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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Keine Zulässigkeit eines auf Aufhebung eines nicht mehr in Geltung stehenden Mindestlohntarifs gerichteten Individualantrags mangels rechtlicher Betroffenheit des Antragstellers; Zulässigkeit des auf die Aufhebung des noch in Geltung stehenden Mindestlohntarifs gerichteten Individualantrags; Verordnungscharakter eines Mindestlohntarifs; kein zumutbarer Umweg über die Nichtentrichtung von Entgelten; keine Gesetzwidrigkeit des Mindestlohntarifs für private Bildungseinrichtungen; keine Verpflichtung zur Berücksichtigung von Unterrichtsmethoden im Sprachunterricht bei der Regelung des nach der vorausgesetzten Qualifikation gestuften TarifsRechtssatz
Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung eines Teiles des §2 der Verordnung des Bundeseinigungsamtes vom 23.11.99 betreffend den Mindestlohntarif für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte Arbeitnehmer/innen.
Eine im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofs bereits außer Kraft getretene Norm entfaltet für die Rechtssphäre des Antragstellers regelmäßig nicht mehr die eine Antragstellung rechtfertigende unmittelbare Wirkung. Das Ziel eines Verfahrens nach dem letzten Satz der ersten Absätze in Art139 und 140 B-VG, die rechtswidrige Norm ohne Verzug mit genereller Wirkung aus dem Rechtsbestand zu entfernen, ist mit ihrem Außerkrafttreten fortgefallen. In Betracht kämen nur bereits verwirklichte Sachverhalte, die aber mangels "Anlaßfallwirkung" eines solchen Verfahrens von der Entscheidung nicht betroffen würden. Auch die Zulässigkeit einer verfassungsgerichtlichen Prüfung würde einen sich allenfalls anbahnenden Rechtsstreit über die entstandene Lage, aus Anlaß dessen die Sache durch ein zur Entscheidung berufenes Gericht an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen wäre, nicht verhindern. Daß ein solcher Rechtsstreit (noch) nicht anhängig geworden ist, bewirkt eine aktuelle Betroffenheit ebensowenig wie allfällige Vereinbarungen zwischen den Betroffenen, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten oder bei dessen Erfolg das empfangene Entgelt rückzuerstatten.
Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung eines Teiles des §2 der Verordnung des Bundeseinigungsamtes vom 21.11.00 betreffend den Mindestlohntarif für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte Arbeitnehmer/innen.
Verordnungscharakter der von den Einigungsämtern erlassenen Mindestlohntarife.
Die antragstellende Gesellschaft wird vom bekämpften Mindestlohntarif erfaßt. Angesichts der arbeitsrechtlichen Folgen einer auch nur teilweisen (rechtswidrigen) Nichtentrichtung des Entgelts, der Ungewißheit der Anspruchsverfolgung durch die betroffenen Arbeitnehmer und der fraglichen Wirkung einer Zahlung unter Vorbehalt der Rückforderung (der sich Arbeitnehmer nicht ohne weiteres fügen müssen), erscheint die Provokation eines gerichtlichen Verfahrens kein zumutbarer Weg, die Gesetzwidrigkeit des Mindestlohntarifs an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Abweisung des Individualantrags auf Aufhebung eines Teiles des §2 der Verordnung des Bundeseinigungsamtes vom 21.11.00 betreffend den Mindestlohntarif für in privaten Bildungseinrichtungen beschäftigte Arbeitnehmer/innen.
Keine Bedenken gegen die Ermächtigung zur Erlassung von Tarifen nach dem Muster und der Zielsetzung anderer autonomer oder - ausnahmsweise auch - staatlicher Regelungen in §23 ArbVG; Kriterien gerade noch zureichend determiniert.
Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Blickwinkel des vorliegenden Antrages nur zu prüfen, ob die Regelung des Mindestlohntarifs für private Bildungseinrichtungen, die einen pauschalen Tarif für unterrichtende Tätigkeit, dreifach gestuft nach der vorausgesetzten Qualifikation, enthält, aufgrund der gegebenen Verhältnisse im Bereich des Sprachunterrichts nach Unterrichtsmethoden unterscheiden muß.
Die Frage nach der Notwendigkeit einer unterschiedlichen Behandlung des Sprachunterrichts nach der angewendeten Unterrichtsmethode kann nicht isoliert gestellt werden. Selbst Ausmaß und Gewicht der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts dürfte nicht allein für den Sprachunterricht in Erwägung gezogen werden. Gerade dort wird freilich im verwandten Wirtschaftszweig eigentlich die gegenteilige Richtung eingeschlagen, wenn der kaufmännische Schriftverkehr in einer lebenden Fremdsprache ("eine Tätigkeit, die jener bei Berlitz vergleichbar ist") mit 1,105 auf die Lehrverpflichtung angerechnet wird (und solcherart die Zahl der Unterrichtsstunden verringert). Zudem macht jede Bedachtnahme auf die im Einzelfall zur Anwendung kommende Unterrichtsmethode eine Unterscheidung von Unterrichtstätigkeit innerhalb ein und desselben Arbeitsverhältnisses nötig, wobei die jeweils angewandte Methode mehr oder weniger an Vor- oder Nachbereitung im fließenden Übergang erfordern kann, was die Handhabung des Mindestlohntarifs erheblich erschweren würde.
Der bloße Umstand, daß in den Unterrichtsformen für die Entlohnung berücksichtigungswürdige Unterschiede bestehen, verhält die Behörde demgemäß noch nicht, bei Erlassung des Mindestlohntarifs nach Kriterien zu unterscheiden, deren Berücksichtigung verwandten Wirtschaftszweigen fremd ist.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Arbeitsverfassung, Mindestlohntarif, Geltungsbereich (zeitlicher) einer Verordnung, Verordnungsbegriff, VfGH / Individualantrag, DeterminierungsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:V8.2000Dokumentnummer
JFR_09989685_00V00008_01