Index
50 GewerberechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Zulässigkeit von Individualanträgen von Personengesellschaften auf Aufhebung einer gewerberechtlichen Bestimmung bezüglich der Berechtigung zur Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks; kein Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht; keine Rechtskraft der Kapitalgesellschaften betreffenden Vorentscheidung; Verletzung der Erwerbsausübungsfreiheit und des Gleichheitsrechtes durch den generellen Ausschluß von Personengesellschaften von der Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks; Wiederinkrafttreten der Rechtslage vor der Gewerbeordnungsnovelle 1997Rechtssatz
Zulässigkeit der Individualanträge auf Aufhebung des §102 Abs1 erster Satz und §102 Abs4 GewO 1994.
Die von den Antragstellern angefochtenen Bestimmungen bewirken, daß der Erstantragstellerin zu G14/00 und der Erst- und Zweitantragstellerin zu G56/01 die Ausübung des Rauchfangkehrerhandwerks nach dem 01.07.01 verwehrt ist und sie ex lege mit Ablauf dieses Datums ihre Gewerbeberechtigung verlieren. Es wäre einem Gewerbeinhaber unzumutbar, mit der Antragstellung auf Gesetzesprüfung bis zu dem Zeitpunkt zuzuwarten, zu dem er die Gewerbeberechtigung kraft Gesetzes verliert (vgl VfSlg 15523/1999 und VfSlg 11402/1987 betreffend Realapotheken).
Ebenso für die persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft.
Keine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit.
Der für Rauchfangkehrer gemäß §102 Abs1 Z2 GewO 1994 idF BGBl I 63/1997 geltende, wegen der Ausübung öffentlicher Gewalt im Rahmen der Feuerpolizei (§101 Abs1 zweiter Satz GewO 1994) im Hinblick auf Art45 EG gemeinschaftsrechtlich unbedenkliche Inländervorbehalt überläßt schon wegen des insofern fehlenden Auslandsbezuges die Regelung der Zugangsvoraussetzungen zum Rauchfangkehrergewerbe der Gestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers.
Keine entschiedene Sache im Hinblick auf VfSlg 15523/1999 betr Kapitalgesellschaften.
Keine ausreichende Darlegung der Bedenken gegen §102 Abs1 zweiter Satz GewO 1994.
Der erste Satz des §102 Abs1 und §102 Abs4 GewO 1994 idF BGBl I 63/1997 war wegen Widerspruchs zu den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sowie auf Gleichheit vor dem Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.
Das öffentliche Interesse, daß die Rauchfangkehrerarbeiten in einer Art und Weise vorgenommen werden, daß sie unmittelbar physischen Personen, die eine entsprechende Befähigung besitzen und dafür zur Verantwortung gezogen werden können, zugerechnet werden können, ist nicht zu bezweifeln. Die den Ausschluß von Kapitalgesellschaften rechtfertigende persönliche Verantwortung des Rauchfangkehrers ist aber bei Personengesellschaften, welche dieses Gewerbe wahrnehmen, sichergestellt, wenn sämtliche persönlich haftende Gesellschafter der Personengesellschaft natürliche Personen sind und wenn vor allem der gewerberechtliche Geschäftsführer der Personengesellschaft ein persönlich haftender Gesellschafter ist, der nach dem Gesellschaftsvertrag zur Geschäftsführung und zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist.
Wenn der Gesetzgeber daher Personengesellschaften mit diesen Qualifikationsmerkmalen (: alle persönlich haftenden Gesellschafter sind natürliche Personen und ihr Geschäftsführer ist ein persönlich haftender Gesellschafter, der auch die handelsrechtliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis besitzt) durch die Gewerbeordnungsnovelle BGBl I 63/1997 von der Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes ausgeschlossen hat, geht er mit seiner die Erwerbsausübung der Personengesellschaft beschränkenden Regelung über die oben dargestellte, im öffentlichen Interesse gelegene Zielvorstellung hinaus.
Wiederinkrafttreten des §108 Abs1 erster Satz und Z3 GewO 1994 nach Aufhebung von §102 Abs1 erster Satz und Abs4 idF GewO-Nov, BGBl I 63/1997.
Die Aufhebung des §102 Abs1 erster Satz hätte zur Folge, daß aufgrund der dann zum Tragen kommenden allgemeinen Regel des §8 Abs1 GewO 1994 (für natürliche Personen) und des §9 Abs1 leg cit (für juristische Personen und Personengesellschaften des Handelsrechts einschließlich eingetragener Erwerbsgesellschaften) das Handwerk der Rauchfangkehrer nunmehr in Ansehung des Gewerbeinhabers wieder unbeschränkt ausgeübt werden dürfte. Da aber der Ausschluß von Kapitalgesellschaften aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich ist (s VfSlg 12296/1990 und 15523/1999) und eine Fristsetzung für das Außerkrafttreten im Hinblick auf die mit 01.07.01 eintretenden Wirkungen nicht in Betracht kommt, war der (durch die Gewerberechtsnovelle 1988 und die Novelle BGBl I 63/1997 offenkundig gewordenen) Absicht des Gesetzgebers, den zur Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes zugelassenen Personenkreis zu beschränken, nur im verfassungsrechtlich gebotenen Maß entgegenzutreten: Daher hat der Gerichtshof das Wiederinkrafttreten der Bestimmung, die es - neben natürlichen Personen - Personengesellschaften, deren persönlich haftende Gesellschafter natürliche Personen sind, nicht aber auch Kapitalgesellschaften ermöglicht, das Rauchfangkehrerhandwerk auszuüben, nicht ausgeschlossen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Erwerbsausübungsfreiheit, EU-Recht, Gewerberecht, Rauchfangkehrergewerbe, VfGH / Bedenken, VfGH / Legitimation, VfGH / Sachentscheidung Wirkung, RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:G14.2000Dokumentnummer
JFR_09989692_00G00014_01