bodenunebenheiten verwendet worden. Der Eingriff in die Erdkruste habe daher nur eine landwirtschaftliche Strukturverbesserung bezweckt, und die einmalige Tätigkeit der Entfernung der Gesteinsbrocken sei auch nicht als "Gewerbe" einzustufen.

Die Verfassungswidrigkeit der §§1 Z2 und 2 Abs1 MinroG 1999 ergebe sich auch aus einer nicht ausreichenden Determinierung des Begriffes "Gewinnen". Der Beschwerdeführer meint dann:

"Es mag zwar sein, dass der Kompetenztatbestand des Art10 Absl Z10 B-VG seinem Zweck nach nicht bloß auf das Gewinnen von mineralischen Rohstoffen abzielt, sondern auch andere, die Erdkruste nutzende Tätigkeiten erfasst, sofern diese auf eine für das Gewinnen von mineralischen Rohstoffen kennzeichnende Weise erfolgen, also mit Mitteln und Methoden, die sonst für das Gewinnen von mineralischen Rohstoffen typisch ist. Auch wenn man primär auf die Methodik des Eingriffes in die Erdkruste abstellt, ist doch nach dem Kompetenztatbestand des Art10 Abs1 Z10 B-VG auch die (bergbaubetriebliche!) Intention des Eingriffes, also dessen Zweck, zu berücksichtigen, ob eine Tätigkeit unter den Anwendungsbereich des MinroG 1999 fällt. Hieraus kann abgeleitet werden, dass die Grenze des Kompetenztatbestandes des Art10 Abs1 Z10 B-VG und somit auch notwendigerweise des Anwendungsbereiches des MinroG 1999 jedenfalls dort zu ziehen ist, wo kein regelmäßiges, fortgesetztes 'Fördern' oder 'Gewinnen' von mineralischen Rohstoffen vorliegt bzw Unternehmenszweck ist. In diesem Zusammenhang darf auf die vorigen Ausführungen verwiesen werden. Diese Absicht des Gesetzgebers lässt sich in der Abgrenzung, wann eine bergmännische Nutzung vorliegt (§§1 und 2 leg cit), jedoch nicht erkennen.

Unabhängig davon ist es sachlich nicht zu rechtfertigen und unverhältnismäßig, dass im Hinblick auf die Erfordernisse in Bezug auf die Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes für das hier in Rede stehende obertägige Gewinnen von grundeigenen mineralischen Rohstoffen weder eine Unterscheidung in Bezug auf Art und Ausmaß der Gewinnungs- bzw. Abbautätigkeit gemacht noch nach der Betriebs- oder Unternehmensgröße differenziert wird.

Es ist unter diesem Gesichtspunkt nicht einsichtig, wenn der Beschwerdeführer, der 3 - 5 Gesteinsbrocken vor dem Hintergrund einer besseren landwirtschaftlichen Benützungsmöglichkeit seiner Grundflächen entfernt haben wollte, unter denselben strengen Maßgaben um die Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes nach dem MinroG 1999 ansuchen müsste, wie dies bei einem Großabbauprojekt der Fall ist."

Der Beschwerdeführer verweist dann auf die detaillierte Voraussetzung für die Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes.

Auch sei es unsachlich und daher gleichheitswidrig, keine entsprechenden Ausnahmetatbestände vorzusehen.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

6. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Eine nicht verfassungskonforme Auslegung eines Gesetzes ist der Denkunmöglichkeit gleichzuhalten.

        Unter den Kompetenztatbestand "Bergwesen" fallen

Tätigkeiten, bei denen die Erdkruste in einer Weise genutzt wird, die

"auf eine für das Gewinnen von 'Mineralien' kennzeichnende Weise

erfolgen, also mit Mitteln und Methoden, die sonst für das Gewinnen

von 'Mineralien' typisch sind ('Bergbau'). Die im Zusammenhang mit

der Auslegung der Kompetenzbestimmungen entwickelten ... Maximen

führen also ... im besonderen Fall des 'Bergwesens' dazu, daß zur

Abgrenzung dieses Kompetenztatbestandes primär auf die angewendeten

Mittel und Methoden ... abzustellen ist" (VfSlg. 13.299/1992).

Bei der im Auftrag des Beschwerdeführers erfolgten Beseitigung der Gesteinsansammlungen auf seinem Grundstück waren keine besonderen typisch bergbautechnischen Kenntnisse erforderlich. Sie war daher keine Gewinnung mineralischer Rohstoffe im Sinne des MinroG. Die belangte Behörde hat jedoch diese Tätigkeiten in verfassungswidriger Auslegung des Gesetzes unter die Bestimmungen des MinroG subsumiert und damit einen so schweren Fehler begangen, dass dadurch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Beschwerdeführers auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt wird. Der Bescheid war daher im Umfang des angefochtenen Spruchpunktes 1 aufzuheben.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG.

Eine mündliche Verhandlung war entbehrlich (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Bergrecht, Bescheid Trennbarkeit, Kompetenz Bund - Länder Bergrecht, Naturschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2005:B1454.2003

Dokumentnummer

JFT_09949384_03B01454_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten